Hölderlins Uebertragung entstammt der Zeit, da sein GeK schon an der Grenze stand. Grenzhaft ist auch die Sprache; sie verlerbt das Sagbare fremd und schön und ertastet dem Unsag- r Form. Kaum zu ergreifender Sinn bleibt oft un- faßuch m der dünnen Hülle und zwischen Satzgebilden von un- wHerstehncher Klarheit breitet sich Sedweigen und Nacht. Tief neigt sich die Sprache ins Griechische hinein; eignes Wort sucht das fremde anzusprechen und möchte seinen vergrabenen sinnlichen Gehalt an die Oberfläche zwingen. So entstehen Formen und Wendungen, die Ungehörtes in sich einpressen und Kunde aus geahntem Rerckr Zu bringen scheinen. Die Ferne wird in ihnen Zur fühlbaren Nähe und ein Licht,, das bald wieder verschwindet, erhellt den Umkreis. Wilhelm Michel hat sich in seiner Bearbeitung treu an den Text angelehnt. Geringe sachliche Verstöße Hölderlins die ihren Der sta'ke Eindruck der Vorstellung war nicht zuletzt der Regie Eugen Kellers zu danken, der den Rhythmus zu bändigen die Zäsuren em.zuhalten verstand. Spieler und Gegenspiel-r traten M -tnander klar entgegen, die Prinzipien wurden Gestalt und das Wort Sing ein in die stilisierte Gebärde. Nur der Chor ver Grud m der Benutzung ungenauer alter Ausgaben haben, sind getügt, grammatikalische und lexikalische Irrtümer beseitigt worden. > E- Morgen ifh von unwesentlichen Streichungen und der! Klärung nmncher allzuschwer durchwinglichen Stelle abgesehen .ursprüngliche Fassung rein erhalten geblieben. Die Aufführung erbrachte den vollen^VeweiZ für ihre Bühneweignung. dagegen stirbt in der Gruft bei Antigone — aus Liebe zu ihr, ! aber nicht allein aus Liebe — den selbstgewählten Tod, nachdem er vergeblich versucht hat, den Vater zur Umkehr zu bewegen. Erst der blinde Seher Tiresias, kein magisch Zwingender, der reine Mund des Gottes vielmehr, macht den Verblendeten sehend. Doch zu spät. Das unaswendete Schicksal -entrollt sich gnadenlos und das Ende des Dramas ist wirklich das Ende, dem nichts mehr folgt — es sei denn die frommwissende Ergebung in den unergründlichen Ratschluß der oberen Mächte. Gelenkt von einem geheimen „kalkulablen Gesetz", dem Hölder lin nachgHspürt hat, halten sich die Figuren der „Antigone" un erbittlich das Gleichgewicht. Das Tragische in seiner Reinheit ist hier ganz Stil geworden und zu abschlußhaster, nicht mehr vev° letztlicher Gestalt gediehen. Wundersam aber ist zumal dies: Trotz dem alles Zufällige aus dem Gang der Handlung ausgeschaltet wird, Prinzip dem Prinzip hart entgegensteht, bleibt weiter Raum für das Menschliche, das die spröden Härten erweicht, stch ein- schmiegt in die Abgründe und zart auffteigt aus den gebrochenen S^len. Es gewinnt Sprache in Antigones Klage um ihr einsames Scheiden und erfüllt die Wechselnden des Chors, die das Geschehen nachdenklich, zweifelnd, fordernd und immer fühlend begleiten. Der dunkle Ausblick am Schlüsse bezeugt, daß der Dichter ein Grieche gewesen; doch harrt seine Seele auch nicht auf Erlösung, so weiß sie dre Menschen doch in göttliche * r Hut. Die „Antigone" des Sophokles Packt die wesenhaste Tragik menschlicher Existenz an der Wurzel. Sie entfaltet die Dialektik des Gesetzes zum Drama, in dem Thesis und OMHests ihre Person. haften Vertreter finden, die das durch sie verkörperte Prinzip bis zur Entscheidung austragen. Kreon, der Herrscher Thebens, ist Hüter des selbstisch äffen en Gesetzes, aber er setzt es unbedingt und zerbricht darum hilflos mit ihm, wenn er seine Bedingtheit er fährt. Recht und Unrecht find in dem König eng gepaart. Gewiß, Verrat lauert umher, die Stadt bedarf des strengen Herrn, und doch: das Gesetz verdorrt, wenn es sich unnachgiebig zu behaupten sucht. Die Aufrührerin Antigone. die „den Geist des Höchsten g e - setz^os erkennt", spielt das genaue Gegenspiel, sie bestattet, einzig der Schwesternliebe folgend, den Leichnam ihres Bruders Polynms Wider des Königs Geheiß. Da dieser nur das herzlose Gesetz kennt und sie nur den ungesetzlichen Zug ihres Herzens, durchleben beide nicht eigentlich den tragischen Konflikt, sondern stellen ihn lediglich unbewußt, stumm dar. Seelisch -erlitten wird er viel eher von den Mittlern: von Jsmene und Hämon, in denen der in Kreon und Antigone Gestalt gewordene Gegensatz nachhallt und zum Bewußt- i sem seiner selbst gelangt. Jens scheitert daran, daß sie das Königs- j Wort weder Hinzuhalten noch zu Lrechen vermag. Kreons Sohn i Das Schicksal des Dominikanerklosters. --- Das Frankfurter Dominikanerkloster an der heutigen BatLonnstraße ist eine Schöpfung des Dominikaner- Bettelordsns um die Wende des 13. Jahrhunderts., Im Gegensatz zu den adligen Orden der Benediktiner, Cisterzienser und Prämonstratenser, die ihre Niederlassungen fern den Städten gründeten, siedelten sich die Bettelorden inmitten der Städte an, um sich gemäß der Lehre des hl. Franziskus und des hl. Dominikus der Armenpflege und Seelsorge in der Landessprache zu widmen. Zumal den Dominikanern gehörten die größten Gelehrten und Mystiker des 14. Jahrhunderts an:! so Albertus Magnus, Meister Ekkehart, Suso, Tauler usw. Die monumentale Kargheit des hiesigen Dominikanerklosters bezeugt, daß auch in Frankfurt der Orden in seiner FrühzeiL das Armutsgelübde zu erfüllen trachtete. Bis ins 19. Jahr hundert hnein — der Orden wurde 1803 durch die Franzosen aufgelöst — war das Kloster eine große Sehenswürdig keit, da es in seiner Kirche berühmte Gemälde von Holdem d. Ae., Grünewald, Dürer, UffenLach usw. barg. Diese bilden seit kurzem emen Hauptschmuck des Städels. In der Folge zeit - diente das säkularisierte Kloster den verschiedensten Zwecken. Von 1886 bis 1923 war die Battonn schule darin untergeLracht; die in der Mitte geteilte Kirche wurde als Turnhlle für die Schule und als sogenannte „SLadthalle" für Volksvorlesungen und ähnliche Veranstaltungen verwandt. Es erhebt sich die Frage, was heute mit den leeren Räumen geschehen soll. Der Magistrat plant, in dem ersten Stock des Klostergebäudes die Kassen des Gas-, Wasser- und Elektri zitätswerkes zusammenzulegen. In dem Erdgeschoß, das den noch schön erhaltenen Kreuzgang umschließt, will das Tief bauamt Werkstätten für die Wassermesser'Prüfung einrichten. Vom Or-densprovinzial Albert Magnus bis zum Wassermefferklempner — immerhin kein kleiner Schritt. Daß das Gebäude für solche profanen Zwecke denn doch zu kostbar ist, sollte nicht Zu bezweifeln sein. Ein- bessere Ver wendung seiner Erdgeschoßräume hat seit einem Vierteljahr der „Bund tätiger AltstMfteunde" auf eigene Initiative hin gefunden. Er betreut und speist dort in den geheiztem Sälen den ganzen Nachmittag hindurch über 5 00 Altstadt kinder. Bei gutem Wetter dient der von allen Seiten ge schützte Kreuzhof als Spielstätte, bei schlechtem Wetter der ihn umziehende Kreuzgang. Solche Fürsorge für die sonst völlig verwahrlosende Altstadtjugend entspricht dem Willen der Stifter des Gebäudes gewiß mehr als die Anlage von Werk stätten, für die etwa eine Unterkunft in historisch belangloseren Gebäuden gesunden werden müßte. Der Sparzwang darf keineswegs dazu führen, daß man den Kindem diesen idealen Platz in der Altstadt wieder nimmt und damit zugleich ein Gebäude von hohem geschichtlichem Rang seiner inneren Be stimmung entfremdet. Und die Kirche? Der Besuch der Stadthalle ist seit der Gründung des Volksbildungsheims immer mehr zurückgegangen und die frühere Turnhalle im Chor wird gegenwärtig über haupt nicht benutzt. Uns dünkt nach alledem, daß jetzt der richtige Augenblick gekommen ist, eine schon alte Anregung von SLadtbaurat Schaumann und Geheimrat Kautzsch zu verwirklichen. Sie ging dahin, die der Stadt gehörige (zur Zeit in der Kegelbahn des Liebieghauses Zusammengestapelte) Sammlung von Abgüssen der mittelalterlichen deutschen Monu mentalplastik in einem besonders geeigneten ehemaligen Kirchenraum aufzustellen. Leider kommt die KarmeMenkirche, die vorläufig! Theaterkuliffen beherbergen muß, hierfür in absehbarer Zeit nicht in Betracht. So scheint die Dominikanerkirche geradezu berufen, eine solche Bestimmung zu erfüllen. Diese Verwendung böte mehrere große Vorteile. Einmal würde die frühgotischs Kirche durch die Hemusnahme mochte sich nicht einzugliedern. Seine Bewegungen folgten allzu , schwach dem Zug des an ihm abprallenden Geschehens, und so trat er aus der Rolle ds passiven Zuschauers kaum hervor. Freilich: er ist ein fremdes Element unserer Bühne und fraglich bleibt, ob ihm überhaupt ein volles Leben zugeteilt werden kann. — Die Bühnenarchitektur hat PiLartz geschaffen. Niedere Stadttore, das unendliche Rund eines graublauen Himmels — sonst nichts. Aber gerade oisse spärlichen Andeutungen waren der richtige Hin tergrund für die Figuren, die in ihm plastisch und von Einsamkeit umflossen standen, wie die zugespitzten Sätze des Dialogs. Auch die Farben der (gleichfalls von Pilartz entworfenen) Gewänder führten eine deutliche Sprache. In ihre matten braunen, grauen, grünen Töne brach allein das Rot des Königsmantels mit grellem Klang herein. — Frl. Kersten schenkte der Antigone die längst schon abgeschiedene Seele und die Wehmut der Klage; nur die Konturen waren wohl zu weich gezogen. Den harten unbeugsamen Kreon spielte Herr Ball schr überzeugend. Er sprach die Worte ohne Milde und gestaltete wirksam auch die jähe Erschütterung des Endes. Ihm ebenbürtig hielt sich der wahnvolle Tiresias des Herrn Ritter. Da übrigen Darsteller, unter denen wir nur noch die Jsmene Frl. Sparrens, Herrn Rehmer als Hämon und Herrn Kulisch als Boten nennen, fügten sich dem Ensemble gut ein. Dr. S. Krakauer. Hölderlins deutsche «Antigone-. „Antigone" von Sophokles, Übertragung von Höl derlin, Textbearbeitung von Wilhelm Michel. Urauf ¬ führung im Hessischen LandeZLHeater zu Darmstadt, 9. Dezember. Die Tragik menschlichen Existieren- enthüllt sich grundhaft in dem Verhalten der Menschen Zum Gesetz, das ihnen um ihrer Unvollkomwenheit willen gegeben ist. Sie müssen sich dem Gesetz beugen, weil sie im Bedingten stehen und ihr Zusammenleben nur durch die unverbrüchliche FnnLhaltung der sanktionierten Gebote gewährleistet wird; und sie dürfen sich ihm wiederum nicht schlecht bin unterwerfen, weil sie über das Gesetz hinaus sich Lusnchren sollen auf das Unbedingte, das nimmermehr in starre Formeln sich bannen läßt. Das ist die Paradoxie des Gesetzes: daß es un antastbare Geltung beansprucht und doch zugleich nach steler Selbst aufhebung drängt. Wenn es als Letztes sich setzt, wird es zum Frevel, und wenn es sich preisgibt, zerfällt die Gemeinschaft, für die es besteht. Seine Doppelnatur mag der betrachtende Weise durchschauen oder der Heilige, der über die Bezirke deZ gemein samen Lebens sich erhebt; die in der Mitte wirkenden Menschen aber müssen immer wieder an ihm schuldig werden. Denn nehmen fie es fraglos hin, so verfehlen sie sich wohl Wider das, was höher ist als geprägte Satzung, und gehorchen sie, schlechtes Gesetz bec- feite schiebend, diesem Höheren, so treten sie aus den Grenzen heraus, die niemand ungestraft mißachten kann. Gnade allein ver möchte den Widerspruch zu tilgen und die Versöhnung zu stiften. *