herr- Wenn gleich das Meer wütete und wallete bei ihm nur noch entweder übrigens, wie der Vergleich mit den älteren Fassungen lehrt, eine aus bewußter Sprachkünstlerschaft geflossene Alliteration — könnten wir uns nicht ohne Bedenken aneignen. Das wären die Punkte, von denen aus die Phantasie des werden. „Ein Brausen vom Himmel" hat Luther scheinung des Pfingstgeistes genannt. Und das „Brüten"? Das hebräische Wort kommt einmal vor, vom Adler, der über seinen Jungen — Rezensenten nach Bahreuth eütflogen ist. Ihr gegenüber werden die Leser dieser Zeilen gilt tun, die Einsicht festzuhalten, daß Alliteration und Reduplikation, Wiederholung also, klangsinn- liche und wortoeistige, zum Nrwesen des menschlichen Sprechens gehört. Eine Einsicht, die sie sich an jedem Kind bestätigen können, sowohl an den Kinderworten, die dem Lernen der Er wachsenensprache vorausgehen, als an dem Lernen dieser Sprache selbst. Wiederholung ist ein tiefes Bedürfnis der menschlichen Natur, das Verlangen nach Abwechslung kommt erst als Folge. In den Sprachen äußert sich das so, daß in einem gewissen Stadium es ein Gesetz des guten Stils wird, den Ausdruck zu differenzieren. Dann verschwindet freilich die echte sinnliche Differenzierung, die sich in die Anschauung dieses und grade dieses Vorgangs so vertieft, daß sie ihn gar nicht anders mehr beschreiben kann, als daß sie mit dem Hebräer, oder auch mit dem Griechen, „Wolken wölkt"; dafür entsteht die Eleganz der stilistischen Differenzierung, die mit dem Lateiner, der auch als Kirchenvater die literarische Abkunft von Cicero nicht verleugnet, „Wolken führt". Auch im Hebräischen selber ist nach der biblischen Zeit die Vertiefung und Verstärkung eines Verbums durch den beigesetzten Infini tiv des gleichen Verbums, die unsere Uebersetzung nachzu- bilden oder wenigstens anzudeuten sucht, bis auf Spuren er loschen. Luther ist hier dem lateinischen Text gefolgt, wie so oft. Sein Schüler Mathesius schildert ihn als Vorsitzenden seines Bibel-„Consistoriums", also zu der Zeit, als seine hebräischen Kenntnisse auf ihren Höhepunkt gekommen waren, ,M;t seinen alten lateinischen und seinen neuen teutschen Bi- blien. dabei er auch stetigs den hebräischen Text hatte". Dieses „dabei" der Entstehung, so in seiner negativen wie in seiner positiven Wirkung, spiegelt der uns klassische Wortlaut seiner Uebersetzung in jedem Vers. „Weihbuhle" sei ein „restaurierender" Ausdruck. Wir wissen nicht, was damit restauriert worden sein soll; aber wir wissen, daß die uns zur Auswahl gestellten Termini „Hure" und „Bei schläferin" dem Text in keiner Weise gerecht werden. Das Wort stckesastu kommt von stuüosast, „heilig, geweiht"; es bezeichnet demgemäß eine „Geweihte", nämlich eine in einem der heidnischen Kulte, insbesondere dem der Astarte, sich Prostituierende, eine Hierodule (so übersetzen es denn auch zu meist die modernen Theologen, die zum Unterschied von uns sich Fremdwörter erlauben dürfen). An der Genesis-Stelle wird es euphemistisch für „Hure" gebraucht. Juda hält Tamar „für eine Buhldirne": sonn; aber sein Abgesandter vermeidet das vulgäre Wort und fragt: „Wo ist jene Weihbuhle von Zweibrunn am Weg": LäeseLa. Luther übersetzt beides mit „Hure". Die wilde Schlachtstatt verdrängte den „zahmen" Altar, weil suboaeli schlachten heißt und infolgedessen ml-sbeuaft Schlachtstatt. Altar führt heute in falsche Richtung. Man denk' So haben wir bei der Erschaffung des Menschen, wo Luthers „herrschen" den Sinn verschiebt, sinngemäß „sie sollen walten" übersetzt.) Wo Luther „Brandopfer opfern" sagt, steht im Hebräischen — Iru-uIotL olotft — nichts von Brand und nichts von Opfer, sondern nur: Höhungen Höhen. Wir haben statt Höhung das verdeutlichende „Hochgabe" zu setzen gewagt. Hochopfer war nicht angängig, weil das Wort Opfer in unsrer Sprache einen unüberhörbaren Beiklang von Preisgabe und Entäußerung angenommen hat, der dem hebräischen Irordan (Nahbringung, Darbringung) ganz fern liegt. Luthers „Brandopfer" ist nicht aus dem Hebräischen, sondern aus dem Griechisch-Lateinischen übersetzt. Aus dem Lateinischen stammt auch Luthers Uebersetzung des „funktionalen" Plurals toldotli durch den „Ontologischen" Singular Geschlecht. Unser „Zeugungen" ist also durchaus nicht, wie der Rezensent meint, eine unfreiwillige Funktionali- sierung, sondern eine höchst freiwillige, nämlich entstanden aus dem, was nun einmal hebräisch dasteht. Gleichfalls aus der Vulg-ata stammen Luthers „Tore seiner Feinde". Im Hebräischen steht: Tor seiner Hasser. Daß wir „Hochtor" sagen, geschieht, weil nicht ein beliebiges Tor ge meint ist, sondern das Tor. an dem Rat, Markt und Gericht ge halten wird — eine Bezeichnung, die in dem türkischen knpn, Pforte, was man in Europa sich auch meist als Hohe Pforte verdeutlichte, noch bis in die Gegenwart hineinragt. Der „Ruch", der den Rezensenten stört, stammt von keinem andern als Luther selber, der sogar mit einer — anscheinend- den Runen, „wie sie Richard Wagner begriff", entnommenen — Alliteration schreibt: „wie ein Rauch und Ruch des vori gen Opfers". Aber warum „der Befriedung"? Weil „der lieb liche Geruch" wohl in der Jlias (8, 549 f.), aber nicht in der Bibel steht. Und „roch den Ruch"? Auf Hebräisch: Nicht ebenso schnell ist die Hauptstelle der Beweisführung zu erledigen. Luthers „der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser" erscheint dem Rezensenten endgültig. Luther selbst war dessen nicht ebenso sicher; sonst hätten wir wohl nicht die Variante: „der Wind Gottes schwebet auf dem Wasser". Das Wort ruuaft, das er so verschieden wiedergibt, kommt, wie Gunkel treffend bemerkt, nur dieses eine Mal in dem Sinn vor, den es in diesem Vers hat. Nämlich in der elementaren Fülle seines Sinns, der sich überall sonst in „Wind" (so Gen. 3, 8), „Hauch" oder „Atem" (so Gen. 6, 17)) und „Geist" auseinan- derlegt; dieses eine Mal ist das Urwort gemeint, das all dies in sich besaßt. Fast dieselbe Vieldeutigkeit hat das griechische Meurau und das lateinische Spiritus. Aber auch das deutsche „Geist" hatte sie noch zu Luthers Zeit. Darum kann er das Heer des Himmels von Gott „durch den Geist seines Munds" gemacht sein lassen. Weil Luther und seine mitlebende Luthers „Solltest du unser König werden und über uns schen?" heißt hebräisch: Lu-muloelr ti-mloek aleQn? iiu ruusaliol ti-Wsekol dann? infolgedessen bei uns: König wärst wohl gern, bei uns du König? oder Walter du, über uns Walter? die leis vibrierenden Flügel breitet oder aber brütet. Dem Sinn des Genesis-Satzes, dem Schweben über dem Ungewor- denen, steht „brüten" ungleich näher. Das Bild des Vogels überm Nest ist noch geblieben, wo der Talmud die Stelle er örtert; das „Brüten" (kotus) für den ersten Schöpfungsakt hat noch Augustin erhalten; aber in der Dichtung, auf deren Gipfeln die großen Gleichnisse ihr Leben bewahren, reicht es, in Goethes hinreißend alliterativen Versen, an unser Zeit alter: „Wenn über werdend wachsendem Vorher Der Vatersinn mit Wonne brütend schwebte". Der Braus ist aber doch wohl Bewegung, und brüten ist doch wohl Stillestehn — wo geht das zusammen? Eben hier! Hier und nur hier ist beides in einem; denn der Braus ist allüber den Wassern: die hebräische Wendung in ihrer Knappheit bedeutet: über der ganzen Wasserfläche. Daß sich mit den beiden endlich gefundenen Wörtern auch die Alliteration der beiden Wurzeln miuest und ruestek ergab, war ein Geschenk, das uns in den Schoß siel. Während wir sonst eher Mühe hatten, Zufallsalliterationen, die vom Text nicht gefordert waren, zu vermeiden. Luthers an sich herrliches („Herrscher"- wäre falsch, denn mit demselben Wort wird Josef nach der Wiederfindung von den Brüdern bezeichnet, wo „Herrscher" zu viel wäre, wie Luthers „ein Herr" zu wenig ist. *) Unsere Ansichten darüber findet der Leser, der sich dafür interessiert, in Heft 7 der Zeitschrift „Der Morgen" und in dem Waschzettel zum Buch Im Anfang „Die Schrift und das Wort", der demnächst im 1. Heft der neuen Zeitschrift „Die Kreatur" gedruckt wird, sowie in einem das Verhältnis zur Lutherbiöel behandelnden Aufsatz, der gleichfalls zuvor als Waschzettel dem II. Band des Bibelwerks beigegeben und dann veröffentlicht wird. Leserschaft die Sinnlichkeit dieses Ausdrucks noch inne hatten, glaubte er auch am Anfang der Schöpfung sein allzu ein deutiges „Wind" durch das damals noch vieldeutige „Geist" ersetzen zu dürfen. Aber doch eben ohne Endgültigkeitsgefühl, ja ohne folgerichtiges Beharren. Denn Johannes 3, wo er erst wie schon Meister Eckhart (bedenklich wagnerisch!) übertrug: „Der Geist geistet, wo er will", schrieb er dann: „Der Wind bläset, wo er will", so daß nun das Wort pneumu einmal durch Wind, vorher und nachher durch Geist („daß jemand ge boren werde aus Wasser und Geist") wiedergegeben wird, ob wohl das gleiche — eben jenes Urwort — gleichmäßig ge meint ist: „Du hörest sein Sausen wohl", das in sich nicht vom „Wind", sondern eben von runaft gesagt — von dem Wort also, das in sich noch Geist und Natur umschließt. Kein Ding der geschaffenen Welt kann dem heutigen Uebersetzer zur Ver deutschung dieses raunst dienen, nur dieses sein Sausen oder Brausen („Gottes brausender Atemzug"), substantivisch ge- Von Martin Buber und Franz Mosenzweig. Ich habe immer gefunden, daß es gut sei, etwas zu wissen. Goethe zu Eckermann. Ohne auf die metaphhsisch-sozialwM Gedanken der Rezension unserer Genesis-Uebersetzung (Erstes Morgen blatt vom 27. und 28. April) eingehen zu wollen^), glauben wir doch, im Interesse der Leser dieses Blattes die Punkte hier besprechen zu sollen, in denen der Rezensent seine all gemeine These an der Sprache der Übersetzung zu bewahr heiten sucht. Wenn sich dabei herausstellen sollte, daß dieser Ve- weisversuch Punkt für Punkt mißglückt ist, so wäre damit gegen die Richtigkeit jener allgemeinen These von der Stummheit der Bibel in „unserer Zeit" noch nichts entschieden; nur die Beziehung, die der Rezensent ihr hier auf das Uebersetzungs- werk zu geben versucht, fiele in sich zusammen. Daß wir die These selbst für irrig und verderblich halten, wünschen wir nicht im Zusammenhang mit seinem Angriff auszuführen. Wir beschränken uns streng auf die von dem Rezensenten ausgewählten Beispiele. Er scheint sie so ausgewählt zu haben, daß wenigstens bei einem Teil die einfache Anführung des hebräischen Wortlautsx genügt, um auch Nichtkennern des Hebräischen die Haltlosigkeit des- Angriffs aufzuzeigen. Luthers „Wolken ^führen" heißt hebräisch: unnLn unav, infö l g e o e s s e n An uns: Wolken Wolken. LutheM „schlach ten" heißt an der gemeinten Stelle hebräisch: tudoueli tsduaft, infolgedessen bei uns: Schlachtvieh schlachten. faßt; nur so kann jene Einheit von Wind und Atem und Geist in eine Sprache, die sie nicht mehr kennt, herübergerettet die Er-