— 69 — 93. Das Maiglöckehen. Maienlilie, kannst du sagen, warum du musst Glöcklein tragen? „König Mai wird kommen heute, und ich muss es mit Geläute allen Blumen eilig künden in den Wäldern, in den Gründen, dass sie mögen blühend stehen, wenn er wird vorübergeben!“ Schults. 94. Der Distelfink. Als der liebe Gott die Voͤglein machte, da gab er ihnen Beine zum Hüͤpfen, Flügel zum Fliegen und Schnäbel zum Fressen. Und als sie alle fertig waren und um ihn her standen, da nahm er einen großen Farbenkasten und malte ihnen bunte Federn. Da kam die Taube an die Reihe und erhielt einen blauen Hals und röthliche Flügel, und der Kanarienvogel wurde so gelb wie eine Eitrone, und die Bachstelze wurde grau und bekam einen schwarzen Strich und einen weißen Fleck daneben, und alle Vögel wurden prächtig gefärbt, wie es sich für jeden schickt. Nur einer war übrig geblieben, weil er hinter den andern stand und sich nicht vordrängen wollte; das war der Distelfink. Als er endlich auch herbeikam, da hatte der liebe Gott alle Farben verbraucht, und es war nichts mehr übrig, als die leeren Schälchen. Da weinte das arme Voͤgelchen, dass es nicht auch ein so buntes Federkleid haben sollte wie die andern. Der liebe Gott aber redete ihm zu und sprach: „Sei ruhig! es ist noch in jedem Schaͤlchen ein klein wenig Farbe zurückgeblieben, das will ich mit dem Pinsel austupfen und auf deine Federn streichen.“ Und er that es und malte den Distelfink ein bisschen roth und ein bisschen gelb und