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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Prozessen unverhüllt an den Tag. Sie führt zum Karieristentum, er ist. 
^ung, Erhebung und Erbauung wird. 
In einer jener Berliner Abendgesellschaften, die Prominente auf 
allen Gebieten zu vereinigen Pflegen, unterhielt ich mich jüngst mit 
einer älteren Dame, der Frau eines angesehenen und ernsten, aber 
wenig erfolgreichen Schriftstellers, der ebenfalls anwesend war. Wir 
sprachen über den Grund seiner Erfolglosigkeit, die natürlich heute 
gleichbedeutend mit materiellen Schwierigkeiten und Ablehnungen 
ist. Die Dame meinte nun, daß der eigentliche Grund in der Un 
abhängigkeit des Charakters und einem gewissen SuLstanzreichtum 
liege. „Substanz stoßt ab", sagte sie völlig unverbittert und streifte 
mit einem Blick die Gesellschaft. Das war gewiß in eigener Sache 
gesprochen, aber doch ein stichhaltiges Argument; denn es duldet 
keinen Zweifel, daß die Träger der Haltung, die viel zu lange 
triumphiert hat, substanzfeindlich sind. Einige Exemplare von 
ihnen waren in der Gesellschaft selber vorhanden, und es geht ihnen 
gar nicht schlecht. Dann sah die Dame zu ihrem Mann hin, der sich 
in einer Gruppe lebhaft unterhielt, und sagte mit einem freund 
lichen, keineswegs resignierten Lächeln: „Sehen Sie, wie er da sitzt 
und ohne jedes Mißtrauen redet. Er ist ein guter Junge! Und ich 
liebe ihn um seiner Erfolglosigkeit willen, liebe ihn gerade so, wie 
Vielleicht vermittelt dieser Ausspruch, der sich mir tief eittge- 
prägt hat, eine Ahnung von der menschlichen Weise, an die ich 
hier denke. Jedenfalls hebt er die Unmenschlichkeit radikal aus den 
Angeln, in welcher Gestalt sie sich auch unter uns zeige. Und 
richtete sich das Leben nach ihm ein: das Elend wäre tragbar, die 
Armut erhielte Größe, und wir hätten endlich ein Fundament. 
Portale sehen so traurig drein wie eine verlassene Schöne, Fabrik 
tore sind geschlossen und ein Skandal nach dem andern füllt die 
Spalten der reichshauptstädtischen Presse. Der Schein hört auf, 
der Bodensatz steigt in die Höhe, die Wirklichkeit zeigt sich nackt. 
M Sie ist häßlich, hart, klein. Und übrig bleibt nur, sich in sie zu 
schicken. 
Ist das ein Anlaß zur Klage? Es könnte eins Chance sein, 
wenn wir damit wieder auf Grund stießen, wenn wir nicht mehr 
über unsers Verhältnisse und auf viel zu großem Fuß lebten, 
sondern das Leben den Verhältnissen anzupassen versuchten. Ich 
kann nur schwer ausdrücken, wgs ich meine, aber vielleicht ist es 
trotz unserer abgegriffenen Sprache möglich, mich verständlich zu 
machen. Gewiß ist die Not, in der wir uns heute befinden, zu 
einem guten Teil die Folge wirtschaftlicher und politischer Ent 
wicklung, an denen wir selber keine Schuld tragen. Wer sie ist 
auch die Folge einer bestimmten Haltung, die sich bei uns, wer 
weiß, durch welche Umstände, hat einbürgern können. Wie diese 
Haltung sich in den bereits angedeuteten gespenstischen Phänomenen 
sichtbar darstellt, sio tritt sie im Sklarek-Prozeß und in anderen 
Zur Absage an zwischenmenschliche Verständigung, zur Erfolgsan 
beterei und zu BeLäubungsorgien; sie ist unmenschlich, mit einem 
Wort. Nachdem das durch sie bewirkte Unheil hie und da offenbar 
geworden ist, gälte es, sie zu liquidieren und mit den Zuständen 
auf menschliche Weiss fertig zu werden. Auf menschliche Weise: 
meine Verlegenheit, sie Zu kennzeichnen, ist nicht gering. 
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HA, 
gewidmeten Filmfabrikate, mit denen wir seit längerem überflutet 
warden sind, bis auf weiteres vorbei Zu sein scheint (vergl. mem 
Referat: „Der Film im Dezember" in der ReichsausMbe vom 
30. Dezember). Diese Prognose wird nun Zu meiner Genugtuung 
durch das Ergebnis einer Rundfrage bestätigt, die das 
„R e i ch s fi l m b la t L" verunstaltet hat. Die in seinen beid-n 
letzten Nummern veröffentlichten Antworten sind so aufschlußreich, 
daß sie der OeffentlichkeiL bekamftgegeben Zn werden verdienen. 
Am wichtigsten ist die erstaunliche Uebereinstimmung, mit der 
die befragten Darsteller, Regisseure, Kinobesitzer, 
Filmautoren usw. den sinnlosen Amüsierfilm 
verurteilen, der von der Filmindustrie im vergangenen Jahr 
als Niaffenartikel hergestellt wurde und den Markt nahezu völlig 
beherrschte. Wir haben uns an dieser Stelle wieder und wieder 
gegen die unselige Tendenz der Ulmproduzenten getvandt, das 
Publikum durch nichtige Zerstreuung von der Leöensnot abzu- 
Leuken, und es zeigt sich jetzt zum Glück, daß auch der bessere Teil 
der Filmwelt selber aus praktischen und ideellen Gründen des 
bisherigen Treibens müde geworden ist. 
Ich Zitiere aufs Geratewohl ein Paar der singegangenen Ver 
dikte. 
Paul Morgan: „Ich spreche gegen meine Tasche, wenn ich 
offen die Ansicht ausspreche, der reine Amüsierfilm auf laufen 
dem Band aufhören wird. Aufhören muß . . / 
Felix BressarL, derselbe, der sich bereits vor einigen Mo- 
NEkey mft einem anerkennenswerten Unabhängigkeitssinn dagegen 
mMelehnt hat, in Militärfilmen weiter den Rekruten Zu spielen: 
„Hern innigster Wunsch ist — daß die Zeit der inhaltlosen — 
lebensfernen — Klamaukschwänke vorüber ist." 
Herbert Juttke, ein Autor: „Der Nur-Klamauk-Film 
wird . . . infolge seiner . . ,, inneren Gehaltlosigkeit wenig 
Chancen auf größeren Erfolg haben." 
Generaldirektor August Weinschenk: „Die Chancen des 
Lustspiels und des Sckwanks sind meiner Ansicht nach nicht er 
schöpft, aber doch wesentlich eingeschränkt und verkleinert . . " 
Woher rührt die allgemeine Abkehr vom leeren „Klamauk"? 
Zunächst daher, daß man mit rhm nachgerade schlechte Geschäfte Zu 
machen befürchtet. Per Konsument hat anscheinend genug von dem 
Zeug, eine Absatzkrise droht einzutreten, und die klugen Leute 
sehen sich vor. Willy Forst trägt dieser Tatsache durch die folgende 
Bemerkung Rechnung: „Ich bin fest davon überzeugt, daß jeder 
Produzent ebeusogern einen anständigen Film macht, wenn er 
von vornherein keine Chance sieht, mit Mist Geld M verdienen." 
Woraus man zugleich erkennt, wel Zweifelhaften Herkünfte der 
Anstand oft hat. Manche blicken tiefer und bringen Ende der 
Amüsierfilm-Hausse mit dem Wachstum des Elends in unmittel 
baren Zusammenhang. In meinem schon zitierten Bericht schrno 
ich selber, daß die „von der Filmindustrie systematisch aufgezogene 
Zerstreuungskultur... immerhin nur so lange möglich war,. als 
Ne Massen betäubt werden konnten." Herr Lapiner, der Pro- 
In der Ablehnung des Klamauks sind sich also sämtliche Be 
teiligten einig. Die Frage ist, was jetzt produziert werden soll. Ehe 
ich aber die hierauf bezüglichen Aeußerungen diskutiere, möchte 
ich eine Filmkategorie aussondern, die nach der Meinung maß 
gebender Filmschaffender jetzt nicht produziert werden kann. 
Um welche handelt es sich? Um das Zeitstück. 
Wie sehr man seine Unterdrückung gegenwärtig für notwendig 
hält, geht aus der Tatsache "ervor, daß gerade die mit dem Pro 
duktionsprozeß und der Publikumsstimmung besonders vertrauten 
Personen auf diese Gattung ausdrücklich verzichten. Es sind die 
Filmregisseure, die ihr vorerst den Abschied erteilen Zu müssen 
glauben. 
Joe May: „Gerade sie aber, diese Zeitstoffe, auf die rnan 
wartet, können nicht verfilmt werden. Packt man kräftig Zu und 
läßt eine unmißverständliche Weltanschauung durchblicken, kann 
man sicher sein, daß die Zensur entweder das wichtigste heraus- 
schneidet — oder den Film ganZ verbietet." 
Hans Steinhosf: „Zeitstücke sind in Mueto des Geschäfts 
bei der heutigen Lage zu riskant, außerdem kann man es nicht 
allen recht machen, und im Kino sitzt zu gleicher Zeit links und 
rechts." 
Hans B e h r e n d t: „Ein Sptzialwunsch von mir ist die 
Satire L ia „Hose" — doch beiße ich stets mit diesbezüglichen 
Vorschlägen auf Granit/ 
Diese Erklärungen belehr über die Gründe, aus-denen 
die Jnaktualität des aktuellen Films ahzuleiten ist. Sie sind wirt 
schaftlicher und politischer Art. Und Zwar wird die Industrie, will 
sie Nieten vermeiden, durch die Angst vor der Zensur auf her 
einen Seite und auf der andern durch die Angst vor der Ver 
stimmung, die sie mit Filmen von ausgesprochener Haltung bei 
einem Teil der Bevölkerung erregen könnte, beinahe Zwangsläusig 
in die Neutralität gedrängt. Was die Zemsur betrifft, so habe 
ich wiederholt darauf hingewiesen, daß ihre faktische Handhabung 
die Unternehmungslust einschränkt und die Herstellung guter, Zeit 
gemäßer Filme über Gebühr erschwert. Auch Wolfgang Petzet 
ist erst jüngst in seiner Broschüre: „Verbotene Filme" (Societäts 
Verlag Frankfurt am Main) dem Verfahren der Filmprüfstellen 
vom gleichen Gesichtspunkt aus zu Leibe gerückt. Weniger bedroh 
lich dagegen ist, so dünkt mich, die Tatsache der politischen 
Zerrissenheit des Volkes; jedenfalls brauchte sich die Film- . 
Industrie von ihr längst nicht so sehr ins Bockshorn jagen Zu - 
lassen wie von der Zensur. Es gibt genug aktuelle Themen, die ! 
nur richtig angepackt werden müßten, um trotz ihres Eingreifens j 
in die heutige Situation nicht nur keinem ernsthaften Widerspruch 
zu begegnen, sondern eine bessere Aufnahme zu finden als der 
öde Klamauk. Was dem Theater möglich ist, sollte beim Film 
völlig ausgeschlossen sein? Das wird dem Publikum auf die Dauer 
niemand einreden können. Im Gegenteil, ich bin der Ueber- 
sich in ähnlichem Sinn^ Zeugung, dM es ein starkes V e rla n gennach^M 
Vor kurzem stellte ich in einem Sammelbericht über einiae Warengattung gehöre, die auf Lager bleiben werde, fährt er fort: 
aktuelle Filme fest, daß die Zeit für jene rein der Zerstreuung Ks gibt nämlich einen Grad von Sorgen i Lebensernst, bei 
^m die Volksstimmung umschlägt und zur Sehnsucht nach Ver- 
Schluß mit dem Klamauk! 
einer Rundfrage des „R e i ch s f i l m b ta L L e s". 
8 Berlin, Anfang Januar. Nachdem er festgestellt hat, daß die reine Posse bereits zu einer
	        

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