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Rilke, Rainer Maria: Notizbuch T38 [Verschiedenes]

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Bibliographic data

fullscreen: Rilke, Rainer Maria: Notizbuch T38 [Verschiedenes]

Manuscript

Persistent identifier:
HS01309168
Title:
Rilke, Rainer Maria: Notizbuch T38 [Verschiedenes]
Document type:
Manuscript
Collection:
Manuscripts
Year of publication:
[1921 TO 1922]
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Language:
Französisch
Deutsch
Other titles:
Taschenbuch 38

Full text

,Z>c> dl§726-/2L Kampf gegen die ZU verschiedenen Berliner Zeitungen hat eine Kampagne gegen die sogenannten Kuppelanzeigen eingesetzt, die in ver schiedenen anderen Berliner Zeitungen grassieren. Man kennt sie, diese Anzeigen, in denen eine strenge Erzieherin sich anbietet, deren Strenge für viele die höchste Erdenlust bedeutet, in denen der würdige Beruf der Masseuse als Aushängeschild dient und unter dem Deckmantel geselliger Beziehungen intime erfragt werden. Sie mißbrauchen auch die unverfänglichen Tätig keiten des Sprachlehrers und der Maniküre, um jene öffentlich nicht zu nennenden Verbindungen herzustellen, die weder mit den Nägeln noch mit der Grammatik etwas zu schaffen haben, und füllen tagtäglich lange schmale Spalten, die auf die gewaltige Ausdehnung des Liebesmarktes zu schließen erlauben. Welche Folgen das Mimikry mit der Ehrbarkeit Br diese selber haben kann, beweist der Fall einer jungen Dame, die un längst inserierte, daß sie Unterricht in spanischer Sprache und kaufmännischer Korrespondenz erteile. Obwohl oder vielleicht auch weil sie sich in dem Inserat als junge Dame der Gesellschaft be zeichnete, erhielt sie auf die Annonce hin den Besuch von Herren, die alles andere aber als ein Interesse für die spanische Sprache und Korrespondenz verrieten. Herbeigelockt wurden sie vielmehr durch die besonderen Vorstellungen, die das südliche Wörtchen Spanisch in ihnen erregte, das ja tatsächlich die Erinnerung an eine Carmen von exotischen Reizen zu wecken vermag. Und als der jungen D^rme der Gesellschaft die Sache spanisch vorkam, wandten sich die enttäuschten Klienten nicht etwa beschämt dem Sprachstudium zu, sondern erklärten brüsk, daß sie sich solche irre führenden Offerten verbaten. Mehrere Vorschläge sind gemacht worden, um der Zunehmenden Propagierung der Unsittlichkeit Zu Heuern. Zunächst wird gefordert, daß die Staatsanwaltschaft und die Polizei eine Säuberungsaktion auf Grund des UnZuchtparagraphen und Kuppeleiparagraphen un ternehme; siehst, wie es heißt, schon eingesetzt. Ferner gibt man den Vertretungen der in Mitleidenschaft gezogenen Berufe den Rat, Hre Schädiger systematisch zu bekämpfen. Schließlich ergeht an die Zeitungsverlage der moralische Appell, durch die Ablehnung aller anrüchigen Inserate dem Unwesen Einhalt zu tun. Zweifellos wird der KreuZZug mit vortrefflichen Argumenten Kuppetanzeigen. geführt, und wenn auch sein Van nicht nur dem Idealismus ent springen sollte, so wüßte ich doch nichts, was wider ihn spräck-e. Der Augiasstall dieser Welt muß endlich gereinigt werden: etm tugendhafte, eine beherzigenswerte Maxime. Nur meine ich, dar das Handeln nach ihr sich selbst einzuschrärrken hätte. Denn so ge jährlich es ist, die Verderbnis gewähren Zu lassen, ebenso bedenklich ist das unnachsichtige Walten der Tugend. Einmal deshalb, wei. sie nie so rein ist, wie sie zu sein glaubt; zum andern deshatt weil die hemmungslose Rigorosität stets auch das Gegenteil von dem erreicht, was sie bezweckt. Ein Beispiel. Vor einiger Zeit erhielt ich von einer mir un bekannten Dame einen Brief, in dem sie darüber klagte, daß ihr die Möglichkeit genommen sei, mit einem vernünftigen Menschen in Beziehung Zu treten. Sie ist Angestellte, lebt, wie ich Zur näheren Erklärung hinzufüge, in irgendeinem abgelegenen Nest und scheint, dem Brief nach Zu urteilen, eine belesene, recht ge bildete Frau zu sein. Was lag näher für sie, die in dem Ort selber keinen passenden Umgang finden konnte, als die Aufgabe eines Inserats? Dieses Inserat aber wurde trotz seines Zurückhaltenden Tones von etlichen großen Blättern abgelebnt, da sie, gewiß aus Anstand, darauf verzichtet hatte, ihr Bedürfnis nach Anschluß durch die Erwähnung einer etwaigen Heirat Zu legalisieren. Um ihren Wunsch der Welt Zu eröffnen, mußte sie dann später die Annonce in eine jener suspekten Spalten verschicken. Das ist ein Grenz,fall von vielen. Ich führe ihn nur an, um zu verdeutlichen, daß man das Kind nicht mit dem Bad aus schütten darf. Die Moral in Ehren aber es gibt in Deutsch land, vor allem in der Provinz, zahllose vereinsamte Menschen, die sich nur schwer zu helfen wissen, und auf ihre Kosten die Symptome der Unsittlichkeit mit Stumpf und Stiel ausrotten zu wollen, wäre um so mehr eine Donquichotterie, als die Symptome gar nicht aus allen Schlupfwinkeln aufgestöbert werden können. Statt einen Pauschalangriff gegen verdächtige Inserate Zu machen, sollte man lieber behutsam unter ihnen sichten. Erscheint die Tugend nicht in Gesellschaft des Taktes, so triumphiert sie auf einem Leichenseld. 8. Xr 8. eauar.

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