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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

/V- 
In der unmittelbaren Nähe des Platzes und von ihm aus 
sichtbar erhebt sich ein Büro Hauskasten, der von einem 
Auch unter der Erde ist der Alexanderplatz einwandfrei organi 
siert. Drei Untergrundbahnhöfe liegen hier übereinander, 
zwischen denen ein Labyrinth von Gangen, Podesten und Treppen 
vermittelt. Sämtliche Räume und Raumteile glänzen wie Bade 
zimmer, so daß man eigentlich nur noch die vernickelten Hähne der 
Brausen vermißt. Vielleicht wird die proletarische Bevölkerung, 
die in der Nachbarschaft wohnt, durch diesen hygienischen Glanz 
für die Dürftigkeit ihrer Stuben entschädigt, in denen er nötiger 
Ware. Die Bahnhöfe sind in verschiedenen Farben gekachelt unv 
außerdem, der besseren Übersichtlichkeit wegen, mit Buchstaben be 
zeichnet. Obwohl aber die Farben und Buchstaben an allen mög 
lichen Stellen auftauchen, um die Suchenden auf den rechten Weg 
zu führen, ist es doch außerordentlich schwierig, den gesuchten 
Punkt auch wirklich zu finden. Das System ist nämlich von einer 
künstlichen Vollkommenheit, die des improvisierten Zugriffs spotter 
und sich erst nach einem längeren Studium überhaupt fassen läßt. 
Aus einem an sich begreiflichen Ordnungsfanatismus heraus sinv 
tatsächlich manche Linien und Ausgänge, so gut versteckt, daß man 
ste einfach nicht auffinden kann. Man will nach X und gelang: 
nach v, von wo man wieder über V oder O zurück muß. Dafür 
hat man allerdings das große Vergnügen, ausgedehnte Rolltreppen 
benutzen zu dürfen. Eine von ihnen weicht von den normalen in 
sofern ab, als sie in die Tiefe statt nach oben befördert. Woher es 
übrigens rührt, daß die meisten Menschen solche Treppen, die sie 
doch aus Bequemlichkeit verwenden, erst recht hinan- oder herab 
stürmen, wäre noch zu ergründen. 
Anzug: Krack 
K r Berlin, im November. 
Folgende Emladung liegt uns vor: 
„Der Schutzverband Deutscher Schriftsteller 
und der V. E. N.-Club (Deutsche Grupve) 
Geben UM Donnerstag, dem 17. II. 1932 , . . ein Festbankett M 
G e r h a x L H a u b L m a n n s s i s L Z i g ft e M G e S u r t s t a g. 
Wir Sitten unsere Freunde und unsere 
MeLer mit ihren Dame« daran LerlMnehmeK. 
Die VörstLnde. 
PreiS des Gedecks für Mitglieder mit ihren Damen je NmL Z—; 
für NichtmiLglieder ie RmL. 4.—. Anzug Frack ..." 
LuS disfem Text geht unzweideutig hervor, daß der E. D. S- 
(Schutzverband Deutscher Schriftsteller) den siebzigjährigen Ger- 
hart HauPLmann nicht anders zu feiern gedenkt wie einen Minister, 
den er nicht zu feiern brauchte. Er hat gesellschaftlichen Ehrgeiz, 
der S. D. S. Er tut es nicht unter dem Frack. 
Wer und was ist dieser Schutzverband, der des Fracks bedarf, 
um erneu deutschen Dichter zu ehren? Jedenfalls ist er keine Ber 
einigung, die um der gesellschaftlichen Repräsentation willen ge 
gründet worden wäre. Repräsentieren mag der P. E. N.-Club, 
wenn seine Mitglieder es kennen. Der S. D. S. dagegen nennt sich 
selber im Untertitel: „Gewerkschaft Deutscher Schriftsteller" und 
verfolgt den Zweck, seinen Mitgliedern wirtschaftliche Hilfe und 
Rechtsschutz zu gewähren. Die meisten deutschen Schriftsteller haben 
Hilfe und Schutz auch nötiger als einen Frack, ja, sie befinden 
sich vermutlich nur im S. D. S., um Hilfe und Schutz zu erhalten. 
Daß sie heute bittere Not leiden und ihre Mahlzeiten nicht eben 
Festbankette sind, ist wahrhaftig nicht weiter sonderbar. Denn ihr 
Beruf ist der gleiche, den auch der Dichter der „Weber" als den 
seinen ansah: Kraft des Worts, die Sache der Unterdrückten zu 
vertreten und — sagen wir es allgemein — für eine bessere Zukunft 
Zu kämpfen. Vielleicht rührt es von dem Ernst her, mit dem viele 
deutsche Schriftsteller, bekannte und unbekannte, ihren Beruf be 
treiben, daß sie zwar allenfalls Lorbeeren ernten, aber nur im sel 
tensten Fall Fräcke Diese Tatsache dürfte sogar dem Vorstand des 
S. D. S. nicht verborgen geblieben sein. Kann er doch das Verdienst 
für sich in Anspruch nehmen, die „Künstlerkolonie" am Breiten 
bachplatz erbaut Zu haben, in der seine Mitglieder billige Unter 
kunft finden. Einige von ihnen sind allerdings schon so ins Elend 
herabgesunksn, daß sie selbst den geringen Mietpreis nicht mehr 
aufzubringen vermochten. 
Das alles weiß der Vorstand des S. D. S. Er weiß, daß sich 
auch Schriftsteller von Namen und Rang heute durch die Zeit 
hungern müssen, die sie bereichern, weiß um die Dürftigkeit Be 
scheid, die stolz und verschwiegen ertragen wird, und beharrt 
dennoch unnachgiebig auf dem Schein des Fracks, den er zwei 
fellos hat. Seine Forderung verrät nicht nur, daß er nicht weiß, 
was er weiß, sie stellt einen offenen Hohn auf die deut 
schen Schriftsteller dar, die in ihrer Mehrzahl möglicher 
weise gar keine Verbandsmitglieder wären, wenn sie die ihnen 
anbefohlenen Fräcke besäßen. Dieses Kleidungsstück als eine Selbst 
verständlichkeit bei ihnen vorauszusetzen, heißt ihre Notlage ver 
kennen, die man kennt, und ihren Beruf mißachten, den man 
freilich nicht Zu kennen scheint. Wie aus den jüngst veröffentlich 
ten Briefen Holsteins Zu ersehen ist, lehnte dieser einmal eine 
Einladung des Kaisers mit der Begründung ab, daß er leider 
über einen Frack nicht verfüge. Was Holstein recht war, hatte dem 
Vorstand eines Schriftstcller-Schlchver^ billig sein sollen; 
noch, dazu bei einer Gelegenheit, die nicht so sehr den Prunk der 
Hemdbrüste als den der Geister verlangt Oder ist es bereits wie 
der so weit, daß man sich mit den Damen um jeden Preis, uüd 
sei es um den der Würde, Zu Hose drängen will? Fehlt auch 
der Hof einstweilen, so sind doch offenbar die Höflinge vorhan 
den, die ihn am liebsten mit den Frackschößen herbeiwedeln möch 
ten. Sich fragen nicht nach dem Geist, sondern nach seiner Aus 
stattung Und statt, wie es ihre Pflicht wäre, dafür Zu sorgen, 
daß das Licht hell strahlt, dgs dir deutschen Schriftsteller ver 
breiten, stellen sie es unter den Scheffel eines gesellschaftlichen 
Glanzes,- der es unfehlbar verdunkelt, obwohl er selber keines 
wegs glänzt. 
Anzug- Frack. Dank der erbärmlichen Torheit dieser Vorschrift, 
zu der noch die hohen Kosten des Festbanketts kommen, werden wir 
das peinliche Schauspiel erleben, daß viele Schriftsteller, die ein 
Anrecht darauf hätten, Gechart HaupLmann zu feiern, ihre Zuflucht 
Zu Frackverleih-Jnst^ nehmen müssen, um den großen Kolle 
gen überhaupt öffentlich feiern zu dürfen. Hoffen wir, daß ste, um 
die es geht, auch wenn es ihnen nicht gut geht, auf ihre Mit 
wirkung an einem solchen Schauspiel verzichten. Und daß sie sich 
zu einer anderen Feier zusammensmden, einer, die den Dichter 
best er ehrt als die tief beschämende des Verbandes. 
Haltung: annähernd wie in „Hanneles Himmelfahrt" oder „Fuhr 
mann Henschel". Anzug: nach bestem Vermögen. Gedeck: Würstchen, 
GeseMckafts-Anzug reicht aus! 
Tu von uns vorgestern unter dem Dite! „H. u r n L rLoL" 
Uebraektev Qlosse ist NLvktvLgUok noed NiHLnsuküFeri., UaL äera 
Vorstand äes LEktsteller-ZevutLverdLQäss selbst keäenken xsse» 
Nie PraeLvorselirttt bei seiner OerL^rt HLuptrQLQQ-k'eier gekorNmeD. 
Lir sein soLewSQ. Lr kat eine Karte av sewe NitMeäsr vsrseLieL^ 
IQ 6er es keiüt: ,MMrlLeLtz ^nkrLgerr Aeden VerlassuriA rartLU- 
teu6Q, 6sÜ rur rsilnLUme ara Oervart HLuptruanu-LLLkett QeseU- 
seüaktSLLsiiF ausreieLt^. 
Aer neue Ateranderptatz. 
Berlin, im November. 
War der Alexanderplatz während seiner Bauzeit ein formloser, 
offener Raum, durch den von allen Seiten her der Wind 
pfiff, so ist er jetzt ein Muster der Organisation. Der Wind 
pfeift natürlich immer noch. Gegen die Innenstadt abgegrenzt 
wird der Platz von zwei riesigen Büro-Hochhäusern, die wie eine 
Wallmauer aussehen. Auch mit den modernsten Kriegsmitteln 
vermöchte bestimmt niemand den Wall zu erstürmen. So ist es 
ein Glück zu nennen, daß er sich dort öffnet, wo die Königstraße 
in den Platz einmünden will. Wahrhaftig, die Wallmauern unter 
brechen ihren Lauf, lassen die Königstraße passieren und geben 
zugleich einen wunderbaren Blick auf die Stadtbahn freu Ueber 
Die Gleise, die eine Art von Querverbindung zwischen den bei 
den Hochhäusern herstellen, rollen in einem fort die bunten Stadt 
Lahnzüge, und die Eisenkonstruktion des Bahnhofs steht gerade 
noch durch die Lücke hindurch. 
Wer dieser Stadtbahnbetrieb hat nichts mehr in das Leben 
auf dem Platz selber dremzureden, sondern wird von den Büro 
Haus-Massiven mit einer selbstherrlichen Gebärde in den Hinter 
grund zurückgedrängt. Sie schaffen Platz für den Platz, und das 
eine von ihnen flankiert ihn sogar ein Stück weit, damrt er sich 
desto ungehemmter entfalten kann. Seine Fläche ist ungeheuer, 
sie gleicht einem See, dessen Ufer man stellenweise aus den 
Augen verliert. Wäre sie nicht von einem Rondell unterteilt, 
das die Platzmitte ausfüllt, so könnten sich Menschen und Fuhr 
werke wahrscheinlich gar nicht orientieren und stießen immer 
wieder zusammen. Sie kommen ja aus den verschiedensten Rich 
tungen und wollen nach den verschiedensten hin. Das Rondell 
aber, das sie nicht durchkreuzen dürfen, nötigt sie rein durch sein 
Dasein dazu, sich hübsch artig im Kreis zu bewegen. Autos, 
Autobusse, Lastwagen, Passanten: alle umkreisen diese grüne 
Rasenfläche, die wie ein Niemansland daliegt und in regel 
mäßigen Abständen von Straßsnbahnmasten und Verkehrsschutz 
leuten eingefaßt wird. Den unaussprechlichen Frieden, den sie aus- 
strömt, können auch die gelben Straßenbahnen nicht stören. Jm 
Gegenteil, indem sie ohne Aufenthalt über das Rondell Hinweg 
rauschen, vertiefen sie nur den Eindruck, daß es ein Natur 
schutzpark ist.
	        

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