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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
HS01316160
Title:
Rilke, Rainer Maria: Notizbuch T24 [Verschiedenes]
Document type:
Manuscript
Collection:
Manuscripts
Year of publication:
1918
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Language:
Deutsch
Other titles:
Taschenbuch 24

Full text

Z 
Die Menschenmenge zieht sich an den Bauzäunen entlang, die 
noch immer ihre Kurven auf der Platzfläche beschreiben. Sie sind 
mit handgeschriebenen Zetteln beklebt, auf denen billige Mittags- 
Lsche und günstige Gelegenheitskäufe angepriesen werden. Vor den 
Zetteln stehen Straßenhandler, deren Beredsamkeit schlechterdings 
nicht zu überbieten ist. Einer von ihnen halt eine kleine Schlange 
aus DmhLspiralen feil, die man nur in einer bestimmten Richtung 
streicheln muß, damit sie sich auf ihrem Papptellerchen ununter 
brochen windet. Kitzelt man sie gar am Schwanz, so gebärdet sie 
sich wie toll und reckt Zornig den grünen Kopf empor. Der Häusler 
begleitet ihre Manöver mit Ansprachen, die nicht der Zweideutig 
keit entraten, zwingt durch seine Worte die Zuhörer dazu, die 
leblose Drahtspirale zu beseelen, und versichert alle die seiner Ge 
ringschätzung, die nicht einen Groschen für ein Ding anlegen wol 
len, das soviel Humor und Stimmung verbreitet. Derart unter 
Druck gesetzt, kaufen viele die Kuverte, in denen das Pappteller- 
chen mit der Schlange steckt. Sie werden hinterher um eine Ent 
täuschung reicher sein. Aber wie gerne sucht dieses Straßenpubü- 
knm der Erwerbslosen, der Arbeiter und Kleinbürger seine Zu 
flucht bei Illusionen, die es dem Alltag entrücken. Wo er ein Loch 
hat, schlüpft es hinein. An der Bretterwand, die eine Abwechslung 
nach der andern gebiert, lehnt auch eine Malerin mit dem Zeichen 
block in der Hand. Schon ist das Polizeipräsidium, naturgetreu 
durchschattierL, auf dem Papier zu sehen, und die Büro-Hochhäuser 
werden bald folgen. Mädchen, Männer und Frauen umlagern die 
Künstlerin, blicken ihr nach, wenn, sie die Höhen und Bretten 
visiert, und freuen sich über die gelungene Wiedergabe einer Wirk 
lichkeit, die sie nur zu genau kennen. Sie mustern ihren Platz 
anders als sonst, sie entrinnen ihrem verzweifelten Dasein für 
einen Augenblick, indem sie in seinem Abbild versinken. 
8, LraeLusk. 
Warenhaus-Konzern errichtet worden ist. Zwischen ihm und den 
beiden Büro-Hochhäusern an der Stadtbahn liegt nicht nur der 
Platz, sondern eine halbe Welt. Jenes Gebäude ist eine finstere 
Unternehmerfeflung, deren Kolossalfront aus lauter Lisenen be 
steht, vor denen man unwillkürlich zittert. Sie endigen oben stumpf, 
jagen pausenlos über den Mittelturm hin und folgen einander 
in so unabsehbarer Menge, als gälte es einen Vertikaltrust von 
Lisenen Zu bilden. Jede von ihnen ist ein senkrechter Gewaltakt. 
In den schmalen Zwischenräumen, die sie frei lasten, sitzen die 
Fenster wie in Rinnen, mangelhaft ernährte, eingeschüchterte 
Fenster, die an Angestellte erinnern. Ihre Tätigkeit ist völlig durch 
rationalisiert, ihr Gehalt entspricht genau dem Tarif. Bald wer 
den sie ab gebaut. Tann geht der Betrieb ohne sie weiter, und die 
Lisenen streichen noch brutaler über die blinde Fassade. Aber es 
könnte auch sein, daß der Betrieb eines Tages nicht mehr weiter 
ginge... Im Vergleich mit diesem Konzern-Gebäude, das eine 
einzige Drohung ist, tragen die beiden Bürohäuser am Platz selber 
eine freundlichere Gesinnung zur Schau. Sie sind nicht geradezu 
dem Größenwahn verfallen, sondern passen sich immerhin den Ver 
hältnissen an. Und statt mit einem hochfahrenden Pfeilerwerk auf- 
zutrumpfen, das die Knute über den Fenstern schwingt, schließen 
sie diese paarweise in Kästchen ein, in denen sie sich wie in Eigen 
heimen ausleben dürfen. Häuser, die wenigstens für Menschen 
gebaut sind und nicht nur zum Ruhm anonymer kapitalistischer 
Mächte. Vorerst stehen sie freilich größtenteils leer. Das eine von 
ihnen enthält einen bekannten Restaurations-Betrieb, der Zwei 
Geschosse einnimmt und mit edlen Hölzern und modernen Be 
leuchtungskörpern ausgestattet ist. Die Kultur der Räume bildet 
eine Gratiszugabe Zum Bier und den Würstchen. 
Ist der Platz jetzt nach der Stadtbahn zu abgeschlossen, so steht 
er nach der anderen Seite zu noch weit offen. Ganze Stadtteile 
drängen aus dem Osten heran, und zu jedem gehört ein eigener 
'Straßenzug, dem der Blick vom Platz aus folgen kann. Diese 
Straßen graben sich immer tiefer ins graue Elend hinein, das 
sie zuletzt verschlingt. An der Stelle, von der sie ausstrahlen,, ist 
ein Stück Vergangenheit übrig geblieben, ein Kleinst adt- 
Jdyll. Es setzt sich aus ein paar niedrigen alten Häusern zu 
sammen, die eine grellrote Backsteinkirche umgeben. Je näher man 
der Gruppe kommt, desto mehr entschwindet die Großstadt; bis 
man sich am Ende auf einem abgelegenen Plätzchen befindet, zu 
dem kein Laut von der Welt dringt. Mitten im Alexanderplatz 
Gebiet, ist man Stunden weit von ihm fort, irgendwo in der 
Mark. Eines der Häuschen hat einen Biedermeier-Giebel, und 
die Kirche, die unzählige Backsteine verschlungen hat, ist Zweifellos 
der Stolz der Gemeinde. Dlan sieht sie vom Plätzchen aus nur bis 
zur Hüfte, so hoch wächst sie über die Dächer hinan. Ihre Ehöre 
runden sich üppig, ihre Backsteine bringen kunstvolle Ornamente zu 
stande. Hier, zwischen den Kirchenmauern und den Häuschen, 
wäre der geeignete Ort für einen malerischen Tümpel mit Enten 
und Weiden. Nach der Rückkehr ins Leben, die höchstens eine 
Minute währt, vergißt man sofort das stille Revier. Die Unter 
grundbahn rauscht durchs Bewußtsein, die tausend Geräusche des 
Platzes sind viel zu gegenwärtig, um Erinnerungen aufkommen 
zu lassen. Und erblickte man nicht aus der Ferne vie Kirche, so 
glaubte man das an sie geschmiegte Gewinkel flüchtig geträumt 
zu haben. 
68 vor, Henri LslKmA äis Aränälieks Lskkürs- 
äer Lrüksekriktsu von Marx 2u smpksklsn, damit er 
WsniAstsns srkäkrt, äaü äsr Materialismus, äsn er 
so nsksnksi unä von oksu kerak xu srlsäiMn Zlaukt^ 
in siusm „rsalsn Humanismus" Wurzelt, äsr tausend 
mal realer unä kumaner ist als sein dritter. * 
Lsäürkte es noek eines l^askWeises, äaL äsr 
„Ueus Humanismus" äie 1 ä e o 1 o Z i s e li s Ver« 
Klärung äes resktskürAerliekeü, kul 
t u r r e a k t i o n ä r e u Lassismus ist unä' 
niskts auüsräsm, so Wäre er äureb äie LoräsrunAey 
erkraekt, 2U äenen LÄdinZ am Lekluü ZelauZt. Um 
Fan?: äavon adMseksn, äaü sie im Woklverstauäsneir 
Interesse eines ksstimmtsn poktiscksu Lurses vou- 
äer keineSWSAg ein^anäireien LskauptunZ LUSAebsn^ 
äer „Hassenstaat im alten Zinne" sei ^srseklaAen, 
stellen sis äem künktiZen äsutssksn Ztaat ^ukAakem 
In seiner 8ekrM: „D er d r i t t e Luman i s- 
m u s" .(VerlaZ Die Kunde, Lerlin' 80 Reiten. Oek. 
1.80) verkündet Lot Kar Heidi n Z einen 
dienen ÜumaiiismuSi der uns ^um Lntersskied vom 
ersten der Lütten, Lrasmus usW. unä vom weiten 
äer Llassik enäliek das Lei! krinZen soll.^^Vis siebt 
dieser Lumanismus, äer dritte seines 2eiekens, aus? 
l^ask einer äer vielen LestimmunAsn LelkinZs ist 
er, äis „Linsisbt in äie dMirksnäsn OrunäAsvalten 
äer eigenen 2sit, äie ekrlürsktiAe Ledau auk äen 
AtzsekiebteseKaUenden läter, von äsm aus jsäe an- 
tkroxoleKseKe LeL M idrsm Maüstad 
kommt, äis MnäunZ-M in unssrsm Llut Wirksn- 
äsn Aöttlieken Lräkte und seklieüliek äsr ^ille 2um 
siZsnen - Kaum, vis er im Ztaat sied ausärüekt..." 
^.n einer anderen RtMs keiüt es: „äVas am Uuma- 
nismus eindeutig ist, kt sein LormunASWille, ist 
sein ^iKsen um äie eedte Mittellinie jeden (Leiek- 
AtzWiekts . . ." Dkiä Wieder anderswo Wird erklärt: 
. . dumanistissd äsnksn deikt konservativ. 
lsdensKläudiZ, korm- Unä ^estaltAlsukiZ äsnksn". 
Isd Msits diese Medprodem nur Korans, um xu ver- 
ansedaulisden.- Wie sskr sied Lolkins rsin im 
Ideellen devext.. 2yM Olüsk tut er ausd manedmal 
Weniger vornekm. Lnä Wer aus den anAelükrteu 
^eukerunKen äsn siMntlisdsn Zinn äer * neukuma- 
nistiscchen LaltM Aanr; erratsn daden 
sollte, kann ibn der kolAenäsn LemerkunA, in äsr 
sied LelhinA von äsr dialektiseken LkeoloAie ak- 
Aienxt, unsekWer entnekmen. „Msson notZsärunAsn 
VektretSr der äialektiseken LkeoloAie sied mit Oe- 
äAnkeuZänAM verdmäsL^ äie an eine Lös vLG AO5 
staatliedsn Ordnung von Wirtsekaktlieken Zisternen 
dsr Zlauksn, so Wird sied äsr Humanismus, akAe- 
sebon von aller parteipolitisek kedinAten auZen- 
dlisklisdsn ^usleZunA, viel edsr im N^Äius äes 
Dritten LsiedeZ dsstätiZt kinäsn " 
"Uas sied disr, im ^nklanK an äiesen „Uvtdus" 
Dritter Humanismus nennt, ist kaktised niedts M- 
äeres als ein einLiZes Lemüdsn, äie nationalistisede 
Ls^vetzung äsn soZsnannten Zedilästen Rtänäsu 
kopk- unä munä^ereedt xu maedsn. LsIdinK kommt 
idnsn unaukdörlied mit Oostde unä I^iet^Zede unä 
detrsidt üderdaupt einen LiläunZsaukvanä, dessen 
DsMiKkeit uiemanä so lsiedt verksnnsn virä. Deiäer 
Lsrstört er selber äsn ZeistiA ^vodldadenäsn Dim 
ärüok, äen er ^u erveeksn susdt, vüeäer äaäured, 
äaü er okksndar einige viedtiZe unä äuredaus silier- 
kädiZe Autoren ^vie stva Nax ^Veder oäer Narx 
nisdt Askesen dat. Latte er sie Aelesev, so konnte 
er Lum LeisMel unter keinen Umständen dekretieren: 
„^irtssdakt unä Deednik sinä nur peri^dere ^us- 
äruekskormen unseres Seins..." und damit ^irt- 
sedakt unä Deednik erlsäiZt sein lassen' oäer sied 
im L!amuk ZsAen den Didsralismüs unä ZoLialismus 
Aeraäs z'ensr ^rAUMsnte deäienen, äie LvuikeHos'äis 
ältesten Daäsndütsr sinä. Lr Zreikt äas Lrinriip äer 
AröütmöAlisden KVoddadrt mit äer LeZrunäunZ an, 
äaü „seine LrküllunA die AeistiAs vüe uirtsedakt- 
lisds ^Velt in eine unikorme LsdrederZartenkultur 
verhandeln Würde", er masdt Lront „AeZen den alles 
Ledv erAeWiedt in den soLialen Lortsedritt oder ein 
so^ialistisedes LroZramm versediedenden Materialis 
mus, äsr die mensedlicden, rsliZiösen unä Volk- 
daktsn Ludstanösn Lsrsetxt.. ." Zollte man Wirtzlied 
äiesem nsudumanistissdsn Lolemiker noed erläutern 
müssen, äaü äsr von idm Zemeinte ^srset^unZsxro- 
26Ü nisdt die Zedulä äes Materialismus ist, sondern 
anderen, dösdst konkreten Ilrsaeden entspringt und 
erst de^ A^torisliMrus emportrerdtk led 
äsn Zeürlktsn von D 0 tL A r LsIdinF und Laus Raum an 
Von 8. Krakauer. 
L rsAt sish Wisäsr in äsn Askttästsn 
MäkäKv. Oh ss allerdings Wirkliek IsksüdiA ist, vttä / 
skk Koek ssigen. l^ickt Ssl^ äsr Lklskti/ä^ j l) 0 < 
Mus, daü sr in äis 2sit sinxngrsiksn vsrinögs, und 
mansks lässn Linäiliäsr Lat nur läsologisn.
	        

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