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H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
HS01309168
Title:
Rilke, Rainer Maria: Notizbuch T38 [Verschiedenes]
Document type:
Manuscript
Collection:
Manuscripts
Year of publication:
[1921 TO 1922]
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Language:
Französisch
Deutsch
Other titles:
Taschenbuch 38

Full text

Wert der Städte bestimmt sich nach der Zahl der Orte, die in 
ihnen der Improvisation eingeräumt sind. 
StePars im Süden. 
Von Raca. 
Die nordischen Städte scheinen zu träumen, die des Mittelmeers 
haben etwas vom Traum. Ihm eigen ist, daß er die Bilder nach 
Regeln aneinanderreiht, die der Oberfläche fremd sind. Zwar kehrt 
das am Tag gelebte Leben in ihm wieder, doch es ist das geordnete 
Leben nicht mehr. Sein Zusammenhang wird in dem Traumbild 
streifen zerstört, der lückenhaft ist. Aus den Hohlräumen mögen die 
sonst verdeckten Gehalte aufsteigen. 
Die Mittelmeersonne Lrennt Löcher in das Gewebe der Städte. 
Gewiß sind diese zweckmäßig eingerichtet mit Schienen, Autos, 
Banken und Kathedralen. In den Organismus aber greifen un 
sichtbar gespreizte Finger, die das Zusammengehörige trennen. Das 
Ganze ist zerstückelt, und ein Verdacht richtet sich wider seine Ein 
heit. Nirgends sind die ALLruchstellen so häufig wie in den südlichen 
Städten. In ihrer glatten Politur erzeugen die eingesprenkelten 
Stehbars unzählige Sprünge. 
K - 
InNizza gibt es eine Stehbar, die das Muster ihrer Gattung 
ist. An dem Portal, aus dem sie hemusbricht, findet ein Inven 
turausverkauf von Architekturstilen statt: eine Barockkartusche 
legt sich über den Spitzbogen, Renaissanceprofile ums-chnüren den 
Kämpfer. Von der Fassade her dringt ein Holzgerüst in die Oeff- 
nung ein, das aus Reparaturgründen errichtet ist. Vermutlich steht 
das Gerüst immer, wenn nicht an dieser Stelle, so an einer andern, 
es fehlt nicht an Dingen, die abgureißen wären. In der Auslage 
erhebt sich der rote Riesentempel einer Kaffeemaschine, die das 
Getränk wieder in seine Bestandteile zurückzerlegt. Was als Brühe 
heruntergeschluckt wird, löst sich nachträglich in die schwarzen 
Moleküle der Kaffeebohnen auf. Handgemalte Schilder, auf denen 
die Güte der Essenzen angepriesen wird, wehen als Fahnen über 
der Straße; die flüchtigen Schriftzüge beanspruchen Dauer. Wie 
jede Bar ist auch diese ein Spiegelkabinett. Die Spiegel, die sich 
-um die Vervielfältigung jeder geringen Glühbirne bemühen, weiten 
die Bar zur öffentlichen Schatzhöhle. Sie quillt von Reflexen über, 
in denen die anwesenden Dinge durcheinandergeschüttelt und ge- 
vierteilt werden. Ihre selbstgefällige Wirklichkeit erweist sich als 
Trug, wenn auch die Spiegel nichts durchlassen, was wirkliche 
wäre. Ueber die Einfassung der Glasscheiben träufeln vergoldete 
Ranken als Schmuckbeigabe herab. Auf dem Schankblech funkeln 
die Flaschen, Sodawässer vermitteln zwischen grünem Anis und 
dem Rotbraun des Vermouth. Die Flüssigkeiten, die rasch auf 
der Zunge vergehen, bleiben als unberührtere Farbeffekte lange 
den Augen erhalten. Billige Zigaretten Pakete sind Zu Triumph 
säulen angeschichtet, zu deren Füßen ein Lager von Streichholz 
schachteln sich dehnt. Der Genuß allein, den sie für Augenblicke 
gewähren, verbindet die Rauchutensilien mit den leuchtenden 
Aperitivs. Auch die übrigen Sachen sind für kurze Frist. Stühlen 
und Tischen mangelt die Seßhaftigkeit, die ihnen in Wohnräumen 
aufgezwungen wird. Ihre Bedeutung wird von den Besuchern 
verkannt, die sie ständig verrücken. Sie streifen, kaum daß sie ein 
getreten sind, die Zeichen sozialer Würde ab und verwandeln sich 
in unstete Nomaden. Wie die Worte eines Kreuzworträtsels stehen 
sie gleich und beziehungslos nebeneinander. 
Als winzige Häfen, aus denen man abführen kann, sind die 
Stehbars in das Festland der südlichen Städte vorgeschoben. Die 
Elemente des gesicherten Daseins werden in ihnen ohne Rücksicht 
auf ihren Rang verstaut, dem auflockernden Widerschein in den 
Spiegeln halten die Palastgefüge nicht stand. So verliert der aus 
dem Hafen Scheidende den Sinn für die Maße des Lebens, das 
. hinter ihm liegt. Es zerfällt ihm in lauter einzelne Teile, aus denen 
* er die Bruchstücke eines anderen Lebens improvisieren mag. Der 
i 
St. Naphael (Valescure). Dieser entzückende, zwischen 
Toulon und Cannes gelegene Badeort strebt seit einigen Jahren 
mit Schnelligkeit in die Hohe. Er liegt an einer großen, sanft ge 
weiteten Bucht, über der in den Morgenstunden die Wasserflug 
zeuge der nahe gelegenen Militärstalion kreisen. Ein langgestreckter 
Sandstrand bietet ausgiebige Gelegenheit zum Baden und Ruhen. 
Die Meerpromenade mit ihren Palmen prunkt im Glanz der 
Riviera. Auf ihr entfaltet sich bis in die späte Nacht hinein das 
gesellschaftliche Leben, Autos, kleine und große, befahren sie un 
ablässig. Für Natzrrattraktionen in der näheren und weiteren Um 
gegend ist zum Ueberfluß gesorgt, auch sind die großen Rivieraorte 
von St. Naphael aus, das Schnellzugsstation ist, leicht zu er 
reichen. Wer Weltstädtisches in St. Naphael selber sucht, findet es 
im «euen Kasino, in dessen vornehm ausgestatteten Räumen man 
nachmittags und allabendlich auf illuminierten Glasplatten tanzt 
und der Roulette und dem Baccarat frönt. Neben den Hotels ersten 
gibt es kleinere Pensionen, in denen man gut und billig 
lebt. Dank seinem gleichmäßigen Klima, das selbst an den heißesten 
Tagen durch eine frische Brise belebt wird, eignet sich der Ort 
trefflich für Erholungsbedürftige. - 
Leutnants und Liebe. Weil es heute den flotten Leutnant 
in der unüberwindlichen Uniform nicht mehr Abt, darum wird 
er im Film aus der Schublade geholt. Weil wir heute eine Re 
publik haben, darum muß das Kino wenigstens die Zeit der 
, Fürstenthrone wieder erwecken. Weil das öffentliche Leben heute, 
das Dasein in den Großstädten, die Auseinandersetzung der so 
zialen Schichten Stoffe in Ueberfülle bietet, darum macht der 
Film bei dem verschollenen Gustav Maser eine Anleihe, zieht die 
Posse „De r Veilchenfresser" hervor, staubt sie <ch, drapiert 
sie neu. Harry Liedtke Macht den schneidigen Leutnant nach 
den uns keiner nachmachte, Lil Da g o v e r ist die schöne, schwarze, 
elegante Frau, die der Leutnant berückt. Lohnt es sich, das In- 
trigennest auszuheben? Ist es der Mühe wert, der vielen Harm 
losigkeiten aus der Epoche der dummen Offiziersburschen zu ge 
denken, die, ach so treu waren? Sogar die Einjahrig-Freiwilligen 
marschieren auf, und ein jugendlicher Liebhaber ist schüchtern. 
Die Regie hat die Situationen so hübsch und komisch gestaltet, 
wie es nur irgend ging. Ein MakarL-Bukett, auf modern deko 
riert, mit allen den kleinen technischen Mittelchen, die man heute 
beherrscht. Aber selbst den kessen Mldtiteln ist eS nicht gelungen, 
einen Bubikopf vorzutauschen; zu üppig baumeln die Zöpfe her 
unter. Das Publikum scheint sich ihrer zu freuen, es lacht über 
den alten Humor, als seien die letzten zehn Fahre nicht gewesen, 
als lebten die netten Leutnants noch. Damit wäre der Film 
! pi e?e n läuft in den Alemanuia. LLcht-
	        

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