/ I pei^LLS»» Kokzapfeks „Uanideal". Zur Kritik der Kulturgläubigkrit. Von M. Siegfried Kraeauer. Dis Weh ,Pan ideal" des Oest-erreich-rs Rudolf Mark» Holzapfel, eine Schöpfung der VorkieMeit, ist (bei Eugen Diederichs, Jena) in neuer, sehr erweiterter Fas sung wieder erstanden. Als Einführung in die beiden mächti gen Bände läßt der gleiche Verlag ein« (von Hans Zbinden herausgegedene) Sanrmelschrist: „Ein Künder neuer Lebens wege* erscheinen, in der etliche sldepten Gehör für die Bot schaft des Meisters fordern. Ihre Werbung verpflichtet umso mehr zu einer Auseinandersetzung mit dem Werke, als Holz- apftl auch in den Kreisen der Jugend einigen Anhang gefun-^ dm hat. Vorweg genommen sei disSr .PcmideÄ" ist nicht neuest Evangelium» sondern alte, im Kern überlebte Lehre. Es gehört einer Epoche <m, die abgewirtschastet hat, ist Ausdruck einer Geistesholtung, deren UnMlänglichkeit e^ gerade heute einzusehen gilt. Dmm«h verbleibt dem Buche eine gewisse mitelbars Bedeutung. Wesentliche Züge jener geistigen Ge- samtvsrfassung näMch: ihr Vertrauen auf die Organisterbar- keit der menschlichen ^sellschast, ihr Geniekult, ihre ganze naive KulturglSubigkeit — in ihm enthüllen fls sich so drastisch, daß sich ein exemplarischeves (und zugleich bs- losienderes) Zeugnis der Seinsstufe, die es hervorgebracht hat, nicht wohl denken laßt. Die Erörterung des Werkes stellt darum keinswegS seine besonderen Gehalte allein in Frage. * Kaum erst Jüngling, ist Holzapfel nach Südafrika WS- gewandert und hat dann, wie der V-erlagsprsspekt meldet, lange Fahre ein bedrängtes Nomadenleben geführt. Gelegenheit ge nug, die Mängel menschlicher Einrichtungen gründlich auszu- forschen. Zwei Erfahrungen vornehmlich stoßen dem Schwei fenden überall zu. Einmal entdeckt er auf seinen Reisen, dM die Dogmen der Rektionen und die allgemeinen Moralgebote viel zu' weitmaschig und ungeschlacht sind, um die Ansprüche' komplizierter Individuen auch nur annähernd zu befriedigen: zum andern quält ihn das widervernünftige Gegeneinander d«i Menschengruppen, denen «s an rechter Gestalt und rschtm Ge-< staltern gebricht. Ohne sich lange Lei der zeitttlübenden Prüstmg aufzuhal- tm, ob nicht vielleicht diese (oder andere) Nnvollkommenheitsn aus irgend einem Grunde für Menschen unausrottbar sindss .Mist KolWpM foMH der Mfige» Mnschheit das JdeaMd '' . einer künftigen als wsÄ M erreichendes Ziel ihrer Bemühun- ! 8-u. .Daß er eiuMoffen aufs Ganze Acht, bekundet schon'das' ! vMherßunKvolle Wort Pan ideal. Es deutet auf eine Ge-p ! ftüschast Hin, die, um in Holzapfels eigener Sprache zu reden, „dr« wesentlichen SeelenkrSste organisch umfassen und einer.,: E^msch einheitlichen Schaff« des Einzelnen und der MenWyclt entgegenführen könnte*. Aus diesem Projekt er wachst, wie es an anderer Stelle heißt, die Ausgabe, „an Stelle blinder Förderung aller möglichen einander widerfpvscheichen! „EntwiÄungen* solche Wege seelischer Wandlung, geistiger „Entwicklung* zu suchen, bis in Wirklichkeit und -HM» den Menschheiten Geistesschatz mchven und einer steiMnden Har- i MSN«, Vergchtigung und GefühlintensitSt" zuleiten. . Ein titanisches Kulturideal mithin, das rein in den dies-! fertigen Bezirken seinen letzten Abschluß sucht und findet. WI will den Menschengeist durch den Menschengeist befreien und eine Welt der allseitig entfalteten Seelen erschaffen, in der alle Dissonanzen aufgelöst sind. Erforschung der SeelenkrSste soll die Bahn bereiten. : Holzapfel gibt beschreibende Analysen der verschiedenen seeli schen Vorgänge, sozialen Gefühle und Gesinnungen, die, wie er wähnt, unter dem abstunipfenden Einfluß 'schematifchrr :MorÄgeiehe bisher vereinseitigt oder falsch gerichtet worden MZ. und fordert ihre differenziert« Am-- und Umbildung in MnideÄsschchem Sinne. So wünscht er etwa die „dgMMfche^ Aivellierungsgestalt des christlichen Gewissens*, die nach seiner Ueverzeugung „stuchtbar-e ethische Keime* «n der EntwiÄung hindert, dmch ein neues panid-salWschLS Gewissen zu sr- Men, das nach „schattierendster Mickflchtnahn» auf die W- Itufung der Anlagen und EntwMungen* strebt. Gelenkt von freiem Gewissen, ergmndet die Holzapfelsche Psychologie die Gesetz« kunMrrfchsn Schaffens, durchstöbert das Seelenleben der Heiligen und hebt gar „die -osiitive und negative. Bedeu tung des „Gebetes" für die MenschenNvtwicklung" hervor; kurzum, sie kundschastst auch noch den geheimsten Schlupfwinkel MS und verbreitet in ihm panideaNftisches Licht. Alles im Drmste des Gesamtkunftwerks einer Zukunstskulk-r, die mensch- lrches S-yopMum auf jedem Gebiet ins Nngemeffene steigern mochte. . Zu. Vringern und Walkern des sslgcmtischen Reichs ermäch- ügt Mn Künder geniale Menschtzeitskünstler", denen das neue Gewissen Wägt und die Seelenfsrschung zum Lmt- sadm wird Die Aufgaben, die er ihnen stellt, sind nicht ge ring, erwartet er doch, „daß wenigstens manche PlaWer und ! auch ^.schöpferische Kulturgestaltsr, manche ^«»lgionSfaster und Heilige" — man beachte die heitere Nnbs- MmM j. — »auch große Dichter,. .Forscher,. Plastiker oder Musiker werden" . Da Holzapfel kei.'r.'Nvc^? Lraumer, fondem durchE Mann der Praxis ist, p.mr. - schließlich di« Errichkung einer „Akademie der A: - - nahmen", die systematisch und in großem Stü d'? r lichung dieses Kmturprosramms beweiben soll. ES ynLR wohl, wenn man erfährst, daß sie unter anderem junge Genies ausfindig zu machen und für ihre ,grötztmSgliHr Vervou- komMMW" zu sorgen hat. * Das Ganz« RH sich wrs eine rmfrsiwillW (nur leider zu lang ausgewalzie) Satire auf den zumal im neunZelm:. !: Zahrhunürt vorwaltenden Geist, der hier mit seinen Blöß-?:: ! gewaltig prunkt. Man kann, wmn man so will, die Haupt ! verklungen dieses der ihm angemessenen Ätuatisn Wtronue- . nen Geistes Metten aus seiner L-eugnung menschlicher B< -' : dingtheit «nd seinem Trachten Mich Expropriierung Gottes. I Gescht- der Mensch befind« sich «ch an seinem richtigen O . k, ! so weiß er jedenfalls d<S ein«, daß er nicht in sich selber ! gründet, sondern seine Wurzeln außer sich hat. Er ancr- : kennt sein Geschaffensein und seine damit derbm-' haste Abhängigkeit, und wie weit immer er die Grenzen des durch ihn zu BAvirkenden hiwAuSverlegt, er vergißt doch nie, daß ihm überhaupt Grenzen gezogen sind. Diese elementare und an sich bloß Negativs Erkenntnis seit ihn zum Mindssteu i gsgen die ebenso elementare Irrlehre, di« dem Menschen die Fähigkeit zuspricht, aus eigener Kraft der Welt das „Kaiser ssiegel" aufWdxücken. Wie sollte er auch, gestützt auf das Wissen. um seine Bedingtheit, ein« Lösung menschlicher Wider sprüche, eine Aushebung aller UnzulänglWeiteN rein int Be zirk des Menschlichen suchen dürfen? Selbst wenn er in d«r Negativität jenes Wissens bcharrt, erfaßt «r doch die immer währende Tragik seiner Position, die ihm nicht gestattet, smni- licher Schwierigkeit^ von sich allein aus Herr zu werden; Md tritt er als Christ oder Jude aus dem nur-tWgischen Be- : reich hevaus in die Perbimdenheit des GlaubcnS^beWs, da^!- ! n»g er zwar in der Welt wiÄen, aber er geht nicht oua; ein und aus in ihr, er mag der Erlösung gewiß sein, auf Selb st- erlösung aber wird er nimmermchr bauen. Kultur, das steht fest, bleibt ihm stets auch Wen sK r>- werk, das als solches gleich ihm der Bedingtheit und ist. Statt also zu wähnen, daß es dem Mensch« gegeben i-k, 1.willkürlich und nach freiem Ermessen eins ideale, nr.cch'l vollkommene Kultur zu verwirklichen, erblickt er PrÄmchr in der UnvoMsmmenheit 'menschlicher Zustände lediglich mnv M ! stätiMNg dafür, daß Kultur weder heute, noch morgen, noch überhaupt etwas EndMttgeS, Nbsch-lußhaftes bedeittst. MchW hindert ihn daran, sie innerhalb ihr« Grenzen zu bejahen so zwischen nihilistischem Kulturpessimismus und schranken losem KulturöptimiZnMs -di«. ungefähr« Mitte zu wahren. Kultur als letztes Wort und höchsten Wert anzunehmen, ist t-em Menschen ein für allcmal versagt. Der entfesselte Geist des neunzehnren Jahrhunderts, soweit er hier in Betracht kommt, ist ganz und gar von dem 'Streben nach Selbsterlösung erfüllt. All sein Denken kreist um den Begriff der Kultur, und die HerbÄffHruug des idealen irdischen Endzustands wird ihm zur Aufgabe der Aufgaben. Da er, seiner BeNugHÄt nicht mehr eingedenk, sich unbedingt, setzt, muß Hm ja auch in der Tat. so scheinen, als könne menschlicher Wille traft seiner Allmacht jedweden Mangel be heben, und Äs sei das Kommen des „Reiches Gottes" d'e Frucht rein ÄwevgeschichÄlcher Entwicklung. Solche HOriS straft sich indessen selber. Denn dadurch, daß der Mensch sich göttlich« Funktionen LrKegt und sich vermißt, den menschlichen Fort schritt von sich aus unbegrenzt M fördern, gibt er eben die Position preis, in der er der Sache der Weit gerade am besten zu dienen vermöchte. Er ist nämlich wahrhaft ihr Diener nur, wenn er ihr nicht unmittelbar dient ,sondern sich über sie hiiMUZspsnnt zu dem, was mehr ist als sie selber und alle Kultur. Diese seiner Bedingtheit gemäße Haftung verweist ihn gemA -dorthin, 'wo fein eigentliches Heil liegen mag, und da er, sie einnehmend, seiner wesentlichen Bestimmung gerecht wird, befähigt sie ihn auch allererst dazu, den entscheidenden Kampf mit der Welt auszunehmen. Entkleidet er dagegen das Menschliche seiner Fragwürdig- keit und -erhebt die Höherentwicklung der Kultur zum Selbst zweck, so -vereitelt er von vornherein jene Bemühung um sein HM, Äs deren Folge allein sich "unter Umständen die welt lichen Behältnisse richtiger ordnen. Daß er das Ideal der vollkommenen Kultur in den Mittelpunkt rückt, stÄt seine Krea- türliWsit mit ins Kalkül einzubeziehen und der Gnade den Hr gebührenden Anteil einzuräumen, ist also seine schwerste Verfehlung gegen dieses Ideal. Damit verrät er sozusagen Gott an die Wflt und stveicht just die einz'ge Bedingung, unter der Kultur überhaupt erreichbar wird. Er macht zum letztem Ziel, was nur mögliche Folgeerscheinung eines Trachtens sein bann, das nicht der Kultur Mer gilt, sondern über sie hmaus- führt zu Gott als ihrem letzten Grunde; kein Wunder, daß das Ideal wie-eine morMLS zerfließt, wenn er sich ihm cm- zunGern sucht. Wird es zum Gegenstand, s ist es für immer verloren; zugänglich bleibt «S denen allein, die es nicht be'Äwm. "Gleichviel, ob die Lehren des neunzehnten Jahrhunderts «in rationalistisch begründetes Humanitätsideal aufstellen, oder in «ine wie immer religiös getönte Kulturgestalt einmünden; AMM sM, Witz sitz sich ihr Ziel verwirklich-t^eMm -K IN