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Rilke, Rainer Maria an Rilke, Clara [Briefe]

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Bibliographic data

fullscreen: Rilke, Rainer Maria an Rilke, Clara [Briefe]

Manuscript

Persistent identifier:
HS01316804
Title:
Rilke, Rainer Maria an Rilke, Clara [Briefe]
Addressee:
Rilke, Clara
Place of publication:
Paris
Document type:
Manuscript
Collection:
Manuscripts
Year of publication:
1907-10-09
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Language:
Deutsch

Full text

Slaa! M GeMSluschafk. 
Lm Vortrag Martin Bubers. 
Auf Einladung des Frankfurter republikanischen Sinden- 
tenbundes sprach vor einigen Tagen Dr. Martin Bub er 
über den Bedeutungswandel der Begriffe Staat und Ge 
meinschaft im letzten Dezennium. Seine Betrachtungen, 
Zeugnis einer wesentlichen Haltung, suchten unsere heutige 
Situation ihrer Wirklichkeit nach zu erfassen. Sie verdienen, 
an Mser Stelle kurz wiedergegeben Zu werden, da sie sich 
vornehmlich an die Fugend richteten. 
Zu Kriegsbeginn, so firhrte Buber aus, lebten imr im 
Zeichen der Sta a ts v e r gw tzu n g. Der Staat, der das 
Letzte doch nur vertritt, galt uns als dieses Letzte selber, er 
war die überpersonale Einheit, der die Personen erst ent- 
rMchseu. Das folgende Jahrzehnt übte gleichsam eine uomi- 
naWe^ Funktion aus; das heißt, die Wirklichkeit des 
Allgemeinbegn Staat löste fich allmählich auf und mehr 
mrd mehr erfuhren wir, .daß der Staat als handelndes Wesen 
voller Widersprüche ist, die seine Unzulänglichkeit verraten. 
Darum vermögen wir ihn heute nur noch als einen in sich 
inkongruenten Notbau anzuerkennen, als einen Zwang, der 
gbilligt werden muß- Auch unsere Auffassung derGemein- 
schaft hat sich gewandelt- Setzte man sie vor einem Jahr 
zehnt, nur einen unklaren Begriff von ihr hegend, ohne wei 
teres mit dem schon sehr aufgelockerten allgemeinen Leben 
gleich, so ist man mittlerweile Zu der Ueberzeugung gelangt, 
daß gerade dieses allgemeine Leben das Gemeinschafts l o s e 
ist. Die heutige Jugend lehnt sich gegen seine Leere auf und 
möchte in ihrer Verzweiflung aus ihm in Gemeinschasts- 
Oasen flüchten, die, wie sie wähnt, gestiftet werden können. 
Die ursprüngliche SLaaLsverherrlichung sowohl wie die 
jetzige Einschätzung der Gemeinschaft beruhen beide auf einer 
Verwechslung. Jene war ein illusionärer Glaube, der roman 
- Lisch Staat und Volk identifizierte. Solche Identität traf für 
Die Polis zu und mochte eingeschränkt auch im Mittelalter gel 
ten. Seit aber nach der Reformation die Einzelperson 
sich aus gesondert hat, fallen Staat und Volk auseinander. 
Dieses ist Element, der Staat bestenfalls Gebilde- Wer heute 
noch meint, daß man ihn aufbauen könne wie einen Tempel, 
und fiktive Staatsprojekte ausheckt, ist ein wirklichkeitsferner 
Schwärmer, der, unbelehrt durch Erfahrung, trüben und Dürf 
tigen Sinnes das Unmögliche zu erjagen sucht. Ein repa 
raturbedürftiges Wohnhaus: das ist der Staat, den das 
Schicksal uns zugedacht hab 
Auch die nach Gemeinschaft sich sehnende Jugend zielt zum 
Teil m falscher Richtung. Sie schließt sich eüva zu Sied 
lungen zusammen und glaubt auf solche Weise jene primi 
tiven Gemeinschaften wieder zu erneuern, die den Einzelnen 
schicksalhaft in sich einbezogen. Wer seit es das Faktum der 
Person gibt, ist Rückkehr zur Primitivität eitel Romantik. 
Möglich sind nur noch Bünde: der Liebesbund, der Tatbund, 
der religiöse Kultbund. Und auch sie entstehen nicht dadurch, daß 
man sie will, sondern wachsen lediglich dann herauf, wenn 
die Menschen gleichmäßig auf Gott als die lebendige „Mitte" 
ihres Bundes und jedes Bundes überhaupt bezogen sind. 
Gemeinschaft ist stets Folge, niemals das Ziel, und formt 
sich der Bund, so doch nur auf Zeit. 
Die Erfahrungen, die wir im Verlauf der letzten zehn Jahre 
über Staat und Gemeinschaft gewonnen haben, erleichtern 
uns das Verständnis des mit diesen Worten eigentlich Ge 
meinten. Was zunächst „Gemeinschaft" betrifft, so ist sie nach 
BuLer eine „messianische Kategori e", keine geschicht 
liche. Sie deutet auf die Vollendung der Schöpfung zurEe- 
! n'-flcha^ Kreaturen vor, weist hin auf die Zeit, da Gott 
aues in allem sein wird. Bon dieser ihrer letzten Bedeutung 
her legitimieren sich die konkreten Verwirklichungen der Ge 
meinschaft als Ankündigung uno Vorwegnahme des „Reichs". 
„Staat" im Gegensatz hierzu ist bloßer Status das heißt 
jeweiliger Zustand des Nichtverwirklichtseins der wirklichen 
Gemeinschaft. Seine, tatsächliche, stets wechselnde Beschaffen 
heit bezeichnet den jeweils vorhandenen Grad menschlichen 
Miteinanders und Fürem zeigt an, wieviel Zwangs ¬ 
organisation noch nötig ist. Nach Bubers geistreicher Defini 
tion ist der Staat „KristallisaLion des Negative n" 
und Schicksal die Art, in der er sich von Fall zu Fall kristal 
lisiert. 
Staat und Gemeinschaft, sofern sie sich realisieren, sind 
immer zugleich und ineinander- Upd zwar hängt es durchaus 
von der jeweiligen Struktur der Staatsorganisation ab, in 
wieweit Gemeinschaft .in ihrem Rahmen verwirklicht werden 
kann. Feder Staat ist sozusagen mehr oder weniger gemein- 
schaftshaltig, und man mag, .wenn man will, zwischen ge- 
meinfchaftslM Staaten wie' der antiken Polis und ge 
meinschaftsbannenden wie den modernen zentmlistischen stau 
ten unterscheiden. 
Diese ganze Besinnung erst schützt vor Verwechslungen und 
verleiht dem auf die richtige Staatsgestaltung hinzielenoen 
Willen Realität. Legt mgn sie zugrunde, so erkennt man, daß 
das Staats w^sen sich nur aufbauen kann auf lebendige 
Gemeinden (Werkgemeinschasten, Glaubensgemeinschaf 
ten), die seine Keimzellen sind, und weiter: daß diese Ge 
meinden mnsoZebendiger sind, je größer das Maß ihrer Auto 
nomie ist. Darum gilt es vor allem, die Zentralisie 
rung zurückzu drängen und sie auf das Technisch 
Administrative zu beschränken. Freilich, Dezentralisation 
den Kern von Gemeinschaften ist unwirklich und unwirksam. 
Nur wenn die Gemeinwesen aus den Gemeinden entstehen, 
konstituieren sich wirkliche Völker, dann allein ist auch ein 
wirklicher Völkerbund möglich. 
Töricht wäre es, nun irgend einen abstrakten Plan Zu er 
denken, nach dem man bei der Verwirklichung solchen Bundes 
zu verfahren hätte. Statthaft ist lediglich ein Handeln aus 
der unmittelbar vorliegenden Situation heraus, und nur der 
eine oder andere konkrete Hinweis auf den Weg kann ge 
geben werden. Gewarnt sei vor allein — mit diesen Worten 
wandte sich D?. Buber an die Jugend — vor jeder Flucht 
aus der Wirklichkeit. Es heißt aber fliehen, wenn 
man den Ort verläßt, an den man gestellt ist, und etiva auf 
kleine GemeinschaftZ-JnsM sich zurückzieht. Nein, auszuhar- 
ren gilt es bei den noch bestehenden Gemeinschaften des all 
gemeinen Lebens (der Familie, der Werkgemeinschaft, der 
Ortsgemeinschaft, der Glaubensgemeinschaft), in die man 
hineingeboren wird oder hineinwächst. Sie befinden sich heute 
alle in einer entscheidenden Krisis, und die Realität dieser 
Krisis heischt von dem Einzelnen, daß er sie erfahre und sich 
tätig in ihr ^verhalte. Flucht ist auch -eil: gewisser jugend 
licher Radikalismus, der dadurch, daß er nur ein un- 
biegsames, allzu prinzipielles Entweder-Oder kennt, die Pro 
blematik der konkreten gegenwärtigen Situation in Wahrheit 
überspringt. Gerade auf das verantwortliche Han 
deln in der jeweiligen Situation kommt es aber an; und 
zu sagen bleibt nur noch, daß das Verantwortungsbewußt 
sein dann allein ganz wirklich wird, wenn die Menschen auf 
Gott als die lebendige „Mitte" bezogen sind. 
Soweit die Ausführungen Dr. Bubers. Mögen sie im 
einzelnen manchen Widerspruch erwecken, so ist ihre Gesamt- 
intention doch gewiß unantastbar. Konkretes Ve r h al 
ten in konkreter Situation: das meint Zuletzt ein 
jedes Wort. Nicht ungestört sollte der Hinweis in den Krei 
sen der Jugend verhallen. Lr. 
Em GeschZfkspalM. 
Die kahlen Flächen rechts und links des Schumann 
theaters, die schon seit langem als störende Lücke empfunden 
wurden, sollen nun endlich bebaut werden Eine Industrie - 
Haus-Bauaktiengesellschaft (Technische Oberleitung: 
Baumeister Walter Fischer) hat sich aufgetcm, die hier einen 
Baukomplex schaffen will, der Unterkunft für Geschäftsräume, 
Bureaux und Umernelmungen der verschiedenste Art gewähren 
wird. Die Baumaterialien", mit denen sich das Konsortium recht 
zeitig eingedeckt hat, lagern bereits alle im Osthafen. Finanziert 
wird das ProM aus g e n o s s e n s ch a f L l i ch e r Basis. Das 
heißt, die Mietimereffenten tragen durch Uebernahme von Aktien 
einen Teil der Ausbaükosten. Diese Beteiligung an der Substanz 
hat unter anderem den Vorteil für sie, daß die von ihnen für zehn 
Jahre gemieteten Räume ohne weitere Kosten nach ihren be 
sonderen Wünschen ausgebaut werden können. Wegen der 
Schwierigkeit der Kapitalbeschaffung ist ihnen auch eins Bezahlung 
in Raten ermöglicht worden. 
Der erste Bauabschnitt ist der Neubau an der Taunus 
straße, der eine Frontlänge von rund 71 Metern hat. Er 
! umfaßt einschließlich des Erdgeschosses und des reu weise ausgebau 
ten Dachgeschosses acht Geschosse, die, nach denPlänen zu urteilen, 
wirtschaftlich aufs äußerste cmsgenutzr sind. Die Läden enthalten 
Galerie-Zwilchengeschosse, auch ein Cafe ist vorgesehen. Sämt 
liche Räume sind bereits vermietet. Das Gebäude, das als 
Eisenbetonrahmenbau hochgeführt wird, soll am 1 Oktober bezugs 
fertig sein. Nm die Bauarbeiter: in dem gewünschten Tempo zu 
fördern, werden ungefähr dreihundert A r b e i t e r.einge- 
stellt. Der zweite an der Karlstraße gelegene Bauabschnitt, 
der annähernd dieselbe Größe wie der erste hat, soll spätestens im 
Mai in Angriff genommen werden und am 1. Dezember beendet 
sein. Auch" hier sind die Räume schon fast alle vergeben. — Der 
dritte Bauabschnitt nach der Moselstraße Zu schließt sich 
unmittelbar an dem Zweiten cm. Man beabsichtigt ihn höher als! 
acht Geschosse Zu führen und seinen Hof durch einen niedrigen 
zweigeschossigen Garagenbau zu überdecken, der über fünfzig 
Einzelaaragen und Zwei geräumige Hallen umfassen soll. Me 
Durchführung dieses Sonderprojekts wird eine eigens gegründete 
Betriebsgesellschaft übernehmen. 
In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Errichtung des 
Riesenkomplexes sicherlich ein Gewinn für Frankfurt. Sie eröffnet 
dem Bauhandwerk vielfältige Arbeitsmöglichkeiten und schafft, 
was ebenso wesentlich ist, Räume für Firmen, die bisher notdürftig 
in der Innenstadt untergebracht waren. Man darf also hoffen, 
daß der Neubau auf dem Gebiet des Wohnungsmarktes eine gewisse 
Erleichterung bringt, da eine Anzahl jetzt noch durch Büros belegte 
Wohnungen wieder verfügbar wird. Ueber die Architektur 
läßt sich auf Grund flüchtigen Einblicks in die Pläne nur soviel 
sagen, daß sie sich in ziemlich konventionellen Gleisen Zu bewegen 
scheint. Bei der Bedeutung des Projekts für das Stadtbild halten 
wir es für drLngend geboten, daß dem Beirat zur Erhaltung 
der Eigenart des Stadtbildes Gelegenheit gegeben werde, Stellung 
zu ihm Zu nehmen. Lr.
	        

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