! wird es empfunden, daß die Werkpläne für das ganze Theater mitsamt feinen maschinellen Einrichtungen noch vollständig vorliegen. Der Intendant Dr. Hagemann ist der Ueber zeugung, daß bei großer Beschleunigung der Bauarbeiten das Theater binnen einem halben Jahr wieder in seinem alten Glanz erstehen kann. Inzwischen wird man sich in der Hauptsache wohl oder übel mit dem „K lei.n en Haus", dem ehemaligen Residew'theoter, behelfen müssen- Dieses wenige Fahre vor Kriegsbeginn von dem jetzigen Kurdirektor Dr. Rauch erbaute entzückende Theaterchen sank im Krieg zur Operettenbühne, späterhin gar zum Kino herab, und wurde schließlich, als es in die Hände von Ausländern zu gelangen drohte, von der Stadt aus längere Zeit gepachtet. Vor rund anderthalb Jahren richtete das Kultusministerium unter dem jetzigen Intendanten eine zweite Staatsbühne in ihm ein, die nunmehr dem Schauspiel und der kleinen Spieloper dient und sich großer Beliebtheit erfreut. Für Opernaufsührungen kommt das Kleine Haus freilich ebenso wenig in Betvacht wie der Kurhaussaal, dessen Umbau sür einen solchen Zweck sich als technisch unmöglich erweist und ja auch allzu große Kosten verschlingen würde. Immerhin ist es nicht ganz undenkbar, daß man doch noch ein Provisorium schaffen kann, das Ger ds« opernlofe,chis schreckliche Zeit hm- Was soll jetzt geschehen? Das ist die Frage, die alle Ge müter beschäftigt. Nun, die beteiligten Kreise sind sich einig darin, daß sobÄd als möglich wieder aufgebaut werden muß. In einer außerordentlichen Sitzung beriet der Magistrat bereits über die zunächst zu treffenden Maßnahmen, und die Verhano- lungen mit dem Ministerium sollen alsbald ausgenommen werden. Wie entschlossen und tatkräftig man vorgeht, beweist die eine Tatsache, daß schon gestern ein neues D a ch für das Bühnenhaus bestellt worden ist. Mz wesentliche Erleichterung vermag. Die vielen eisernen Führungsschienen der Prospekte hängen lose und verbogen, als seien sie Kinderspielzeug, an oen kahlen Seitenwänden herab. Dir umlausenden Arbeite galerien sind verschwunden, von dem Schnürboden mit seinen vielen Tauen und Stricken fehlt jede Spur. Der eiserne Vorhang, der zum Glück standhielt, ist gewellt wie ein > Tuch und an einer Stelle auseinandergesprengt. Auch der Bühnenboden weist natürlich große Riffe auf, wie überhaupt sämtliche maschinellen Einrichtungen des Bühnenhauses völlig zerstört sind. Die Aufrämnungsarüeiten, die am Montag früh sofort einsetzten, werden Wohl eine Reihe von Tagen in An-^ spruch nehmen. Zur Zeit schafft man sorgfältig Stück für^ Stück "der Prospekte ins Freie. Die Beseitigung des Riesen- knäuls der Eisenkonstruinioney steht als schwerste Arbeit noch! bevor. Ein sÄtsamer Anblick, diese rauchgeschwärzten, .hoch-' ragenden Mauern, die in den oberen Regionen irgendwo ohne Grund plötzlich aufhören, diese ganze ungeheure leere Raum, auf dessen sinnlos und unordentlich gehäuftes Eisen- gerümpel der kaltblaue Himmel des Vorfrühlings lächelnd herniederscheint. Bei alledem hatte man noch Glück im Unglück. Dekora ¬ tionen, Versatzstücke und Prospekte sind nur in geringer An zahl zerstört, da von der „Rienzi"-Aufführung her lediglich der Rundhorizont mit Stilbühne stand. Die unmittelbar zu beiden Seiten der Bühne angrenzenden Garderoben- und Büroräume haben kaum eine Beschädigung erlitten. Ueber- Haupt ist der unersetzliche Fundus des Theaters — Kostüme, Musikinstrumente, Bibliothek — so gut wie völlig unver sehrt geblieben, desgleichen die ganze DersenkungSmaschineric sowie der Maschinenraum; bloß einzelne in der Rüstkammer befindliche Ausstattungsstücke find von dem Feuer an gegriffen worden. Gerettet ist auch, was die vielen aus wärtigen Theaterfreunde besonders inieressisren wird, der herrliche Zuschauerraum, in den die nach oben treibenden Flammen gar nicht eingedrungen sind. Am Morgen nach dem . Brand fand man noch auf den Drchesterpulten die unbe schädigten Noten zum „Rienzi". * Erst um ^11 Uhr, als der „Rienzi" längst zu Ende geführt war und das Haus in völligem Dunkel lag, wurde der Aus bruch de^ Brandes bemerkt. Die durch verschiedene Feuer melder sofort alarmierte städtische Feuerwehr war trotz des Hindernisses der leider noch immer bestehenden Telephonsperre bereits um 10 Minuten vor 11 Uhr vollzählig zur Stelle. Zur Absperrung erschienen unaufgefordert zwei Kompanien der französischen Besatzungsiruppen, die sich im übrigen an den Loscharbeiten nicht weiter beteiligten. Schon um 1 Uhr gelang es der Wiesbadener Feuerwehr, den Feuerherd zu lokalisieren, ohne daß sie hierzu der Unterstützung der auf französischen An ruf herbeigeeLten Aiainzer Feuerwehr bedurft hätte. Sie setzte gleich nach Erscheinen die Berieselung des eisernen Vorhangs zum Zuschauerraum in Tätigkeit, griff das Bühnenhaus mit 28 Leitungen an und beseitigte so durch ihr umsichtiges Vor gehen die Gefahr für die anstoßenden Bauteile. Die Witterung kam ihr zu Hilfe. Hatte statt des OstwindeS Westwind ge herrscht, so wäre ein Uebergreifen der Flammen auf das be nachbarte Foyer-Gebäude kaum zu verhindern gewesen. Durch die Wasserfluten, die das Feuer erstickten, sind naturgemäß auch die das Bühnenhaus umlagernden Räumlichkeiten, sowie die Dersenkungsvorrichtungen überschwemmt. worden. Dieser Schaden wird aber am schnellsten zu beheben sein. Auf den Rasenflächen vor dem Theater sonnen sich schon, harmlosen Untieren gleich, riesige DÄorationsstücke und auch die vielen flachen Seitendächer sind geradezu Lbersät mit dem bunten Flitterwerk durchnäßter Kostüme, die friedlich zum Trocknen ausgsbreitet liegen. * Der Grund für den Ausbruch der Brandkatastrophe ist noch ganz unaufgeklärt. Der Obermafchinenmeifter selber über wachte das Auslöschen der Fackeln am Schlüsse des „Rienzi", und ein Versehen von dieser Seite erscheint um so mehr als ausgeschlossen, als ein Bühnenkünstler, der geraume Zeit nach Beendigung der Vorstellung noch einmal die dunkle Bühne überschritt, nichts Verdächtiges beobachtete. Kurzschluß kommt, so wird von den Fachmännern versichert, ebenfalls nicht in Frage, da die gefamten elektrischen Leitungen im Theater nach Theaterschluß ordnungsgemäß stromlos gemacht worden sind. So tappt man vorerst völlig im Dunkän und darf auf die Ergebnisse der im Gang befindlichen Untersuchung sehr ge spannt sein. Der Schaden beziffert sich, wie wir bereits mitgeteilt haben, nach den ersten überschlägigen Schätzungen auf runs drei Milliarde nMark. Dem Vernehmen nach ist zum mindester ein Teil der gewaltigen Summe durch Versicherung gedeckt. Nicht unerwähnt mag bleiben, daß über die Erhöhung dieser Versicherung gerade mit der Stadt, die Eigentümerin des Theaters ist, verhängt wurde. ! Sie MsienschaftMßs.') Z u den g run d s ätzlichen Schrifte« War WeOsrs und Ernst LrseltschS. Von Dr Siegfried Krasmrer. Max Weber, nach Droeltschs trefflicher Charakteristik „einer der mächtigsten deutschen Menschen und der um fassendsten, zugleich methodisch strengsten Gelehrten des Zeit alters", hat Kompromisse von der Art, wie Troeltsch sie schließt, schroff «-gelehnt. Aus seinen wiffenschaststhsoretischen Auf sätzen, die unter Einschluß des den sogenannten „Mffenscheffts- streit" entfesselnden Münchner Vsrtragsrl „Wissenschaft als Beruf" jetzt endlich gesammelt vorliegen („Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre", Tübingen, I. C. B. Mohr, 1922) wird feine neMtiv-roligiöse Haltung in ihrer ganzen Dämonie offenbar. So gut wie irgend einer hat Weber das Leiden der Jugend an der durch die Wissenschaft herbeigeführten „Entzauberung der Welt" erfahren, er weiß jedoch auch, daß die Sehnsucht der Jugend nach dem Absoluten von der Wissenschaft selber nicht gefüllt werden kann. Der Sprung zum Absoluten, so urteilt er, hierin tiefer, well radi- kÄer als Troeltsch, ist ein Sprung, der über den Abgrund hinweg in den Bereich des Maubens und damit endgültig aus dem Bereich der Wissenschaft hevaus führt, und unumwunden erklärt er — ein Kierkegaard mit umgekehrtem Vorzeichen —, daß „die Spannung zwischen der Wertsphäre der „Wissen schaft" und der des religiöstn Heils unüberbrückbar ist". Sind aber, von der Wissenschaft aus geschen, alle Wertentscheidungen, alle Zielsetzungen unseres Handelns notwendig relativ, so hat nach ihm die Wissenschaft, will sie ihrem Objektivitätsideal gerecht werden, sich unter Ausschaltung jeglicher Wertung rein auf den Nachweis der Bereitungen von Sachverhalten und Tatsachen, der inneren Strukturzusanmen- hänge von Kulturgütern usw. zu beschränken. Das ist für ihn Sache der „intellektuellen RechtschaffenHeit" und heißt ihn jede wissenschaftlich verbrämte „Kathederprophetie" ver werfen, die in den Hörsälen zu geben sich anmaßt, was „nur ein Prophet oder ein Heiland" zu künden vermag. Das Verfahren, nach dem Weber ein objMves und wert freies Verständnis des sinnhafien Geschehens zu erreichen strebt, kann hier nur grob Umrissen, seine Problematik nur gerade ge streift werden. Es steht für Weber von vornherein fest, daß die durchgängige kausale Verknüpstheit der unendlichen-Ereig- nisfolye innerhM der geistigen Welt — ein« Verknüpstheit übrigens, an deren SelbstverstäniEichkeit Trocktsch aus guten Gründen zweifelt — niemals ganz anfzuhellen ist, und daß man sich darum auf das verstehende Erfassen ausgewählter Bruchstücke des nnausschöpflichen Erfahrungszusammenhangs zu beschranken habe. In dieser Absicht vereinfacht und schemati siert Weber den jeweils ihm vorliegenden verworrenen Au- sammenhang (z. B. das „Christentum" oder den „Kapitalis mus") so lange, bis er aus ihm, durch einseitige Hervorhebung irgendwelcher Gesichtspunkte, das eine oder andere in sich widerspruchslose unwirkliche Gedankenbild, den sogenannten „Jdealthpus" (also z. B. den „Jdealtypus" des „Kapi talismus") gewinnt, der dann dank seiner Eindeutigkeit und völligen Faßlichkeit als Ausgangspunkt sür das Wirklichkeits verständnis M dienen vermag. Die idealtypischen Konstruk tionen, deren Zahl genau so unbegrenzt ist wie die der Werte, auf die sich die zu untersuchende Wirklichkeit beziehen läßt, nehmen zumeist eine „zweckvationole" Form an, das heißt, sie sagen aus, wie ein Handeln Mausen würde, wenn es, un beeinflußt von Affekten, rein rational einen gewissen Zweck (z. B. wirtschaftlichen Vorteil) verfolgte; aber auch dort, wo