Hund entschiedener Schulreform^. L --- Frankfurt, 17. Mai. Der Bpub entschiedener Schulrefsrmer, der 1918 kurz mach der RevMtion gegründet wurde, hält gegen wärtig seine sechste Tagung in Frankfurt ab. Der Bund, dessen Mitglieder sich satzungsgemäß Zur Idee des freien Volksstaates und zum Geiste sozialer Gemeinschaft bekennen, erstrebt die bewußte Einstellung der Einzelpersönlichkeit auf die Allgemein heit und sucht im Kampf um die Verwirklichung seiner pädago gischen Forderungen an der sittlichen und geistigen Erneuerung des gesamten deutschen Erziehungs- und Bildungswesens mit- zuarbeitern Die jetzige Tagung soll dazu dienen, die Oeffent- lichkeit über die bisherige Tätigkeit und die einzelnen Ziele des Bundes sufzuklären. « Die heutige Vormittagssitzung im Bürgersaal des Rathauses wurde durch den Vorsitzenden Dr. Sander eröffnet, der auf dir wachsende Bedeutung des Bundes hinwics und sich kurz über dessen organisatorische und propagandistische Maßnahmen verbreitete. Stadtschulrat Schüßler begrüßt hierauf die Versammlung im Namen des Magistrats und der städtischen Behörden. Er erwähnte, daß die Stadt Frank'urt jetzt zwei Reform-Volksschulen ins Leben gerufen habe, und bezeichnete es als die Aufgabe des Bundes, durch seine Tätigkeit das Schulwesen vor der Verkalkung zu be wahren. Als erster Redner des Tages sprach Pros. Franz Staudin - ger (Darmstadt) über die sozialen Bedingungen und Hindernisse der Erziehung. Als Volks Wirtschaftler, so betonte er einleitend, fühle er sich vor allem deshalb zu den Bestre bungen des Bundes hingezogen, weil dieser die Erziehung auf praktische Tätigkeit der ZöglMe gründen wolle. Daß schon in der dem einfachsten Einzelzweck geweihten praktischen Tätigkeit die ganze Kette von Wirtschaft, Technik, Recht, Ethik, ja sogar von Kunst und Religion beschlossen liegt, muß durch geeig nete Erziehung ins Bewußtsein erhoben werden. Für die Heran bildung der Einzelmenschen Zu gemeinschaftsbewußten Persönlich keiten ist aber die Art des jeweiligen menschlichen Zusammenlebens von entscheidender Bedeutung. Wir leben heute noch in einer Zeit heftigster Kontrahenten- und Konkurrenzkämpfe, während doch alles darauf ankommt, daß jene Einhelligkeit, die die Persönlichkeit zwischen ihren vielen Trieben und Bejahungen herzustellen hat, auch innerhalb der Gemeinschaft erreicht wird. Zur Schaffung echter Kulturgemeinschaft ist es erforderlich, den individuellen Han delsaustausch in Gemeinschaft'saustausch umzuwandeln, der allein den sozialen Frieden verbürgt. Der Redner begrüßte die Versuchsschulen und Siedlungsschulen, die auf das von ihm hervorgehobene ferne Ziel einer neuen Gemeinschaftsorganisation hinarbeiten. Ueber das Werden der neuen Schule sprach sodann der Bundesvorsitzende Prof. Paul Oestreich (Berlin). Er stellte fest, daß Schulreform zugleich Lebensreform bedeutet und kenn zeichnete es als das unendlich ferne Ziel all^r Erziehungsreform, die heutige Schule, die eine lebensferne Bildungskaserne ist, in j eine produktive Lebens st ätte der Jugend überzu- führen. Um das Zu erreichen, versucht der Bund zunächst durch ge eignete Propaganda die Einsicht in die Gründe der gegenwär tigen Menschheitsnot zu wecken und über die Möglichkeit einer Rettung auszuklären. Er fordert eine andersartige Ausbildung der Lehrerschaft (Oefsnung derHochschulen für sämtliche Lehrer!), strebt danach, die Elternschaft für die neue Erziehung Zu gewin nen und reicht der Jugendbewegung, insbesondere der des Prole tariats, verständnisvoll die Hand. Das Werden der neuen Schule selbst soll nicht durch gewaltsamen, zentralisierten Zwang, sondern durch elastische Betätigung der lebendigen Kräfte gemäß ihrer örtlichen Stärke erwirkt tperden. Wie der Bund z. B. den Abbau der Vorschulen, des Berechtigungswesens usw. begrüßt, so unter stützt er die Gabelungen m oen Oberklaffen, die Sommerschulen, die Errichtung von LundheimeO usw., kurzum alles, was die elastische Bewegungsfreiheit der Schüler vergrößert und zur Produktionsschule h'marbeitet. An Stelle der verhinderten Dr. Anna Siemsen (Düsseldorf) sprach Dr. Siegfried Kam er au (Cbarlottenburg) über dieEr- ziehungder Geschlechter. Die ungeheure Verwirrung unserer Zeit gerade A -sichtlich des Sexualproblems führte der Redner auf die heüU übliche durchgängige Verwechslung von Erotik und Sexualität zurück; und zwar entspricht nach ihm die sexuelle Einstellung ds,. Verstand-skullur der alten Gesellschaft, während die erotische Einstellung das Ziel der neuen Gesellschaft ist. die die Einheit von Leben und Geist Zu verwirklichen trachtet. Die erotische En'wlcktung der Geschlechter vollzieht sich auf Grund des biogenetischen Gesetzes in einem. .ganz verschiedenen Rhyth mus, und diese Erkenntnis gilt es für die Erziehung von der frühesten Kindheit an fruchtbar zu machen. Der Redner stellte Er ziehungsleitsätze auf, in denen er u. a. betonte, daß die von dem Bund geforderte Koedukation ohne Zwang je nach den be sonderen Umständen durchzusühren s-ei, wie die sexuelle Aufklä rung sich aus dem organisch m Zusammenleben in der Familie ganz von selber ergeben müsse. Zu Beginn der Nachmittagssitzung verlas Pros. Oestreich eine am Vorabend der Tagung von der Mitgliederversammlun.g des Bundes beschlossene Erklärung, die gegen den Reichs schulgesetzentwurf Einspruch erhebt. In der Erklärung wird u. a. gesagt, dyß die Annahme und Durchführung dieses Ent- ! Wurfes das deutsche Schulleben in die schlimmsten Zeiten der Konfessionellen und bundesstaatlichen Zerrissenheit, zurückwerfen und Revolution der Seelen. In der demokratischen Jugendgruppe sprach dieser Tage Pfarrer Ernst Klein über „Die Revolution der Seelen". In seinen einleitenden Worten erinnerte der Redner an die Pfingstgeschichte und an die Ereignisse der Reformation, die beide ein Beweis dafür sind, daß neue Weltgestaltungen stets nur aus dem Aufruhr der ^oelen heraus geboren werden. Auch in unseren Tagen kündigt sich die Geburt einer neuen Welt an. Man kenn es heute in Deutschland immer wieder beobachten, daß die Menschen durch rein politische Ent scheidungen, mögen sie auch von noch so großer Tragweite sein,' viel weniger in Spannung gehalten werden, als durch Vorträge oder Theaterstücke, die irgendwie die Erlösung der Welt und der Menschenseele zum Gegenstand haben. Dieses ehrsurchtgebietende Suchen nach neuen Wegen, zu dem es trotz ihrer Sorge ums täg liche Brot die Menschen unwiderstehlich drängt, erklärt sich wohl mit daraus, daß wir jetzt nach und nach den Krieg und den Ver trag von Versailles als das Zu erleben beginnen, was sie eigentlich gewesen sind: als die schamlose Selbstenthüllung der Kulturmensch heit. Und indem wir jene Ereignisse ihrer wahren Bedeutung nach erleben, wissen wir zugleich: eine Kultur, die sich auf so furchtbare Weise offenbart, kann nur noch ein „lebender Leichnam" sein sie ist schon längst tot, uns aber fällt die Verantwortung zu, aus ihren Trümmern eine neue Welt zu bauen. Sehnsucht nach einem kommenden besseren Reich bewegt heute viele Millionen Deutscher, deren Herz mit religiöser Inbrunst um die Wiedererheöung des Vaterlandes fleht, bewegt auch mißgeleitete Kommunisten, denen die Revolution nicht die Erfüllung ihres Traumes von der Er- weckung des Menschen im Menschen brächte. Was bleibt uns zu tun, um die große Wendung herbeizuführen? Wir haben uns vor falschen Propheten zu hüten, uns wartend in Bereitschaft zu halten und dessen eingedenk zu sein, daß wir nur durch Selbsterkenntnis' und Buße reif für die Empfängnis des Neuen werden. Erst wenn wir uns in allen Dingen des Lebens zur Wahrheit durch- gekämpft haben, beginnt die eigentliche Revolution der Seelen, erst dann können wir das Reich Gottes auf Erden erlangen. --- Die Notlage der Deutschen in Polen. In einer vom Phi lologenverein im Einvernehmen mit der Gesamtlehrerschast und den Elternbeiräten veranstalteten VersEmlung sprach Direktor Treut (Bromberg) über das Schicksal des Deutschtums und ins besondere der deutschen Schulen in Polen. Obgleich der polnische Staat an den Minderheiten-Schutzverk deß Versaillrr Friedens gebunden ist, der ihn zur liberalen Behandlung der deutschen Mino rität verpflichtet, lauft seine ganze Kritik doch darauf hinaus, die Provinzen Posen und Westpreußen zu entdeutschen. Durch wirt schaftliche und kulturelle Bedrückungen wird die Ausrottung des Deutschtums systematisch betrieben. Das schilderte der Redner ein dringlich an Maßnahmen gegen Bauernschaft, Großgrundbesitz, städtische deutsche Bevölkerung Presse. Daß die deutschen Biblio theken und Theater geschloffen werden, und die deutschen Kirchen beider Bekenntnisse, besonders aber die katholische, mannigfache Be drückungen erfahren, versteht sich beinahe von selber. Und nun die deutsche Schule! Nach dem Friedensvertrag wäre der pol nische Staat zur Unterhaltung der deutschen Volksschulen und der höheren deutschen Schulanstalten verpflichtet gewesen, er hat sich aber weder zu dem einen noch zum andern verstanden. Wie heute die Dinge liegen, sind die Deutschen in Polen darauf angewiesen, durch die Gründung von Priv ätsch ulen für eine deutsche Erziehung ihrer Kinder zu sorgen. Dank der Hilfe aus der Heimat ist es bereits gelungen, eine Reihe von Privatschulen ins Leben zu rufend die, trotz der ihnen durch die Polen bereiteten Schwierig keiten den Unterricht notdürftig fortführen. Freilich Selbsthilfe ist immer Nothilfe, so schloß der Redner, und Aufgabe der Heimat wird es sein, diesem Privatschulwes-en, von dem die ganze Erhaltung des Deutschtums in Polen abhängt, alle erforder liche moralische und materielle Unterstützung angedeihen zu lassen. Im Anschluß an den Vortrag wurde von der Versammlung eine Resolution angenommen, derzufolge sich alle hiesigen Lehrerorgani sationen und Elternbeiräte zu einem großzügigen Hilfswerk für die! deutschen Privatschulen in Polen vereinen. Ein eigens hierfür er- nannte^ Ausschuß soll die vorbereitenden Schritte erledigen. Der B. T>^A. (Bund deutscher Architekten), der heute bereits die Mehrzahl der deutschen 'Baukünstler umfaßt, hält seine dies jährige Bund est-agung vom 27. bis 29. Mai in Cassel ab. Neben den WirMaftsfragem des Standes der PrivaLarchitekten sollen vor allem die kultu r ell enZiele der deutschen Archi- lektenschaft zur Erörterung kommen. Zu den Verhandlungsge genständen gehören" u. a. ' ^ie Einrichtung von Architektenkam mern, das Vermächtnis der Privatarchitekten zu den Baubeamten und die künstlerische wie technische Ausbildung der Heranwach senden Architekten.