52 m 2> ange- 14. Versammlung Deutscher Historiker. -- Frankfurt, 2. Oktbr. Der Weite Tag des Kongresses wurde mit einem Vortrag von Pros. Ruppersberg (Saar brücken): „Aus der Geschichte des Saargebiets mit besonderer Berücksichtigung seines Ver hältnisses zu Frankreich" eröffnet. Nachdem der Redner die Bestimmungen des Versaillex Ver trags über das Saargebiet ins Gedächtnis zurückgerusen hatte, polemisierte er gegen die Darlegungen Tardieus, Clemenceaus, Llohd Georges und der ftanzösischen Propagandaliteratur, die diese Bestimmungen historisch zu rechtfertigen suchten. Geschicht liche Tatsache sei vielmehr, daß das Saargebiet seit mehr als tausend Jahren zu Deutschland gehöre. Als die Franken das Land in Besitz nahmen, flüchteten die römischen Herren; und der fränkische Königshof entstand dort, wo heute die Stadt Saar brücken steht. Von den folgenden Ausführungen sei nur soviel festg-ehalten, daß trotz verwandtschaftlicher und lehnsherrschaftlicher Beziehungen der Grafengeschlechter des Saargebiets zu Frankreich der deutsch; Kernbestand stets überwog. Der Redner erörterte nach brrzer Uebersicht über die Entwicklung im Mittelalter ein gehend die Raubpolitik Ludwigs XIV., die Erzbischof Fenelon bereits mit schneidendem Sarkasmus beurteilt hatte, und schilderte die Vergewaltigungen, die sich die Saargegend damals gefallen lassen mußte- Eine der schlimmsten Erscheinungen waren die ftanzösischen Fremdenregimenter, die von den Fürsten Nassau Saarbrücken angeworben wurden und sich aus Deutschen rekru tierten- Die französische Revolution brächte den Palästen Saargebiets Zwar Krieg, doch, den Hütten nicht Frieden; der! Bedrückungen wegen, denen sie die Bevölkerung aussrtzte, ent-! täuschte sie bald. Der Friede von Campoformio lieferte dann das Saargebiet mit dem linken Rheinufer an Frankreich aus. Das bedeutete zwar manche Erleichterung (Aufhebung der Feudalrechle usw.), die aber durch Aufbürdung schwerer Lasten reichlich para lysiert wurden. Die Bevölkerung pries darum den FüMen Blücher, der 1814 in Saarbrücken einzog, jubelnd als ihren Be freier. Groß waren Schmerz und Empörung, als das Saargebiet durch den Frieden von Paris (dank den Bemühungen Talleyrands) Frankreich wieder überlassen ward. Nach dem Zu- sammenbruch Napoleons hoffte man auf die Wiedervereinigung mit Deutschland, die besonders der Saarbrücker Kaufmann Heinrich BöckLng eifrig betrieb. Er wurde nach Paris entsandt und er wirkte, daß Frankreich im zweiten Frieden von Paris 1815 das Saarland an Preußen zurückgeben mußte -- womit sich die fran zösische Bevölkerung einverstanden erklärte. In der Folgezeit ent wickelte sich das Saargebiet unter preußischer Herrschaft zu großem Wohlstand, der freilich aufs neue die Begehrlichkeit der Franzosen erweckte._Nach knapper Darstellung der Ereignisse von 1866, 1870 lution der für Freiheit plädierende Religionsartikel auch nommen, so handelte es sich bei ihm doch nur um die bekannte independentistische Freiheit, die keineswegs die Katho liken mit umschloß ^rnd überhaupt nicht Überschätzt werden darf. und des Weltkriegs erklärte der Redner, daß heute im Saargebiet alle Klassen der Bevölkerung zusammenstünden und darum die dereinstige Wiedervereinigung des Saarlandes mit Deutschland zu hoffen sei. Pros. Künhel dankte dem Redner für seine Bemühungen um die deutsche Sache im Saargebiet, die ihm die Ausweisung eingetragen haben, und bezeichnete es als eine Unterlassungssünde, daß die deutsche Wissenschaft sich so ungenügend bisher gegen die Verfälschungen der ftanzösischen Propaganda zur Wehr gesetzt habe. Das Weite Referat von Pros. Caspar (Königsberg) über „Hermann v. Salza und die Gründung des Ordens st aates" galt der Grenzmark im Osten. In der bisherigen Literatur, so führte der Redner aus, spielt Hermann v. Salzas Persönlichkeit keine wesentliche Rolle, obwohl er aus der Ferne das ganze preußische Unternehmen geleitet hat. In welche Beziehung hat er den Ordensstaat zu Kaiser uno Kurie gesetzt, was hat er gewollt und was hat er erreicht? Das erste, was Salza tat, war, daß er sich 12W ein Privileg des Kaisers erwarb, vier Jahre, bevor der Orden zu kriegerischen Handlungen schritt. In diesem Privileg wurde klar ausgesprochen, daß die künftigen Eroberungen im Preußen-land und Kulmerlano zu autonomer Landeshoheit über diese Gebiete führen sollten. Friedrich II. verfügte aber über die östlichen Marken nicht nur kraft der Gewalt, die das Imperium verlieh, sondern auch kraft des deutschen Reichsrochts. Das Privileg gab dem Hochmeister jedenfalls die volle Garantie für eine landesherrschaftliche Stellung und ist wohl auf sein-e eigene Initiative zurückzuführen. Man mag ihm entnehmen, was Hermann wollte: die Erreichung auto nomer Herrschaft im Osten. Zwei Schwierigkeiten setzten sich ihm entgegen, zu denen er schon vor Angriff des Unternehmens Stel lung nahm: die Macht des Bischofs Christian, der sich auf die Rückendeckung durch die Kurie verließ, und die päpstliche Misstons theorie, die eine Unterwerfung der preußischen Bevölke rung nicht wünschte. Wie der Redner in scharf ¬ sinnigen Konjekturen ftststellte, polemisierte bereits das Kaiserprivileg wider diese Theorie. Ein glücklicher Zufall brächte Hermann weiter: 1232 geriet Christian in Gefangenschaft der heidnischen Preußen. Der Orden rührte für seine Bestemng keinen Finger. Dagegen gelang es Hermann, die wichtige päpst- lrche Bulle des Jahres 1234 zu erwirken, die dem Orden das Kulmerland und das eroberte Preußische Gebiet zu ewigem Lehns- Lesitz verlieh. Diese Zueigengabe durch die Kurie war eine große Seltenheit, weil sie sich auf ein großes Territorium bezog. Nach päpstlicher Auffassung wurde aber das preußische Gebiet lediglich als Missions gebiet angesehen, nicht als neuer Preußen staat oder als päpstliches Lehnsgut. War das Kaiserprivileg ein Programm für die Zukunft, so war die Bulle lediglich eine Ver-' fugung über im Entstehen begriffene Verhältnisse. Zum Schlüsse würdigte der Redner Hermanns Werk als echtes Gewächs des mittelalterlichen Mutterbodens und arbeitete den inneren Wider- Much heraus, an dem der Bauplan des Hochmeisters krankte: den Widerspruch zwischen dem Anspruch au tautonome Landes hoheit und dem Sichbeuaen unter das päpstliche Missionsideal. nur die eine Aufgabe einer solchen Erkenntnissoziologie an, die nach ihm in der historischen Determinierung des geistigen Lehens besteht. Sie habe auf Grund der materialistischen Ge- schichtsphilosophie zu erfolgen, die von ihm allerdings unstreitig zu einer Kombination marxistischer und kantischer Gedanken umgebildet worden ist, und trachte nach einer Zu rückführung der geistigen Probleme auf die Bedingtheiten des Verbands, dem sie entwachsen. Als ein Ergebnis dieser Methode zog er die Unterscheidung zwischen „bürgerlicher" und „proletarischer" Wissenschaft heran, die rein soziologisch gemeint sei, und darum durch die unpolitischen Ausdrücke: stationäre und evolutionäre Wissenschaft treffen der gewürdigt werde. Trotz des vorerst ruhigen und sachlichen Charakters der folgenden Ausführungen, die bei aller Red lichkeit der Gesinnung und UnerhiMchkeit der Konsequenz von doktrinärer Beschränktheit (etwa in der Behandlung des Problems der Wsrtfreiheit und des evolutionären Prinzips) nicht freizusprechen waren, erntete Adler alsbald den Zwischenruf „Volksversammlung", der ihn, den schlagbereiten Debatteredner, dann freilich mehr und mehr zu persönlichen Ausfällen reizte. In der anschließenden Diskussion gestand Alfred Weber zu, daß er in vielen Dingen Adler näher stehe als Schcler, verwahrte sich aber dagegen, daß man Wissenschaftsgestal tungen schlechthin die Kennmarke bürgerlich oder proletarisch verleihe. Was ihn von den Marxisten scheide, das sei ihr Rationalismus, der sie zu Fortschrittlern mache, und ihnen von vornherein die Erfassung vieler wesentlicher Probleme verwehre. Zu Scheler gekehrt, dessen mannigfache Anregun gen er gleich den übrigen Diskussionsrednern durchaus positiv würdigte, erklärte er, daß seiner Meinung nach nur ein Teil der Wissenschaften an den Bestand der individualistischen Ge sellschaft gebunden sei und kontinuierlich sich fortentwickle, ein anderer Teil dagegen, die ganzen nicht einfach zweck- rational orientierten Geisteswifsenschaften nämlich, genau so wie die Methaphysik gemäß den kulturellen Aus- und Ab stiegen sich unstet entfalte. Die weitere Debatte, an der sich unter anderem die Herren Sulzbach, Robert Michels, Gallien, Salz und Goldscheid beteiligten, brächte Ergänzungen, Berichtigungen und manche treffende Einzel kritik, ohne daß zu den großen Gedankengängen noch Stel lung genommen worden wäre. Man fand sich, wie Alfred Weber von den Referaten selber bemerkt hatte, Abbreviaturen von Weltanschauungen gegenüber, deren Berührungen und Überschneidungen bei der beschränkten Redezeit fragmen tarisch nur sichtbar zu werden vermochten. 14. VersMNWg Deutscher Historiker. — Frankfurt, 3. Oktbr. Der dritte Versamwlungstag wurde mit einem Vortrag Pros. Steinackers (Innsbruck) über „Zentralismus und Partikul arismus als geschichtliche Mächte" eingeleitet. Um die, Bedingtheit seiner Einstellung zu kennzeichnen, er klärte der Redner von vornherein, daß er von seinem Erlebnis - Oesterreichs aus gehe, in dem zentralisüsche und partikularistische Tendenzen einander durchdrungen hätten, ohne sich auszugleichen. Seine eigentlichen Ausführungen galten der d e u L s che n F ra g e, deren Kern jedenfalls die Spannung Zwischen Zentralis mus und Partikularismus ist. Der Historiker Hai sich nun angesichts des partikularistischen Streb ens zu fragen, ob Deutschland wirklich so viel reicher gegliedert sei als die anderen Nationen. Tatsache ist sicherlich: die deutschen Stämme sind in der Auflösung begriffen oder doch gewiß nicht mehr unbedingt die Träger eigenen Staatsgefühls. Wie es in dieser Hinsicht bei uns steht, kann man an dem Beispiel Frankreichs ersehen, in dem seit den Tagen Jeanne d'Arcs alle Teile der Nation in großen Fragen immer zusMUnenhielten, ohne daß darum sie Mannigfaltigkeit Provinzieller Eigenarten, die Individualität der Territorien geschwunden wäre, die sich vielleicht noch zu einem stärkeren Gegengewicht gegen die Gefahren der Zentralisation ent wickeln wird. Nach einem Exkurs über die Geschichte der italienischen - Einheit faßte der Redner seine Darlegungen dahin zusanrmen, daß ! Zentralismus und WrtikutarismuZ Werte seien, die sich bekämpfen müßten, wenn ste sich auch bis zu gewissem Grade ergänzen könn ten. Entscheidung zwischen ihnen ist erforderlich. Gewiß ist der Partikularismus die ursprünglichere Tendenz, doch er hat in der neueren Zeit (von der Schweiz abgesehen) politisch versagt und muß darum dem Zentralismus das Feld überlassen, der außen- und innerpolitisch zur unausweichlichen Notwendigheit ge worden ist und sich mit weitgehender Dezentralisation gewiß ver einen läßt. Das gilt auch für Deutschland und die Lösung seiner großen Schicksalsfragen. Es folgte der Vortrag Pros. Hashagens: „Zur Ge schichte der Menschenrechte". Der Redner ging von einer Kritik an der herrschenden Anschau ung (der Jellineks) aus, derzufolge die Gründe für die Erklärung der politischen Menschenrechte in Amerika durchaus religiöser Natur seien. Wurde aber am Vorabend der Revo-