— 64 — in das Loch, das du gemacht hast, und nach einigen Jahren werden die Gulden schon zum Vorschein kommen.“ Ich setzte den jungen Stamm in die Erde; im nächsten Frühjahr pfropfte ihn der Nachbar. Das Bäumchen wuchs und wurde mit der Zeit der grobe, herrliche Baum, der hier vor euch steht. Die köstlichen Früchte, die er nun seit vielen Jahren getragen hat, brachten mir schon weit mehr als hundert Gulden ein. Ich habe deshalb das Leibsprüchlein des klugen Nachbars nicht vergessen. Merkt es euch auch: Im kleinsten Raum pflanz' einen Baum und pflege sein; er bringt dir's ein.“ Onr. Schmid. 87. Der Kuhhirt. Ein Knabe weidete ein Rind auf einem Grasplatze neben einem Garten. Als er nun in die Höhe sah nach einem Kirschbaum, bemerkte er, dass einige reife Kirschen darauf waren; die glänzten ihm röthlich entgegen, und es gelüstete ihn, sie zu pflücken. Er ließ das Thier allein und kletterte auf den Baum. Die Kuh aber, da sie den Hirten nicht sah, gieng davon, brach in den Garten und fraß Blumen und Kräuter nach ihrem Gelüste. Als der Knabe solches sah, sprang er in aller Eile von dem Baume, lief hin und schlug das Rind. Der Vater hatte das von weitem gesehen. Er eilte herbei, sah den Knaben ernst und sprach: „Wem gebürt solche Züchtigung, dir oder dem Thiere? Ein Rind weiß nicht, was rechts oder links ist. Bist du minder deinem Gelüste gefolgt als das Thier, welches du leiten solltest? Und nun übest du ein so unbarmherziges Gericht und vergissest deiner Vernunft und deines eigenen Vergehens!“ Nach Krummacher.