Hotel Stadt Lemberg. Hauswand, die durch die Blumen nicht sonniger Arbeiterstädten deZ deutschen Industriegebiets rnca. blumen an einer wird. Auch in den macht sich häufig ein Mischmasch aus Schlupfwinkeln und Kasernen breit, der von beachtenswerter Widrigkeit ist. Doch bleibt diesen Massenstationen, die das Werk der Zufälle und Spekulanten sind, die Hoffnung nicht fern. Ueber ihnen raucht es von Fabrikschloten und in ihnen geschieht etwas. Die Barbarei hat die Kraft zum Protest, den Willen zu ihrer Verwandlung. Malakoff kennt die drohende Gest-e nicht, Malakoff ist der Verzicht. In seinem Elend, das nichts mehr mag, läßt es sich gehen, und fügt zur Häßlichkeit die unnütze Spielerei. So streichen manche durch die Tapetenmuster ihrer Zimmer und wissen doch, daß es einen Ausweg nicht gibt. Zwischen Zwei Häusern, die nichts miteinander Zu schaffen haben, schwingt ein hölzerner Verbindungssteg durch die Lüste Schnörkel rasen über den Putz, die bei ihrer Geburt bereits überflüssig waren. Die Unstnnigkeit der Fensterspalten, deren viele ihre Räume nicht finden, wird durch die der Mauern üöertroffen, die sich allenthalben verlaufen. Was sie begrenzen, läßt sich wohl nie- ckals enträtseln. Sie sind launenhaft und senil und stocken mitunter plötzlich, als seien sie selber davon überzeugt, daß die Anstrengung sich nicht lohnt. Verschanzt sich wirklich einmal etwas hinter ihnen, so ist es eine zerbröckelte Remise oder eine geringe Baracke, deren Zuschnitt verjährten Vorlagen für Baugewerkschulen entstammt. Allerdings, es kann sich ereignen (was in Deutschland unmöglich wäre), daß aus dieser geringen Baracke ein Dämchen in weißem Pelzbesatz fliegt, ein Dämchen von Linie und Schick, der Mantel bei Printemps gekauft. Das Verhältnis Malakoffs zur sprießenden Natur ist von Grund auf verpfuscht. Aus Wohnungsnot offenbar, und um sich zu entrinnen, hat die Stadt versucht, sich auf dem Grüngürtel zu entfalten, der sie von Paris trennt. Man wollte lieblich werden, eine Art von Laubenkolonie, sie ist danach. Der bekannte Zyklon in amerikanischs« WlmMotesken hätte mit den Wohnwagen, den vorne kleben Affichen. Die Fronten der großen Boulevards und Avenuen sind in einem Zuge hingestrichen, hier dagegen ist man Zu müde, um nur neben sich zu blicken. Am üppigsten hat die Phan tasie mit dem Backstein geschaltet. Auf seine Leuchtkraft vertraut die Mairie, ein lecker abgeriebener Kasten, mit dem verglichen die Zuchthäuser Manien sind. Er befindet sich nicht an einer Haupt verkehrsader, sondern ist in einer Ecke aufgeschlagen, um die Leute herbeizulöcken. Gitterstäbe mit gußeiWnen Pfeilspitzen verhindern die Sekretäre am Ausbrechen, und ein unfreundlich zugefeiltes Uhr werk am Giebel bewacht die Zeit. Gegenüber funkeln Sonnen- abgetakelten Karossen und den übrigen Holztrümmörn leichte Arbeit. Die Vertikale ist in dieser veralteten naturalistischen Kleckserei verpönt Bei ihrer Improvisation hm das Blech viel fältig mitgewirkt, auch die Bäume sind aus ihm gewickelt, man sieht die eingestanZLen Löcher und wenn das Blech nicht gelangt hat, so hören sie auf. Unbeschädigt gewachsen ist nur der Telegmphen- mast, ein schöner Holzstamm, der über das Gerümpel ragt. Wo sich das Altmaterial am dichtesten häuft, ist ein Schild mit der Auf schrift: „vanoinA" angebracht. Ein verhutzelter Stall, der eine Eonfiserie zu bergen vorgibt und am Sonntag der Lustigkeit dient. Vor der Dachpappe klappert ein Weib mit den Holzsandalen, der rosa Trikot wölbt sich enorm. Im Umkreis erheben sich zur Verzierung nackte schwarze Gerüste. Sie füllen Zwischenräume aus und bilden Filigranmuster vor dem Himrüel. Wird m Malakoff gebaut? Es wird gebaut; -aber auf eine Weise, die den herkömmlichen Begriffen widerstreitet. Das Bauen nämlich ist hier keine Tätigkeit, es ist ihre Unterlassung. Zu irgend einer Zeit haben enLschlußfähige Menschen in Malakoff Würfel aus Ziege-steinen bis zu halber Höhe getürmt, herrliche Würfel mit vier Kanten und Oeffnungen, die aus Mangel an Baustoffen eingeschaltet worden sind. Dann muß ihnen der Kredit ausgeblieben und die Luft vergangen sein, die Atmosphäre hat sie vielleicht bedrückt, kurz, die Würfel stehen einsam und ausgehöhlt auf den Feldern, sie sind sehr rot und es Zieht durch sie hindurch. Das Rennen hat ein kolossaler Rohbau gewonnen, er ist eine soeben fertig gestellte Schloßruine, in der es von Höfen, Kapellen-- fenstern und Portalen wimmelt. Eine Zerronnene Seifenblase Malakoffs, die Bestimmung des Projekts wird ewig unbekannt bleiben. Oben ist es von Betonstürzen abgeschlossen, aus denen die Drähte hängen. Sie werden eines Tages zu Spiralen gerollt in der Laubenkolonie wiederkehren. Zollhäuschen, Rasenstreifen und Eisenbahndamme nur scheiden Malakoff von dem eigentlichen Paris. Es ist eine Alpdruckvision, es bietet hier die Schale der Schalen, die den Kern ums-chnürt und keinen Schimmer nach außen dringen läßt. Dem Verzweifelten mag eine Fata Morgana erscheinen, der für immer Ausgeschlossene, der nicht mehr weinen kann, hat die Bruchstücke der Dinge in monströsen Kurven vor Augen. Das Paris, das bei Malakoff auf- taucht, ist eine gra^e Masse von MieLshausblöcken, die unendlich lang sind und viel zu schmal — als hätten die Richtungen sich in einem Riesenhohlspiegel verschoben. Zinnchen und Scheinkuppeln thronen auf den Dächern, und ein winziger Aussichtsturm, der nicht zu besteigen ist, windet sich über der Gegend. - 1,8. ville äs Bon Naea. Paris, Anfang Jannar. Im Süden von Paris, gleich an seinem Rand, liegt Mala- koff- eine Proletariervorstadt, die ein Kehrichthaufen ist. Daß die Abfälle von Paris sich hier ihr Stelldichein geben, wäre das Schlimmste nicht; Absälle sind bunt, sie können das vollendete Ge bilde überstrahlen. Aber diese Müllgrube von einem Ort ist der Ver- aessenheit preisgegeben. Kein Blick ruht auf ihr, nichts verbindet sie mit dem Glanz der Welt, die sie ausgestoßen hat. Umsonst möchten einige Auto-Garagen und evva eine Weinhandlung den Anschein kommerzieller Unternehmungen erwecken — der Betrieb, der Leben heißt, hat Malakoff den Risiken gekehrt, und nun fristet es das Dasein jener Zahllosen Pariser Hinterhöfe, auf die nur blinde Abortfenster starren. Menschen, die der Melancholie erlegen find, sinken aus dem erfüllten Raum in eine Leere von unbestimmbaren Dimensionen. Da sie sich den Zusammenhängen der Oberfläche und der Wirklich keit entzogen haben, stehen die Erinnerungen in ihnen beziehungs los neben dem Gegenwärtigen, und aus der Perspektive der Schwermut entstellt sich ihnen die Welt. Malakoff ist von der Ver lassenheit gezeichnet. Es ist keine Stadt, sondern ein Komplex, eine Ansammlung von Stücken und Teilen, die der gemeinsamen Absicht entraten. Sie sind ein Rinnsal verschrobener Erscheinungen, aus dem Trübsinn geflossen und lungern in lasier Vereinzelung umher. Vor Zeiten muß es hier ländlich zugegangen sein. Fragmente von Bauernhäuschen sind übrig geblieben, auch ein Herrschafts gebäude mit Freitreppe hat sich im Ausschnitt erhalten. Gewiß wären dre Reste längst erledigt, hätte nicht die Apathie der Ver- lorenheit sie vor dem Untergang bewahrt. Sie blinken wie em ruiniertes Kinderspielzeug im Schutt, ganz still, denn wenn sie sich regten, zerfielen sie ganz. Trotz dieser Viertelsidhllen ist Malakoff eine richtige Stadt. Es besteht aus verschiedenen graben Straßen, die sich nach Diderot und Voltaire nennen, aber freilich ein Pflaster von durchaus un aufgeklärter HolpriMt besitzen. Immerhin ermöglicht es die Bil dung von Pfützen, in denen sich etliche Zillekinder schon von früh auf das Lokalkolorit aneignen können. Die Häuser, zu denen sie gehören, scheinen bei den Klängen eines Orchestrions gezeugt. Nicht eines ist so hoch wie das andere, es rattert hörbar aus ihnen, -- Der mlm ist gut. Er rollt (nach dem Roman von Ludwig Brro) eme Episode aus den Anfängen des Weltkrieges aus, mit AEichrschem und russischem Militär, so viel Krieg mochte man mehr sehen. Die Oesterrcicher siegen zuletzt. Doch nrcht darum rst der Film gut. Ss^st^i^bichliet, ist die Dachellung der östlich-n der eingesetzten Typen, die Verbild - lrchung des Wechsels von Siegern und Besiegten. Mit einer Regie Msi. die auch um die Uebergänge weiß und immer die richtiges Assoziationen triM hat Maurice Stiller diese Welt dicht ac- fugt. Russen und Oesterreich«! reiten in Teilausschnilren, die ihre Massen ahnen lassen, durch das Städtchen und wieder davon Ver schwommene Bruchstücke von der Front, die hinter den SchEitelu Eauchen smd zulänglicher als die oft versuchten ausführlichen Schlachtmalereren, die unmöglich sind. Auch die nächtliche' Reiter-' sZene gleich zu Beginn läßt der Phantasie den notwendigen Spiel raum Überhaupt hat die Regie das Maß des zu Zeigenden sicher avgefchatzt und die Proportionen der Bildstreifen genau erwogen. Dre Handlung baut sich um Pola Negri auf, die "als Stubenmädchen im Hotel Stadt Lemberg amtiert Das Hotel muß schon vor dem Krieg viel erlebt haben, seine verdächtige Weib räurmgkeit und sein angeborenes schnuddeliges Wesen glaubt marr rhm aufs Wort. Schwarz und schön, ein Land- madchen von natürlicher Bildung, hält Pola Negri in den chr anvertrauten Räumen treu an Oesterreich fest. Es ^icht gemacht, den zilrückgebliebenen öster- rerchrschen Ofnzrer Zu schützen, da die Russen, wundervoll gc- lungene Rusten, wie man sie in Wirklichkeit kaum noch sieht, säuU> Lrche Rchen durchdrmgem Der russische General George Siea^ Manns, der so gut nach dem Leben gestaltet ist, daß das Leben wreder als Modell benutzen könnte, will sich das Stubenmädchen selbstveritondlrch. gefügig machen. Wie sie sich seinen Pranken stets von neuem entzieht, wie-'sie, von Festkleidern umhüllt, als Dame dre Treppe herunterschreitet, eine Dame, ohne es zu wissen — in dresen schwierigen Situationen entfaltet Pola Negri olle Seiten Ker Darstellungskunst. Andere Spieler sind ihr ebenbürtig Mit schreckllrcher Abgefeimtheit schleicht Michael Vav lisch M russischer Lpion durch das Stück. Vergessen wir auch nickn den Portrer Max Davidsohns, dieses kleine, rührende jüdische Männchen, das so menschlich ist und so verängstigt die Hände über dem Kopf Zusammenschlägt. Erst am Schluß darf es jubeln, wenn me Oesterreicher in das Städtchen einziehen und nach dem Dank gottesdienst die Heldin mit ihrem geretteten Offizier große Ehren gepreßt. Dieses Prunkfinale ist technisch einwandfrei bewältigt und lost eine starke Wirkung aus. -Der Film läuft in den N f a - Z ichtspieleu.