Leben maßgebend wurden oder schon waren. Als bedeutsamste Blütezeit der deutschen Universität schrob' uns jene Zeit vor, da eine gleichgerichtete geistige Tendenz zwischen Lehrer und Schülern einen Boden der Gemeinsamkeit schuf, auf dem.durch alles Uebermitteln von Erkennt..rssen und durch alles Forschen und Studieren letztlich immer die gleichen, als höchste erkannten Ideale gepflegt oder bestätig» wurden. Die Zeit der SchltiermrHrr, Fichte, Hegel, Schrlling, Boeckh war jene, da Lehrende und Lernende von einer Marken pg-itisckM und ge fühlsmäßigen Tendenz erfüllt gegen den Zwang der letzten Bcr- Migenheit bezw er unmittelbaren Gegcnwar sich stemmten, da sie im Erschauen neuer Ideale sich bewußt wurden, Träger der Zukunft zu sein. Es ist nicht so, daß sich die Universitäten damals mit einem national gefärbten Liberalismus verbanden. Sie selbst bahnten, tonangebend, mit der sich empörenden Ee- wält der neu erfaßten Wahrheit, den Weg dcr Setzung des Neuen wider das von oben her Sankt.,. nierte. Wir sind heute, in eine anders Bahn eingcwöhnt, bei Verehrung jener Männer M Führer und Sprecher der Nation zu sehr geneigt zu ver pesten, daß ihr großer Einfluß aus die Jugend nicht zuletzt da durch möglich ward, deß sie, unbekümmert um regimentlich« Macht,prüche, die Konsequenzen zogen, denen zulieb sie die unangenehmsten persönlichen Folgen auf sich nahmen. Kants Streit mit der Zensur, Fichtes Vertreibu. . Jakob Grimms' und Cervinus' Verbannung und ähnliche Fälle reden eine deutliche Sprache Eine ähnliche von den Universitäten aus gebende Bewe gung haben viele unter den gegenwärtigen Verhältnissen wie der erwarbt. Nicht mit Unrecht. Unseren Tagen fehlt eine zus^-mm-«schließende Weltanschauung. Unsere Zeit bedarf tatsächlich einer durchgreifenden geistigen Führung. Die alten LibrnZwrrts scheinen ebenso zerschellt wie die alte staatliche V:rf-ssunn Mit diesem Aeußerlichrn fiel den meisten auch drr innerliche Halt. Viel wird hin und her gesucht und pro bier', mit Spiritismus und Okkultismus, mit SzieniismuS und RenbuddhikmuS, mit Thsc^ovhie und Anihroposophie, mit kirchlichen Formen und ethischen Gemeinschaften, mit Nai'onalismuS und AbendlandS-Unteraangsstimmung. Aber man vermißt in dieser bunten Vielgeisterei ein machtvolles System geistiger Gesamtanschauung, um das sich die Geisteskräfte der Generation konzentrieren und das die Universitäten, von d'«n es ouSgshen müßte, ganz in den Mittelpunkt aller geistigen Interessen rückt. In der Tat, eins ähnlich entscheidende Großtat, wie sie einst Fichte und Hegel vollsührten, haben die jüngsten Univer- sitätsanwalen nicht zu verzeichne — geschweige deß außerhalb de- Un'versi'A-n die befreiende Welt-anschauungSbat zu ver- m"'e krmm» d'5? Zu allererst haben wir im r a, e'a.er Zeit kommen, in der kam s ' L'ssen'ch ft zugemut t wurde, sich in erster Linie Boamter zu fühlen und zu benehmen. D'e W'.l- brlminischr Aera bat die-en seltsamen Zustand, der sich von Preußen «ms weiter verbreitete, zur vollen Unerträglichke't gesteigert. Die geistige Unabhängigkeit des zur geistigen Füh rerschaft berufenen Dozenten hatte erheblich gelitten. Es ist nun schon lange her, daß die akademische Jugend in Treitscht« einen letzten Heros verehrte, dessen Offenheit sie bedingungs los vertraute. Mit diefem Wandel in drr Stellung der Uni versitätslehrer ging die anders Aenderung Hand in Hand, daß die Universitäten in ausgesprochenerem.Maße alS vordem Erziehungsanstalten für künftige Staatsbeamte wurden. Was das in einem Staatswesen bedeutete, wo ssr Offizier alles galt und der Zivilist nur insofern etwas, als er ein guter Staatsbeamter war, liegt auf der Hand. W ist daher nicht zu verwundern, daß in einem Zeitalter, während dessen durch eine Unsumme neuer Entdeckungen und dadurch hervorgerufener neuer Problemstellungen eine nicht zur Ruhe kommende Gärung m dem Teige, der Weltanschauung ent senden war, Über dem nahen Ziel der KenntnisvermMung und der Staatserziehung das höhere Ziel systsmbildenöer WeltanschauungSarüeir ferner rückte. Dazu aber kommt ein anderes Moment, das der deutschen Universität der Gegen wart einen eigenartigen Stempel ausgedrückt hat. Die prin- liche Gründlichkeit, die dem deutschen Gelehrten eigen ist, hat hier «inen ergiebige» Boden für das Gedeihen des Spezia listentums bereitet. Hierdurch haben die deutschen Uni versitäten das Erstaunlichste in der Kleinarbeit geleistet und bis Bewunderung der ganzen Welt auf sich gezogen. Natür lich aber war das Uebel unvermeidlich, daS solches Spezia listentum und sein« ausschließliche Wertschätzung mit sich bracht«. Der Speziolist taugt nun einmal nicht für dir Arbeid die von hoher Warte m,t überlegener Sicherheit und absoluter Klarheit des UeberblickS die schweren praktischen Probleme der jeweiligen Lage des Mensche» und des Volkes meistert und im Nahmen des universalen Menschheit-- und Welt problemS der Lösung zuführt. Derer sind doch nur gar zu wenig«, die bei einem ausgesprochenen Spezialistentum zu gleich für die systemblldcndr Arbeit fähig sind. Sie sind das Dutzend der Genies, die gleichzeitig auf der ganzen Erve leben, deren weiterschauender Blick ihnen aber wiederum ganz ander« Ziele weisen mag als da- hier in Rede stehende. Die vielen anderen aber kommen über ihr Sps-ialsach nicht hinaus, wissen auch, daß weitgehende zünftige Geringschätzung ihnen droht, falls sie sich von der engen Scholle ihrer Detailstudien lösen Schon gegen Schluß ihrer Studentenzeit hatten ste engstes „Fachstudium* betrieben, und von da an waren ste immer ängstlich beim „Fach" geblieben. Nun ist das, was als Ergebnis des Fachstudiums gelehrt wird, wirklich strenge Gelehrsamkeit, die ein paar Prozent der Hörerschaft auch tatsächlich interessiert. Für die Mehrzahl Us Hekuba. Weil sich der Gegenstand solcher Spezialistenvor- resungen für den weitaus größeren Teil der Studierenden nicht eignet, deshalb hat man ja allen Ernstes vorschlagen wollen,! die Professoren sollten ihre Sorge sür die Studierenden daraus! beschränken, gute Lehrbücher zu schreiben, und sie sollten die Stu dierenden im übrigen sich selbst überlassen. In dieser eben mit dem Spezialistentum und mit dem gleichzeitigen Rückgang dcr Kathederberedsamkeit aufgelommsnen Grring- ichätzung des akademischen Kathedervortvags scheint mir ein Krebsschaden für das Ansehen und die Bedeutung dcr Univer sitäten zu liegen. Und soweit in jenem Zusammenhang tat sächlich der Vortrag an Lebendigkeit und Kraft eingebüßt hat, bedeutet dieser Umstand auch einen tiessitzenden Schaden der Universitäten selbst. Seit je war der Lehrvortvag das Mittel, durch welches der akademische Unterricht seinen bestimmenden Einfluß auf die studierende Jugend übte. Wo seine Bedeutung verkannt und abgeschwächt wird, da kann die Universität natur gemäß nicht jene führende Rolle in der Entwicklung dcS Geisteslebens behaupten, die sie vordem innehatte. Der Lehr- vortrag ist so sehr das Zentrum des Universitätslebens, daß geradezu die Forderung ausgestellt werden soi'te, ungeeignete Kathederredner nach Möglichkeit von den Lehr stühlen fern zuhalten. Was Schleiermachsr hierüber schrieb, gilt noch jetzt: „Der wahre eigentümliche Nutzen, den ein Universitätslehrer stiftet, steht immer in geradem Verhältnis mit feiner Fertigkeit in dieser Kunst (des KathedervortragS).* Niemals kann in einem Lehrbuch geschrieben werden, was an lebendigem Äorl in der „Vorlesung" gesagt wird; niemals kann all das Per sönliche und Unmittelbare in die Druckschrift gebannt werden und, soweit dort niedergelegt, mit gleicher Unmittelbarksit aus ihr wirken. Ja das Katheder ist nicht nur der Ort, von dem aus der akademisch« Lehrer seine fertige Weisheit künde:, sondern oft genug der Ort, an dem er im bewußten Kontakt mit seinen Hörern sein Bestes unmittelbar bervorbringst Er wäre ein schlechter L^rer, wenn er nicht fortwährend beim Lehren lernte, und je fester feine Fühlungnahme mit der HSrrr- ! schcft geworden ist, desto reicher wird für ihn selbst der Dorn der Erkenntnis während seines Lehrens fließen. Stünden auf dem Katheder unserer Universitäten durchweg gute, fruchtbarx Lehrredner, so würden, glaube ich, die meisten Klagen, die über Niedergang und Einflußlosigkeit der Universität geführt werden, verstummen. Allerdings darf ein Umstand nicht unerwähnt bleiben, bei heute die Arbeit der Professoren außerordentlich erschwert. In der Großzeit der deutschen Universität vor hundert Jahren hatten die Gymnasien tüchtig vorqecrbeitet. Die jungen Leute kamen mit einem brennenden Hrißhunger nach Wisf.n'chaft auf die Universität. Jene Gymnasien sind nicht mehr, über deren große Leistungen sich unsere Jugend oft wehmütig durch die Biographien der leuchtenden Geister von dazumal unter richtet. Ich will damit nicht sagen, daß die alten Gymnasien nicht sehr reformbedürftig waren be-w. geworden sind. Aber Gymnastalresormen bestehen nicht darin, daß einfach von Jahr zehnt zu Jahrzehnt oder von Jahrfünft zu Jahrfünft dre Lehrz'ele verkleinert und die Anforderungen beschnitten wer den. Systematisch wurde durch UnterrichtS-„R«sorm* 0.« Höhenlage der Geistesbildung reduziert. Man fühlt« sich so überbildet, datz man schließlick» auf das nötigste Kleinmatz an Bildung verzichtete. Wie können die Universitäten Stät ten der Hochbildung bleiben, wenn sie bei ihren Jüngern keine allgemeine Mittelbildung mehr vorar-setzen dürfen? Wie können die akademischen Lehrer von heut« die studierende Jugend in der Weise von ehemals kraftvoll beeinflussen, wenn die Voraussetzung der Heranbildung zum Verständnis für die intellektuellen und gemütlichen Werte nicht mehr in analoger Weise gegeben ist? Der größte Teil derer, die heute die Uni versität beziehen, hat noch nie gelernt, selbständige geistige Arbeit m verrichten, und wünscht nichts sehnlicher, als daß m den HörsSlen mundgerechtes Prüfungswissen verabreicht werde. Auf diesem Gebiete muß Wandel geschasst werden, wenn die Universität überhaupt ihrer Aufgabe soll gerecht werden können.