Lichtreklame. ^e« Paris, im Januar. Die Lichtreklame geht an einem Himmel auf, in dem es keine Engel mehr gibt aber auch nicht nur Geschäft. Sie schietzt über die Wirtschaft hinaus, und was als Reklame gemeint ist, wird zur Illumination. Das kommt davon, wenn die Kaufleute sich mit LichtefsekLen einlassen. Licht bleibt Licht, und strahlt es gar in allen Farben, so bricht es erst recht aus den Bahnen, die ihm von seinen Auftraggebern vorgezeichnet worden sind. Bunte Lettern, die weiße Wäsche ankündigen sollen, sind nicht ganz bei der Sache, selbst wenn sie fünf Stockwerke bedecken. Die Zustän digkeit des Propagandachefs ist im Reich der Glühbirnen begrenzt, und die Signale, die er erteilt, wandeln unter der Hand ihren Sinn. So erzeugt das Nebeneinander der Läden ein Licht gewimmel, dessen gleißende Unordnung nicht rein die terrestrische ist. Man kann in diesem Gewimmel nach Zeichen und Schritten erkennen^ doch Zeichen und Schriften sind hier ihren praktischen Zwecken enthoben, das Eingehen in die Buntheit hat sie Zu Glanzfragmenten zerstückelt, die sich nach anderen Gesetzen als den gewohnten Zusammenfügen. Der Reklamesprühregen, den das Wirtschaftsleben ausschüttet, wird zu Sternbildern an einem frem den Himmel. Große Kindersterne entzünden sich übereinander, weiße und gelbe, bis in die Milchstraße hinein. Sie verschwinden, und ein Springbrunnen steigt an ihrer Stelle in die Höhe. Er verschwin det, und ein Helles Zittern entsteht, und aus dem Zittern bildet sich eine vieMedrige Figur, der Firmenname, in senkrechter Richtung zu lesen. Von Spinnfäden überzogen, harrt er für kurze Weile und verschwindet. Der Eiffelturm. Man muß ihn von dem Concorde-Platz aus sehen, der an das Meer bei Capri erinnert, auf dem die Laternen der Fischerboote sich nachts mit den Gestirnen vermischen. Zwischen seinen zahl losen Lichtpunkten, die fest vor Anker liegen, bewegen sich zahllose andere, Autoschwärme kreuzen unaufhörlich das Riesenbassin. Immer wieder werden aus ihm die weißen und gelben Sterne sie gleichen den OrdensdNovationen halbzivilisierter Docker —, die Springfontünen und die Buchstabenwesen geboren; ein gewaltiges! Festtransparent, das jeder astronomischen Erfahrung widerspricht. Unter seiner Vorhut erglüht in weitem Umkreis, in einem Dunst raum, den Häuser und Straßen kaum noch bestimmen, die Pariser Lichtreklame. Ihre Muster sind so gentil wie die Umgangsformen hierzu- land. Fast wie eine direkte Bewegung; geschwungene Linien über wiegen, weiche Kurven, beinahe jugendstilhaft. Man will an preisen, gewiß, man läßt die Birnen und Röhren stammen, um zu entflammen, aber es gibt eine Konvention, ein vererbtes und Erzogenes Gefühl für das Wie der Mitteilung. Aus diesem Ge ¬ fühl heraus wird auch das Lila häufig eingewoben. Es mildert die grelle Nöte, es begleitet gern grüne Strähnen und gefällt sich nicht selten auf sanfte Weise allein. Seine Aufgabe ist weiblich vermittelnd, ein Charme geht von ihm aus wie von Veilchen, j Mit solchem Lila umflicht man vorerst noch die Härten der amerikanischen Geschäftsmethoden wo sie sich einzudrängen suchen. Der Schick herrscht auf Erden und am Himmel der Reklame. * Geronnenes Feuerwerk und in Fluß geratenes Ornament: so glüht die Lichtreklame über den großen Boulevards. Ein Farbendschungel, es brüllt aus den Wipfeln, und bläuliche Schlangen schnellen hervor, die Nachlauf spielen. Sie gleiten durch Perlenschnüre und Granatketten, die in unerreichbarer Höhe aufgehängt sind. Eine Krone glitzert, unter der eine Tau Schleppe sich breitet; auch die alten Prunkstücke werden bewahrt. Als Wegweiser sind Pfeile eingesetzt, geschweifte und gefiederte, aber sie zeigen nach allen Richtungen und sollen vielleicht nur irreführen. Um durch diesen Märchenwald zu dringen, bedarf es des glücklichen Griffs. Namen stehen und liegen in der funkelnden Wildnis. Große und kleine, schmale und breite; man muß sich an ihnen empor winden wie an Strickleitern oder unter Lebensgefahr von Buch staben Zu Buchstaben Hüpfen. Die Verschiedenheit ihrer Dimen sionen treibt ihnen die Bedeutung aus; erhalten bleiben die ein zelnen Züge der Wortbilder. Das 0 -läuft dreifach gekoppelt um, und ruhmsüchtig pflanzt sich das .dl auf die Dunkelheit. Die Elemente der bekannten Sprache sind zu Kompositionen vereinigt, deren Sinn sich nicht mehr entziffern läßt. Die Unbeständigkeit ist ihr Wesenszug. Sie zucken hastig und unterbrechen sich, Flächen verschwimmen. Stets wieder werden die Manifestationen zurückgenommen, als sei schon zu viel gesagt. Wo unten Uhren ticken, dort zergehen oben die Rondelle, und die Gloriolen über den Abendroben sind ein verregneter Film. Hier kann man nicht wie auf den Boulevards flanieren, denn die Figuren stieben alle Augenblicke davon, und in ihren Vexier- spielen kennt niemand sich aus. Zuletzt wäre man unter dem fremden Himmel verlassen. Nur die geometrischen Gebilde glimmen götzenhaft Zur Seite des Wegs: Knise, Quadrate und Wellen. Auf einem Bartisch deß Arbeiterviertels Grenelle Hocken drei Granrmophone, die ihre Schalltrichter nach dem Eingang zu öffnen. Ihre Schlünde sind mit Glühbirnen besetzt, und während es aus den Kästen aröblt, wird Der Lichtspeichel in den Höhlungen rundum gequirlt. Die Uebereinstimmung von Geknatter und bunten Reflexen könnte nicht vollkommener sein. Ein einziger solcher Schalltrichter ist die rue Bigalle, jene große Freudenstraße des Montmartre, auf der die Ameri-^ kaner billige Sensationen teucr bezahlen. Hier herrscht Hausse in Rausch und Begierden» Da sie ohne Konturen sind, lassen sie sich leichter in die Sprache der künstlichen Lichter übersetzen als die Krawatten und Schirme. So gewiß der Farbentaumel nicht nur die Lockerheit des Animalischen meint, er antwortet ihr doch. Namen und Bedeutungen werden durch ihn aufgelöst; die selber aufgelöste Lust findet in den grellen Koloraturen sich wieder. Der bunte Glanz, der jede faßliche Geschlossenheit zerlegt, be stätigt die fragmentarische Natur des abenteuernden Dranges. Die Lichtreklamen dieses Viertels sind mechanische Feuers brünste, die vor käuflicher Sinnlichkeit zittern. Bengalische Diagonalen, die unter einem Baldachin sich kreuzen, Zielen ein deutig auf die Miste hin, der alles hier zuströmt, und das Mühlenrad von „l^loulin rouge", das da droben geht, mahlt kein Korn. Rot regiert; es ist an feinern Ort. Man glaubt das Kreischen der leuchtenden Murmeln zu hören, die sich aneinander wetzen; sie rollen unaufhörlich um eine Affiche, deren süßer Glanz nach dem Mischers der Straßenhändler schmeckst Mitten im Similischmuck schwebt ein Kirchenfenster, farbige Wonnen in engem Kreis; gebetet dahinter wird nicht. Das Gestammel isst so aufdringlich, daß es den Himmel verschleiert. Von oben blickt lächelnd ein Kinderkopf herab, der sich gewaschen hat. Mit einer empfehlenswerten Seife. Von Strahlen durchbohrt, wä^zt sich die Menschen Masse immer neu in das Glutgebiet. Aber weder wird sie mit den Ornamenten umgetrieben, noch verweilt sie in der prangenden Absurdität des festgebannten Feuerwerks. Unangefochten zieht !sie weiter. Währcnd sie, angetan mit Uhren, Stöcken, Krawatten, sich voranschiebt, versprüht ihr Besitz über ihr in Schriften und Zeichen, die vor einem fremden Himmel auftauchen und in ihm am Ende verschwinden. An rKtckSrr uuÄ Moi'AGiL. Lins Llonsttsnfoiss. Osnt8sk VON MolfMn.a L. Oros- Uras. lM. ZZS Seiten. 6eb. c/t S.ZS. Di6L6 ZnmmluuK junger ru8LiLedsr lütsratur ver- aimKt n-srtvollo mit äuredsedrüttliedsn ^.rboitsn, ?u äsrsn IIsdorZstLuns eiMutlied koln ^nlaü dsstanäsn ULtts; oder äsr UorLusMdsr Uomon Oul lioü sied, visÜmedt mit Usedt, dsi ^us^adl aued von äom Ltokk dobtimmen. In äsr lat ist doi ^Verkon, die ons Uuülanck kommen, cios rein stoküieds Interesse deute noed begründet. Nun moedte doren. nie es ge- ^esen ist, vüe von Uussen, selber die Uevolutionser- eiLmisse und das neue Ue^ims beurteilt werden. Die Autoren der KnmmlunK sind Zumeist OreMMr, einer von idnsn bot die Revolution nuk der Leite der ^ei- üen mitMmaedt. In idren RrLädlunMu tritt die nolitisede Rarteinadme dinier der msnsedlied betei ligten Vorstellung der vinLelMsedednisse rurüek, und es Lei^t sied, dost oued in Lo^iet-RuAnnd üoed Nenseden leben und niedt nur Rropo^andisten, vde man es sied monederorts in Westeuropa, vorLustellen beliebt, stark ist die Novelle: „Lins so einkoede Lnede" von Boris vL^vrenjo^, in der ein kom- munistiseder 8mt^el von den Weiüen überküdrt und ersedossen vürd; die versediedenen Le^rEs über Beben und Oereedti^keit entviekeln sied dier nadeln nlaka,tdakt in einer dramatised ZmMspit^ten vialsk- tik. Ledla^end aued die grausame Bsedeka-^ ovelle von ^v^ust I avmtsed, die den Bxekutivbenmten bei der Blutarbeit vorküdrt und das Vemised von Bad. Biliedt und Bkel über sied selbst analysiert, aus dem er Zuletzt bestedt. In einer anderen ve- sediedte, deren Haltung an die jüngst ersedienenen Novellen. Alexandra Lollontavs erinnert, ersediebt sied eine „Oenossin", die das unLärtlieds Llima des ökkentlieden Bebens niedt erträgt und über idre 8ehu- suedt naed einem „spieüiMn" Beim ver^eikolt. vv ie- i der eine andere LkirM vm-MKennärti^t die Linnlosig- ! keit und ^ukälli^keit des Binrelsedieksals ^vädrsnd des Bürgerkriegs, weitere dlamen und Angaben er übrigen sied; Senug, daL die grollen gssediedtlieden Vorgänge sied dier von allen menseddeden Zediedten ergrilken und gesviegelt linden, und ein Batsaeden- material unterbreitet ^vird. das, mag es aued erkun den sein, manedes streikender sedildert als ^ktenbe- riedte. vie Ltilmittel der jungen Autoren sind aus der Bradition gesedöplt und 2uni Bntsrsedied von Bja Bdrenburg (der in der Zammlung niedt vertreten ist) vill eine alte ü^eednik sied der neuen Oedalte be- mäedtigen. 2um Olüek v^aren die Vorbilder »gut. ^ber aul die Dauer ^vird es damit niedt getan sein, denn an dem revolutionären Gegenstand allein ist in der Biteratur niedts gelegen. Braeausr.