unter dem Namen „Amerikanismus" zusammenzutassen und ab- Zuurtellen pflegt, und -eine Gemeinsamkeit der Menschen, die sie ihrer Totalität nach einbegreift. * Einer Grmemfchastsgier, die sich übersteigert und nur noch zur Weißglut erhitzte Zwischenmenschliche Beziehungen gelten lassen will, wird der Kölner PrivatdoZent Dr. Hetmuth Pleß- ncr in seiner Schrift: „Grenzen der Gemeinschaft" (Friedrich Cohen, Bonn) zum Warner. Er erhellt seine Stimme gegen „romantische ZrvilisatwnW und gegen alle radikalen Utopien, die eine gewaltig Einigung der Menschen und eine distamlose Lebensgemeinschaft proklamie ren. Ertrügt die Seele überhaupt solche Direktheit? so fragt er, und seine Antwort lautet: das GesellschafLZwesen ! mit seiner Kühle und seinem System der Vermittlungen ist als Sicherheitsfaktor menschlicher Würde unerläßlich. Nicht nur erscheint jede existentielle Gemeinschaft eingebettet in eine z „Öffentlichkeit", die man, da sie nun einmal den notwendigen Rahmen der Gemeinschaft selber bildet, keineswegs einfache aufsaugen darf — schwände sie hin, so versänke nrit ihr die von ihr umgrenzte Gemeinschaft diese Oeffentlichkeit vielmehr wird auch aus positiven Gründen von der gleichen Seele ge fordert, die über sie hinauszuwachsen und mit den anderen Seelen eine Symbiose einzugehen drängt. In einer Betrach tung über die Dynamik des Psychischen such nachzuwei- sen, daß das Seelische seinem Wesen nach Mischen Eröffnung und Verhaüenheit, Zwischen Kundgabe, die es entblößt, und Einhüllung, die seine Innerlichkeit vor der Fixierung behütet, dauernd umgetrieben werde. Ein dialektischer Prozeß, der von sich aus den Bestand gesellschaftlicher Verk^ be ¬ gehrt, die der Seele als Bekleidung dienen und ihr die nötige Verborgenheit gewähren. So rechtfertigen sich gegenüber den einseitigen Ansprüchen derer, die ausschließlich Gemein schaft fordern, alle die zivilisatorischen Fakten, die dem Ein zelnen den Rückzug in seine eigenste Privatsphäre gestatten: das Zeremoniell, das ihm Würde verleiht, ohne daß er sein Selbst freizulegen brauchte, und das Presti ge, das ihn unangreifbar macht. Der Kern des Wesens ist von tiefer Emp findlichkeit, und auch das Herz verlangt Distanz. Darum er heischt das Innere, soll es erhalten bleiben und stch auswirken können, Takt, Zartheit rmd bergende Schale. Keine andere Bestimmung aber haben die Formen und Beziehungen in dem Bereich der Öffentlichkeit: sie verhelfen Zur Maske, ste sind Spielregeln, die auf den Einsatz des realen Ichs verzichten und jedem Spielenden zunächst Ächtung zusichern. Seinem wfenhaften Sinn nach ist mithin das Zivilisatorische eine Art von „Hygiene fystew der Seele", und gerade die auf Gemeinschaft Bedachten müßten es mit aufnehmen, statt durch seine maßlose und krampfhafte Abweisung die eigenen Forde- rangen um ihre Wirklichkeit zu bringen. Diese „Kritik des sozialen Radikalismus" verdient Zur Stunde ernste Beachtung, da sie sich wider weit verbreitete Stimmungen wendet und bloße Schwärmerei an Besinnung gemahnen möchte. Ihr Hauptwerk ist gewiß ein praktischer: daß sie die vorbehaltlosen Gemeinscha fts fanatik er in dem Glauben erschüttert, die Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens seien lediglich Symptome des Verfalls, und Zivili sation müsse unter allen Umständen getilgt werden, wenn Gemeinschaft heraufwachsen solle. Indem ste die positive Be deutung äußerer Formalien und öffentlichen Beieinander^ für die Bewahrung existentiellen Seins hervorhebt, verhält sie sich ungleich wirklicher als jene Unentwegten, die auf das rein Geflnnungsmäßige das menschliche Zusammenleben zu gründen suchen, und wie sie etwa „Kultur" hart gegen „Zivils Wtion" setzen mögen, so auch „Gemeinschaft" zum prin zipiellen Widerspiel der „Gesellschaft" machen, die sie nun in Bausch und Bogen verdammen. Pleßner leitet seine Ge danken über die seelische Dynamik vorwiegend auf empirisch psychologischem Wege ab, statt ste in einem entscheidenderen j metaM zu unterbauen; indessen tritt darum seine Haltung doch hinreichend begründet hervor. Zu wün schen wäre eine stärkere Betonung der Aussage gewesen, daß die Sphäre der Gesellschaft nur dann zu Recht besteht, wenn eine wirkliche Gemeinschaft sie aus sich hervortreibt, daß sie aber die GemeinM erstickt, wenn sie. Selbständigkeit sich anmaßt und keine Grenzen mehr findet. Von den Begriffen „Gemeinschaft" und „Gesellschaft" rammt auch der katholische Theoretiker der Sozialpolitik Karl Tunk Mann in dem Werk: „Die Kritik der sozialen Vernunft" (Trowitzsch u. Sohn, Berlin) seinen Ausgang. Än Tönnies und die Ethik Schleiermachers anknüpfend, ent wirft er ein System, das die bisherige „mdivivualiftisch- idealistische Geisteskultur" durch eine „sozial-idealistische" zu er setzen sucht. Seine Bemühungen' gelten dem Nachweis/ daß die menschlichen Beziehungen in gemeinschaftlich-uM und gesellschaft^ zerfallen —° beide Arten der Br- Ziehungen bestehen Lei ihm wie bei Pleßner immer zusammen — und alle Aeußerungen unseres Denkens, Fühlens, Handelns entweder auf die soziale Grundform der Gemeinschaft oder die der GesM Zurückzusühren sind. Wie jene zum sozio logischen Fundament der Religion und der Kunst werde, so fei diese die Voraussetzung für Wirtschaft, Recht und Wissen schaft. Die Theorie, die derart sämtliche objektiven Geistes befunde und subjektiven Verhältungsweisen M Phänomene zweier verschieden struktuierter, freilich unzertrennlich zu- sammengehöriM Beziehungswelten auffaßt, empfängt ihre Besonderheit dadurch, daß sie die Gemeinschaft als solche zur letzten metaphysischen Entität erhöht. Tugenden und Laster lassen sich nach ihr nur inbezug auf das „Mysterium" des Ge meinschaftsganzen unterscheiden, das Zur Quelle aller Wirk lichkeiten wird. Religion ist auf Grund dieser Theorie nicht die Bildnerin der Gemeinschaft, sondern lediglich ihre Funktion, ein soziales Phänomen, dessen Entfaltung durchaus abhangt von der Vorgegebenheit der GM selber als unableitbar hingenommen werden muß. Einer solchen das Gemeinschaftsganze verabsolutierenden Lehre entfließt, natur gemäß die praktische Forderung, daß man die Fülle der LebenserschNnungen in den vorhandenen konkreten Gemein schaften verankere, aus denen auch die rein gesellM Bildungen zuletzt ihre Legitimität beziehen. D'e religiösen Vereinigungen also sind nach- Dunkmanns (gegen den Pro testantismus ausfälliger) Formulierung „um des Volkes willen da" und nicht das Volk um ihretwillen, die deutschen Volrsstämme haben ein Recht auf gemeinschaftliche Selbständige keit, wie überhaupt das Ideal des RechLM staat ist, und auch die Koalition der Arbeitnehmer wird sich Zur Vermeidung utopischer Zielsetzungen den Volksaemein- schaften eingliedern müssen, statt wie bisher allein dem gesell schaftlichen Prinzip des Internationalismus zu huldigen. Verteidigt Pleßner in aktueller Stellungnahme d'e gesell schaftlichen Außenforts des sozialen Verbands, so verlegt Tunkmärm in defintim abschlußhafter Weise das meta physische Schwergewicht auf die Gemeinschaft schlechthin, der er den Charakter der Uebedingtheit erteilt. Insoweit er die der soziologischen Betrachtung gesteckten Grenzen nicht über schreitet, wird man fein Verfahren nur billigen können, Es läßt sich in der Tat nicht wohl leugnen, daß die geM GÄ bilde und individuellen Haltungen bis zu einem gewissen Grade davon abhängen, ob die Menschen in dem 60U8SQ8U8 der Gemeinschaft leben oder nur in Meckrationalen Formen miteinander verkehren. Mit der Art ihrer Verbundenheit mag sich auch in mancher Hinsicht die Verfassung ihres Geistes wandeln, und Dunkmann ist durchaus im Recht, wenn er, dem Beispiele bedeutender Vorgänger folgend, die Rückbeziehung aller Denkergebnifse auf das soziale Ganze fordert, von dessen Beschaffenheit die ihre noch zeugen mag. Diese Ableitung hat darum ihren guten Sinn, weil das Geistige nicht im Leeren wurzelt, sondern stets in irgend einem Zusammenhang mit den besonderen sozialen Verhältnissen steht, die es aus sich enLZ lassen. Aber es ist ein anderes, ob man solche Beziehungen berück sichtigt, ohne den: Geiste und den Ereignissen des wirklichen Lebens die Selbständigkeit Zu rauben, oder ob man die Ge meinschaft an sich zur AbsoluLheit erhebt, und ausschließZ lich in ihr sämtliche geistigen Gebilde und Vorkommnisse gründen zu können wähnt. Indem Dunkmann die soziale Kategorie der Gemeinschaft mit der höchsten metaphysischen Würde bekleidet, verleiht er dem soziologischen Aspekt eine Be^ deutung, die ihm nie und nimmer eignet. Statt sich bei der von der Soziologie rechtmäßig zu leistenden Erkenntnis zu be scheiden, daß ein jedes Phänomen auch seine soziale Kom ponente Habs, macht er das Soziale zum alleinigen Er klärungsgrund der Phänomene und erzielt so ein geschlossenes Weltbild, dessen Geschlossenheit aber gerade sein Mangel ist. Am krassesten uä adsuräuru geführt wird dieser sozialogische Naturalismus durch den hoffnungslosen Versuch einer Fnu- Vierung des Religiösen in dem Zum „Mysterium" empor^ gesteigerten Gemeinschaftsganzen. Während in Wirklichkeit das Religiöse sein Recht aus sich selber hat und viel eher die Gemeinschaft sanktioniert, als aus einer vorausgesetzten Ge meinschaft erst entsteht, erniedrigt Dunkmann es Zum Derivat des sozialen Organismus, der von stch aus als Norm und .Wertmesser gar nicht zu dienen vermag. Kaum könnte die Soziologie- ihre Grenze schlimmer verletzen als hier. An einigen der Folgerungen, so der eindeutigen Zuordnung der Religion zur Vollsgesamtheit, erkennt man denn auch spür bar den verhängnisvollen Ansatz des Systems. Am Schlüsse ein kurzer Hinweis auf das kleine, aristreichs Buch Hans Pichlers: „Zur Logik der Gcmein- schaft" (I. C. V. Mohr, Tübingen). Es erstrebt die Kenn zeichnung des Jdeakgefüges einer Welt, in der die Sätze der formalen Logik sich vollkommen zu erfüllen vermögen. "Nach Pichler fordern sie zu ihrer Sättigung entweder das anarchische Gemenge beziehungsloser Elemente, über d'e das Logische despoiisch, verfügen kann, oder die harmonische Gemeinschaft, deren Glieder zu dem Ganzen in Beziehung sieden und dank ihres Sinngehaltes die Ansprüche d-r Logik gleichsam von sich aus befriedigen. D'e Untersuchungen gewähren Einblick in die logisch« Struktur verschiedener Sozialgebilde, ohne daß damit ihre rein theoretische 2lbsicht ins SosiÄoa^che umgebogen würde. Immerhin bezeugen ste, wie wesentlich die Kategorie der Gemeinschaft für das heutige Denken ist.