Ministerial-Erlaß mit gutem Grunde fordert. Gelangt doch das deutsche^ Wesen, das dem Zwange zeitenchobener Formen nm unwillig gehorcht, zu sich selber allein, wenn es Äs individuelles Sein und Werden sich entdecken darf. Ein Wort noch zu den Autoren. Es ist gewiß richtig so, daß die Dichter und Schriftsteller unserer Tag« in stattlicher Zahl vertreten find, denn aus der LekAve ihrer Wecke gewinnt die Jugend am ehesten jenes lockere und mittelbare Verhältnis zur Gegenwart, das die spätere unmittelbare Einstellung auf das Heute vorbereitet und trägt. Zur Ergänzung der bereits angebrochenen Liste seien auf gut Glück Gorch Fock und Fried Stern, Bonseis und Paula Dchmel, Arno Holz und Johannes Schlaf herausgegriffen. Im ganzen gehören die zeitge nössischen Verfasser den verschiedensten Höhenlagen an, aber ihre Verschiedenheit erweitert den geistigen Raum, und nM immer ist das Beste für die Jugend gut genug, * Wenn, dieser Verbesserungen «ich Vorzüge ungeachtet, „Lebensgut" kein rundes Gelingen ist, so liegt die Hauptschuld nicht so sehr an den Herausgebern als an der Situation, die sie mitbedingt. In einem Lande, das achtundzwanzig Parteien kennt und mindestens ebenso viele „Weltanschauungen", tu einem Volke, das die Fundamente seines Staatswesens «n- zweiselt, und so sehr allen Fragen preisgegeben ist, daß es kaum erst weiß, was zu erfragen und zu gestalten ist, — wie sollte hier und jetzt ein Lesebuch reifen, dl^ seiner Bestimmung wirk lich genügte? In der Verlagsanzeige heißt «: „Unser deut-^ schesi Lesebuch ist für die höheren Ähulen jeder Art bDimmt, die alle im deutschen Bildungsgedanken ihre gemeinsame^ Grundlage finden. Diese Einheit sucht es über alle Schranken der Stämme und Länder, von Religion und Kirche von Stand, Beruf und Politik . . Das aber ist genau der Mangel: dk Bearbeiter haben es, soweit man aus dsn Bänden von Sexta bis Untertertia ersehen kann, allen Frakionen recht machen wollen und darum niemandem ganz recht gemacht. Gewiß, sie wählen den Ausgangspunkt gut und treten auch richtige Wegs an; doch um nicht anzustsßen an einer der achtundzwanzig Ecken, brechen sie nach dem ersten Schritte ab und lasten die folgenden ungetan. Diese Genügsamkeit bezeigen sie zumal der deut schen Republik gegenüber, deren Existenz in den vier Bände,: weder in gutem noch in bösem Sinne je Erwähnung sinkst. Mögen die Kriegs-Klischees von Tanera und die Kaiser Wilhelm-Anekdoten der älteren Lesebücher gestrichen sein und mag auch der Ton des Ganzen sich sehr zu seinem Vorteil von dem feindseligen Gebühren der französischen Schulliteratur noch! 1870 unterscheiden — eine Reminiszenz von Carl Schurz aus dem Fahre 1848 oder das Gedicht: „Der Krieg" von Georg Hehm bieten für d^ Fehlende känen Ersatz, denn sie stehen vereinzelt inmitten teiliWhmÄoser Umgebung. Wußten jene' vergangenen Bücher nicht, wie Menschen zu bilde« Mm, so wWn die mnmr M der Mldimg nichts anznslMMNp sie bleiben im Ansatz stecken und verabsäumen sorgsam das Be- " r s zum S t a a t, dessen der Staat zu stiner Erfüllung rmd bis Bckdung als ihres irdischen, Haltes bedarf. Das ist nicht ! ein« Emheit über allen Parteien, sondem eins Einheit außer- chalb d« Schranken; nicht ein Ausschalten der Tagespolitik aus m )n der Schule geübte Vogel-Strauß- Prlitck. Das Dckemna scheint unausweichlich: will man den jungen Staat durchbilden, dann halten fich ganze Volksschichten ziwuck, und spMt man das veMndende Wort, so muß man sich selber kunfllrch Zurückhaltüng auferlegen. Trotz solcher Zwangsläufigkeit, die noch das Wachstum auf breitein Grurwe verwehrt, trifft die Herausgeber doch der Vorwurf, daß sie ihre Behutsamkeit zu weit getrieben haben. Ein Lese buch, das offizielle Geltung beansprucht, muß dem Staat« geben, des Staates ist; es darf auf keinen Fall bis Geswehnlsse verschveigen, die notwendig zu seiner Herauflunst stlyEN, Mrd dev döe Grund-züge des Meu-sn voren^ HÄten. das heute rechtskräftig besieht. Dia Neuvalität aus Vor sicht, der Unterlassungen dieser Art entspringen, hat mit der Tugend überragender Einheit nichts Feinem. Aus dem Hange zur Enthaltsamkeit erklärt sich! mühelos der Almanach-Charakter, in den die Bände zum Teil verfallen. Die alten Lesebücher hatten es leichter weil sie ihren Stoff formal organisierten und den Weg zum Gesinnungs- z«l methodisch zu Ende gingen. „Lebensgut" will rein den Sinn-, Zusammenhang hervorkehren, scheut aber davor zurück, eine be-> stinnnte Gesinnung nun wirklich ung^rochen durchgu- halten. So bleiben die vielen kurzen, häufig wohl allzukurzen Leseproben ein Gemälde in Andeutungen, eine Mannigfaltig keit ««verschmolzener Elements, und es liegt durchaus an der Person des Lehrers, nach welcher Richtung hin dis fragmentarischen Ansätze ausgebaut Norden. schließlich erwecken manche Einzelheiten .Bedenken und Wünsch«. Fehl am Ort« erscheinen jene Prosatexte und Ge dichte, in denen eins nur dem Erwachsenen eigentümliche Re flexion das jugendliche Leben zu sich heraufhslt und spieMsi Nicht als üb jedes Wort zu der Jugend gesprochen sein und »m ihr ganz begriffen werden müßte, aber der Monolog des WeK, dessen Thema die Kindheit ist, kreist in einer ihr unzu- Mnglichen Welt. — Auf die schlecht reproduzierten Schwarz? Weiß-Illustrationen nach Originalen von Dürer, Richter, Thoma, Mbelohde hatte man entweder gang verzichten oder getreuere Wiedergabe' ermöglichen sollen. Späteren Auslagen war« auch wohl ein Literatur-Nachweis beizufügen, der dis Schüler zu selbständigen: Vordringen von den: einen sde« andern Punkte aus befähigt. Aus Ganze hin gesehen ist „Lebensgut" ein Prowks sorivM, das deutlich verrät, wessen wir ermangeln. Von Wecken ßrkner Art heute mehr zu Schöffen, hieße vielleicht ün- LiMg ftkN, «ex die VEufiOM des Geleisteten hinWBW täuschen, hieß« fich^ der Ve«mtwmNung beiden. Dis Bear beiter haben — das ist ihr wesentliches Verdienst — das schematische Gerüst der alten Lesebücher abgetragen und sich bei ihrer Neuschöpfung den Ansprüchen der Wirklichkeit den Er fordernissen echter Bildung bereitwillig geöffnet. Das Begon nene über die Anfänge hinauKzuführen oder gar in entschei dendem Sinne zu vollenden, haben sie nicht vermocht. Da Teile der Allgemeinheit im Stich lassen, wäre Weiterschreiten ein Vorauseilen, unverhüllte Aiü und Aufnahme des wer denden Staates ein Henmmis der Wirkung gewesen. Immerhin ist das von den Bänden ein gebrachte Material selbst in halbverarbeitetem Zustand wertvoll genug und einst weilen wohl zu nutzen — vorausgesetzt, daß man sich mit dem Vorhandenen nicht begnügt, sondern, «s Äs Hinweis und Ver sprechen nimmt. Ein Lesebuch, d-K dieses Versprechen cinlöst, das dem deutschen Menschen zu einem Gesicht und der deut schen Bildung zu einem Körper derhilft, wird allenfalls ent stehen können, rvenn die Republik sich die Seele ihrer Bürger gewonnen hat. Diesterwegs „Deutschkunde" steht unter der Leitung von Minrsterialrat Dr. W. Schellberg (Berlin) und Studien rat Dr. G. Sprengel (Frankfurt). „LebenSgut" wird hermrsgMSen von den StudrenrSLen H. Schmidt-Voi gi und, Dc. M. Preitz rmd dem Geh. Studienrat Dr. O. Winneber- U«r (sämMch in Frankfurt) in Verbindung mit den Studienräten Dü L VEper (Münster) «nd I. Kneip (Köln). Die Heimat- j MSMÄe M das Rii«kn-Main-Grht«H Mssrat Studie»-