Verfolg eines sich über den Köpfen der Menschen vollziehenden Prozesses oder durch den zur Freiheit entbundenen schöpferischen Willen, ob erst im Unendlichen, oder schon hier im Endlichen — ste sind sich alle darin verwandt, daß sie eine abgeleitete Be stimmung zur höchsten emporsteigern. Ohne der Bedingtheit des Irdischen nachzusragen, das ihnen mehr oder weniger in sich selber befriedet scheint, fordern oder setzen ste skrupellos die Vollkommenheit menschlicher Zustände, die doch immer nur ein zweites ist — eine Wirkung der Gnade nämlich —, wenn sie denn überhaupt heranreifen soll. Freilich darf auf keinen Fall der Unterschied an Tiefe und Existenzfülle verwischt werden, der etwa zwischen einer eudämonistischen Zivil!sationZphilosophie vom Schlage der Spencer fchen und dem heroischen Kuld'"- ideal Nietzsches besteht. Während jene, die nur dann ei von ihrer Flachheit verliert, wenn man sie mit der traditionS- starke r englischen Wirklichkeit Zusammenhalt, die- menschlichen Unzulänglichkeiten nicht eben tragisch nimmt, da sie ja doch am Ende der Zeit das größte Glück der größten Anzahl winken sieht, begreift Nietzsche die Kultur als einen durchaus tragischen Vorwurf, der sich nicht wie irgend ein Rechenexempel ohne Rest bewältigen läßt. Dieser Hemmung ungeachtet, stellt er freilich seinen „Uebermenchen" auf die Beine, der die Gren zen des Menschlichen sprengt, weil er die Welt von sich aus schöpferisch meistern möchte. Aber der Gigant kann" nicht stehen und seine verkrampfte Haltung ist nur ein Umschlag jener Skepsis des früheren Nietzsche, die noch ein sehr deutliches, wenn auch verzerrtes Wissen um die menschliche Brüchigkeit bezeugt. Holzapfel übertreibt die ungebrochene Kulturgläu bigkeit des neunzehnten Jahrhunderts so grotesk, daß sie durch ihn, wie man meinen sollte, eigentlich aä Lbsuräum geführt werden müßte. Buch bringt er es zuwege — gewiß ein Verdienst —, die in verschiedenen Höhenschichten einlagernden Anschauungen dieser Epoche tüchtig ineinander zu wirren und derart indirekt auf ihre Zusammengehörigkeit aufmerksam zu machen. Er amerikanisiert Nietzsche und zaubert aus angel sächsischem Militarismus eine Renaissance-Kultur hervor; so tritt doch wenigstens die gemeinsame Wurzel der beiden Be griffe „Zivilisation" und „Kultur" zutage, die in unserer Zeit vielleicht noch nicht genügend erkannt wird. Keinen Augen-! blick kommt dem salkMucke-man der Gedanke, daß Kultur überhaupt eine paradoxe Angelegenheit fei; menschliche Schöpferkraft feiert bei ihm vielmehr ihre unbedingten und erschrecklichen Triumphe, und das Ergebnis ist die ungetrübte Apotheose des Menschlichen. Die Verhärtung der Dogmen, di Starrheit ethischer Normen: alles Schwierigkeiten, die gerade in der menschlichen Bedingtheit gründen und nur in täglichem Kampfe immer Meut «nzugreifen sind, ohne auf yMnifats- mögen, die <ü- solche doch noch gar keimen Sinn in sich bergen. So löst flo da» Wirkliche auf und zerftäubt es zu Schein. Sich den verschiedensten Kultur- und FsrtschciWlehren ver- schwistsnd, fetzt sie mit Nietzsch« den ungeleiteten Willen Mr Macht absolut, nimmt mit Der g son ein« sich schöpferisch entwickelnd« Lebenskraft an, die nur nicht weiß, wobm sie sich eigentlich entwickln soll, und behandelt, w!« Valhinger in seiner .Philosophie des W-OL" es tut, die Msral als bloß« Fiktion. HohapWs SselenstnMmg U von erfchüt^rnder DÄnali- M, aber gerade darin besteht ihr Verdienst. Denn aus der har monischen Ehe, die sie mit dem Schetnideal „größtmöglicher Vervollkommnung" der Kultur an Haupt und Gliede n ^ngeht, erwachsen Früchte, an denen man di« ganze Nichtigkeit der psychologisieverchen BetrschiungSweis« zum Greifen deutlich er kennen kann. Höchst ungeheuerlich, was diese Forschung in der grundlosen Seele ergründet. Sie entdeckt, worauf gewiß noch kein Betender verfallen ist, daß Gebete die Willenskraft steigern, wenn sie „Vorstellungen vom Mächtigsten und Voll kommensten wiederholt und eindrucksvoll festhalten", sie degra diert di« Götter und den kategmckschen Imperativ W plumperen »der feineren „Substantialisierungen" ter Gewissensstimme und behauptet die WhängigSeit der „UnsterbliKeltssehnsucht" von intensivsten Lustgefühlen. Urzeugung der Wirklichkeit aus dem Schlamm der entwirklichten Ss-l«: das ist recht eigentlich das Streben dieser Psychologie. Erst macht sie das Etwas der Un- , strrSlWeitSixcheißung zimichds, dann holt sie aus dem Nichts der Lustgefühl« jenes Elwas wieder hervor — ein Tas^n- WKEertrick, der sich damit erledigt, daß das nun von ihr pwdu- Hisrte Etwas garnicht wehr dM früher wsg^Mckert« ist Da st« zudem nicbt eirmml als schlicht besckmck^ude Psgchskoai« , Besonderer leistet, ist zu befürchten, daß Holzapfels prasumtive „MenschheitsküMer" mit ihrer HLf« Wr wenig auSzurichten dermöse». * ' Schwer M PMn, Baß dieses Schemen noch rmwchen kann. Lockt es durch seine Ueberbetonung des Schöpfe- i Äschen, weckt feine Kulturbegeisienmg Gip^kvausch? Wer dÄ Lösung, die es bietet, ist nie und nimmer Lösung, ja, , eine Lösung in solcher Richtung auch nur zu suchen, führt schon sö vom Weg. Denn gegenüber panidealistischer Ausartung der , sich unbedingt setzenden Geistes gilt mtt Strmx: Kultur bleibt - Mkglich dann eine Möglichkeit, wenn sre rmter der immer- f wahrenden Frage ficht, und soll das Schöps-eriche je bejaht ; werden diirs-n. so ist es nicht minder von Grund auf zu ver Minen. — Allein das Bewußtsein von der Grenze des Reise gibt, ist nur Nachspiel — Nachspiel und Ausräucherung der Psychologie des ausgehenden neunzehnten Jaho. Hunderts, die, mannigfach abgewandelt, in Literatur und Philo sophie auftritt und derselben niederen Sphäre angehört wie das den Kulturb-griff nutzende Denken, mit dem ste zumeist sich ver bündet. Weiß der Mensch noch um seine Kreatürlichkeit und spannt'er sich — in negativem oder positivem Sinne — über sie hinaus zu dem, was ihr schlechthin überlegen ist, so hat er Mchsom einen Richtpunkt von höchster Wirklichkeit, denn mchis kann je wirklicher sein als Gott, auf den er sich derart w.e immer bezicht. Insofern nun die Gewißheiten, die dem Geists dann entorgentreirn mögen, aus seiner Verbundenheit mrt dieser höchsten Wirklichkeit herrühren, sind sie letzte und äußerste Gegebenheiten: ersahvbar wohl, doch n'cht selber wiederum «UÄ anderen Gegebenheiten abzuleiten. Es geht darum nicht an, theologische Begriffe wie etwa „Unsterblichkeit", „Gnade, „Sünde", deren Gehalte sich allenfalls dem in der entschs.oendrn Spannung befindlichen Menschen erschließen, als Auswirkungen psychischer Vorgänge, als „Erlebnisse" zu begreifen; v.Ä eher schon hätte man umgekehrt von ihrer WiMchkcit her^ d» sich nicht begründen, sondern lediglich hinnchmen laßt, den Sinn der psychischen Vorgänge zu bHHmmen. Der Weg der ricy'MN Deutung führt stets von oben nach unten, und auch d.« seelischen Phänomen« bedeuten nur etwas im VerhdltmS M jenen letzten Gegebenheiten, die der auf die höchste WiMch- kert ausgerichietr Mensch erfährt. So ist, um ein BÄsM M nennen, Franz v. BaaderS Auffassung des Geimsseus als „Cewiß-wissen des Erkmnffeyns von Gott" eine durch aus rechtmäßig« Bestimmung des Seelischen. Em DeriMM das die dem hrnigeMmrlerMeN's^ , sm) dan-ielenden WiMchkLiLsaehalte zu Exponenten mnerpsy^ychen macht, ist smnwidrM, da es das UnMeitLare Ef das erst zuleitende zurückzuführen sucht. Der bei der Psychologie anhebende Geht des neunzehnten JalÄunderts, der aus der Verbundenheit mit den! ihn Be dingenden entglitten ist, schlägt notgedrungen dle'M, Verthuen ein Wie er des Postulat menscylicher HouMntwicklung un- ludwklih an die erste Stelle rückt, so versackt er E und mehr i-, der unaerichteten Deschre'bung der entspannten Seele, einer e-'eele die ihren HSSKsn R'chtpünkt verloren Hai und daher unendlich zerstießt. Ein- solch« PMwlogk ab«, der dre sckPN Befund-, und zwar di« Befund« einer Er«rch gewor- Seele, stw's Letztes sind, geht gen-« den ^ von unten -aL oben sie m-cht nur Grundlage der Erklärung, was 'ÄI der ErKLwng bchüMg ist. Statt die Gewißheiten deS sich zur höchsten Wirklichkeit verhaltenden M-niV-n unan^ Net selLn u lassen, deutet sie dies« E E L erfahrenen Gewißheiten aus rischem, rein menschlichem Wege je ganz überwindbar zu sein — Holzapfel zweifelt nicht daran, daß sie radikal getilgt, werden können. „Größtmögliche Vervollkommnung", so lautet seine Devise und ein „Wir schafsens" scheint steter Refrain. Ueberall setzt der Unermüdliche seine Hebel an. Da ihn die Begrenztheit der meisten Menschen nicht befriedigt, wünscht er sie tunlichst in Genies umzuwandeln, und da ihm auch die Einseitigkeit der meisten Genies kein Genüge leistet, fordert er, daß jedes'eine Art von Lionardo werde. So türmt sich' der Wolkenkratzer panidealisüscher Kultur auf, der Forschung, Kunst, Ethik und — Religion gleichmäßig und harmonisch umgreift. Ja, auch die Religion! Denn für Holzapfel versteht es sich von selbst, daß ste der Kultur-Kathedrale einzu- verleiben sei, er überhört, hierin durchaus typisch, die kritische Frage, die von ihr aus immer wieder an die Kultur gerichtet wird, und faßt es nicht, kann es nicht fassen, daß sie nur dann wahrhaft Religion ist, wenn sie sich paradox zu dem weltlichen Reich verhält, statt ohne Anstand in ihm auf- und unterzu gehen. Hiervon abgesehen muß man ihm nachsagen, daß er seine Sache gründlich anpackt. Gar sehr gepeinigt von dem Gedanken, daß die 'Genies planlos auswachsen, just, wie es Gott gefällt, projektiert er einfach seine Genie-Auszucht, die der leidigen göttlichen Zufallspolitik ein für allemal ein Ende be reitet und das Problem der kommenden All-Kultur erst wirk lich spruchreif macht. Es lebe die panidealist.sche Organisa tion! Eine Assembler von Lionardos, ein Institut für Ueber- menschen: das hätte sich Nietzsche sicherlich nicht träumen lassen. Diese fürchterliche Akademie weift irgendwie in die Rich tung nach Darmstadt, beschwört den Schatten der Weisheits schule herauf. Und als Parodie ist sie nicht einmal so ver ächtlich, denn sie karikiert Züge, die in der Tat für das Welt bild K e h s e r l i n g 8 bezeichnend sind. Genau wie dem Pan- idealisten schwebt diesem ja eine weit- und sphärenumspannende Totalkultur (die sogenannie „MenMeitsökumene^vor, die weiträumig genug ist. um d", gliedern, genau wie der Panid-alift will, cr d'r T.nftncm.::.! einsbnen, sämtliche W.deripcu^e u.w haupt alles in besten Einklang bringen. Freilich, die größt möglichst vervoMommneten Zöglinge der Holzapfelschsn Aka demie sind ihm zuletzt doch über. Das bischen Kulturbetrieb in eigene Regie nehmend, lassen diese „Menschheitskünstler" Gott einen guten Mann sein und führen von ganz alleine dir. Menschheit h-rrl'chen Zeiten entgegen. Vorausgesetzt natür lich, deß sie nicht das Schicksal jener Baumeister Lecken, tue einst den Turm von Babel errichtet haben. Auch dir Seelmforschung, deren Ergebnisse Holzapfel feinen KulturgeMLern zurbesseren „OrmüiLwNL" dir