Naturwissenschaftliche SchTeib-Lehrmr Mung. In den Räumen des ^Lenographiichen Instituts, Bleichstraße 4, führte Handelsschullehrer R. Händler eine Schreib-Lehrausstellung vor, die einer erfolgreicheren Gestaltung des Schrerbunterrichts dienen soll. Der Lehrweg verwertet die naturwissenschaftlichen Gesetze, die der Entwicklung der Schrerbtätigkeit für Verkehrs schrift und Maschinenschreiben zugrunde liegen. In einer Reihe systematischer Darstellungen wird die richtige Hand- und Fiu- gerhaltung aufgewiesen, wie sie sich aus der Rücksichtnahme auf die Muskulatur und die anatomische Struktur der Hand erg:bt° Ein Unterricht nach diesem Verfahren, das überall auf gewöhn lich kaum beobachtete physiologische Gesetzmäßigkeiten zurück- greift, dürfte sich nicht nur in den Elementarklassen, sondern auch bei Erwachsenen empfehlen, die an irgend einem Hand übel leiden oder zum Linksschreiben genötigt sind. Händler selbst hat mit seinem Verfahren, das gewissermaßen eine An wendung des Taylo^systems auf ein begrenztes Gebiet ist, gute Erfolge erzielt; seine auch in Buchform niedergelegten Versuche ; und Vorschläge erfreuen sich der Zustimmung bewährter Fach- I Sie »enlWedenen Schulrelomer". Wer die Tagung des Bundes der entschiedenen Schulreform«! in Frankfurt besuchte, der kam zwar nicht ganz auf feine Kosten, wenn er sich über das Prograunn des Bundes im einzelnen systematisch unterrichten wollte, aber er lernte doch — was für die Beurteilung einer geistigen Be wegung ungleich wichtiger ist — die verschiedenen Führer des Bundes von Angesicht zu Angesicht kennen und empfing aus ihren mitunter leider zu allgemein gehaltenen Reiben einen lebendigen Gesamieindruck ihres Wesens und Wirkens, wie ihn noch so gründliche Lektüre der Propagandaliteratur nicht zu vermitteln vermag. Es ist nicht leicht, den Mistigen Mittel punkt ausfindig zu machen, von dem aus die Absichten der lei tenden Männer des Bundes zu verstehen sind. Wie jede revo lutionäre Bewegung, so nimmt auch diese von vielen Seiten her Ideen auf, die oft schon seit Jahrzehnten bereit liegen und nicht selten einander Widerstreiten; ihre Anhänger verschmähen es mit Bewußtsein, sich auf ein sachliches Programm ein für alle Mal festzulegen, die gesinnungsmäßig innegehaltene Rich tung gilt ihnen mehr als das scharfumrissene Ziel, tätige Sehn sucht ist ihnen, wie der Bundesvorsitzende, Paul Oestreich, es einmal ausdrückte, bereits Erfüllung. Trotz einer gewissen Verschwommenheit im einzelnen lasten sich aber doch die den entschiedenen Schulreformern gemein samen Bestrebungen in ihren Hauptzügen mit einiger Sicher heit kennzeichnen Sämtliche Führer und Freunde des Bundes teilen zunächst die Ueberzeugung, daß eine durchgreifende Um wandlung des Schulwesens in ihrem Sinn« an die Erneuerung des ganzen volM-chen Lebens geknüpft sei; sie bekennen sich zu einem von sozialem Geiste erfüllten freien Volksstaat, in dem — so fordern manche von ihnen — Gemeinwirtschaft an die Stelle individuellen Handelsaustausches zu treten habe. Auf gabe der neuen Schul« sei, die Jugend zu einer solchen Ge meinschaft zu erziehen. Man will also die bisherige Unter- rtchtsanftÄt durch eine Gemeinschaft ersetzen, in der Schüler und Lehrer, tunlichst unter Einschluß der Eltern, kamerad- 'haWch zusammenarbeiten, wobei dem Lehrer zwar die kraft üner Persönlichkeit erworbene Rolle eines FührerS, nicht aber die Stellung eines autoritativ befehlenden Vorgesetzten zu- zufallen hat. Gemäß den Forderungen PestalozziS und Fichtes müsse weiterhin die heutige Lernschule imrner mehr der Ar beitsschule weichen. Selbsttätigkeit auf allen möglichen Ge bieten des wirtschaftlichen und des geistigen Lebens statt bloß passiver Aneignung des Lernstoffes soll den Schöpserdrang in oen Kindern wecken und ste schon in frühester Jugend zum Han deln anleiten. Es versteht sich, daß nur die Einheitsschule diesem Erzishungsideal voll entspricht. Ihre Einführung soll aber nicht gleichbedeutend mit Nivellierung sein; Pro fessor Oestreich setzt sich für eine die Individualität und die Gesamtmenschlichkeil der Schüler weitgehend berück sichtigende Schule ein und schlägt demgemäß vor, auf die ge meinsame Grundschule Mittel- und Oberstufen aufzubauen, die alle jetzigen Typen höherer Schulen umfassen und so elastisch organisiert sind, daß jede Begabungskombination und jede Eigenart in ihnen zu ihrem Recht« gelangt. An allgemeinen Gesichtspunkten kam bei der Tagung immer wieder zum Aus druck, daß die Schulreformer objektiv übergeordneten Zwang und feste Bindung an gegebene Formen zu Gunsten freier Selbstbestimmung der Schulgmieinschasten ablehnen, wie sie auch kollegiale Selbstverwaltung der Lehrerschaft und Eltern»^ Vertretungen fordern. Im einzelnen sei noch hervorgehoben, daß die Anhänger des Bundes eine elastisch zu hand habende Koedukation zum Ziel haben und auf die Ausbildung des Körpers wie überhaupt eines normalen Trieblebens be sonderen Wert legen. Was das Verhältnis zur Religion an- betrifft, so scheint man in den Kreisen der Schulreformer — es ist hier schwierig zu urteilen — der Auffassung zu huldigen, daß sich die neue Erziehung vor allem die Pflege ehrfürch tiger Gesinnung (vor dem menschlichen Körper vor der Ge- NKinschaft usw.) und die Förderung einer Religiosität ange legen sein lasten muffe, die aus dem gemeinsamen Leben her vorgehen soll. Abgesehen von mancher, übrigens durchaus nicht immer neuen Einzelforderung, mit der man sich einverstanden erflären kann, ist das Eintreten für eine vermehrte Hinwendung zur kon kreten Lebenswirklichkeit zu begrüßen. Mit der Abkehr von abstraktem Lernwissen wie einem rein fachlich ge schulten Teilmenschentum und der gleichzeitigen Erziehung zu sinnfälligem Wirken im realen Lebensumkreis beschriftet man ja nur den Weg, den Goethe in den „Wanderjahren" und am Schluß der Fausitragödie bereits als heilsam erkannt hat. Es ist v-ührlich an der Zeit, daß der deutsch-idealistische Geist, der allzu lange über den Wolken schwebte, sich zur Erde zurückfinde und der Forderung des Tages genug zu tun lerne. Bet der Arbeitsschule in Hamburg, einer Schöpfung des SchulratS Carl Goehe, und zumal der von August Heynzu Neukölln geleiteten Gartenarbeitsschule, die als solche sicherlich für Groß stadtkinder ein Segen ist, scheint es sich mn Versuche in dieser Richtung zu handeln. Die geistige Grundhaltung freilich, von der solch« an sich sehr verdienstvolle Versuche getragen sind, gibt zu schwer wiegenden Bedenken gegen die Durchführbarkeit des Programms der Schulreformer Anlaß, und auch verschiedene Punkte des Programms selber nötigen zum Widerspruch. Die Bewegung krankt vor allem daran, daß sie der Hauptsache nach in der Regierung eines überlebten BildungSwesenS besteht, ohne «in neues positives und materialeS Bildungsziel an seine Stelle zu setzen. Celbstverantwortung der Jugend und dergleichen sind rein formal« Förderungen, die der Ergänzung durch ein be stimmt umgrenztes, objektiv gültiges BildungSideal bedürften, um die für jede Erziehung unentbehrlichen Wertmaßstäbe an die Hand zu geben. Dieser Mangel aber wird zu einem kaum aufhebbaren Gebrechen dadurch, daß die Schulreformer Autori ¬ tät und Zwang prinzipiell entwerten und in jedem festen Form- f gefüge nur eine Erstarrungserscheinung zu erblicken vermögen. Wie soll man bei einer derartigen Einstellung von subjektivem Gemeinschaftswollen W objektiv sicher gegründeter Gemeinschaft gelangen? Aus diesem «ine« StrukturfMer der Bewegung erflären sich fast alle ihre übrigen Schwächen. Der Gedanke etwa, die Schul« vom Kind auS zu gestalten, ist zwar als Reaktion gegen frühere Einseitigkeit«: begreiflich, mutet aber denn doch etwas sentimental an und verhüllt nur schlecht die Abwesenheit konkreter und übergeordneter BildungSgehalt«. Die Jugend kann nicht immer von sich aus wissen, was wert voll ist und ihr frommt. Die Theorie der Schulreformer, der»! zufolge man dem jungen Menschen von außen nichts auf zwingen, sondern möglichst nur das ihm Gemäße seinem Geist angliedem dürfe, klingt zwar recht einleuchtend, läßt sich aber praktisch nicht durchführrn. Es erscheint zum mindesten frag lich, ob es nicht auch in moralischer Hinsicht mehr für sich hat, wenn der Lehrer gegebenenfalls durch autoritativ« Weisung die Schüler zur Aneignung eines ihnen etwa unliebsamen Wissensstoffes bestimmt, statt in ihnen durch Ueberredung den oft irrigen Glauben zu erwecken, sie fänden sich zu allem allein und aus eigener Kraft durch. Kaum mehr als eine Regierung des alten Schulsystems ist auch das Ideal der völlig elastischen Schule. Gewiß steckt in ihm ein berechtigter Kern, gleichzeitig aber verrät es durch sein« Überschätzung der Sonderbeschaffen- heiten des Individuums seine Herkunft aus dem Subjektivis mus der Romantik, der gerade auf überpersonale, inhaltlich bestimmte Normen angewiesen ist, um nicht gemeinschafts- sprengend zu wirken. Wohin würde man gelangen, wenn man die Eigenart jedes Menschen großpäppeln wollte? Sicher nicht zur ersehnten Gemeinschaft! Daß die Forderungen der Schul- reformer teilweise auf utopischen Voraussetzungen beruhen, sei nur nebenbei erwähnt. Die Produktionsschul« als Erziehungs-> verband der Schüler, Eltem und Lehrer in Ehren, aber wir haben weder die einsichtigen Eltern, noch die Fülle genialer Lehrer, um diese Arbeitsschule in großem Maßstab« zu verwirk lichen, und selbst wenn wir sie hätten, wäre damit noch längst nicht jene dauernde Hochspannung der Gesinnung verbürgt, die nun einmal zur Erreichung einer rein auf Freiwilligkeit ge gründeten Gemeinschaft unerläßlich ist. Schließlich ein Wort noch zu der von Dr. Siegfried Kä me r a u und anderen angestrebten Reform des Geschichts unterrichts. Man will nicht nur die Staats- und Kriegs geschichte, sondern auch die Darstellung der großes Männer hinter einer sogenannten soziologischen Betrachtungsweise ge schichtlicher Zusammenhänge zurücktreten lassen, zu der die Kinder etwa von ihrem 14. Lebensjahr« an methodisch äuge-