rennen, ist kein Einwand wider die Ähnlichkeit der Photo graphie. Sie haben Grund, nicht zu wissen, wie sie aussehen, und wenn sie etwas als unwahr bezeichnen, ist es nur um so wahrer. Auch in solchen Filmen noch, die in die Vergangen - heit schweifen, gibt sich die heutige Umwelt zu erkennen. Sie kann sich schon darum nicht immer betrachten, weil sie sich nicht von alten Seiten betrachten darf; die Möglichkeiten un- anstößiger Selbstdarstellungen sind begrenzt, während das Ver langen nach Stoffen unersättlich ist. Die vielen historischen Filme, die nur das Gewesene illustrieren (nicht etwa wie der Potemkin-Film die Gegenwart in historischem Gewand) sind ihrer eigentlichen Bestimmung nach Blendungsversuche. Da die Verbildlichung von Zeitereignissen stets Gefahr läuft, die leicht erregbare Menge gegen mächtige Institutionen einzu- nehmen, die in der Tat oft nicht einnehmend find, richtet man! die Kamera lieber auf das Mittelalter, an dem das Publikum' sich unbeschädigt erbauen mag. Je weiter zurück die Handlung^ liegt, desto tollkühner werden die Filmleute. Sie wagen es,! Revolutionen in historischen Kostümen zum Sieg zu Vorhafen, ! um die modernen vergessen zu machen, und befriedigen gerne das theoretische Gerechtigkeitsgefühl durch die Verfilmung längst verschollener FreiheitZkämpfe. Douglas Fairbanks, der ritterliche Gönner der Unterdrückten^ zieht in früherm Hunderten gegen eine Gewaltherrschaft zu Feld, deren Fort dauer heute keinem Amerikaner mehr nützt. Der Mut der Filme verringert sich direkt proportional mit dem Quadrat der An näherung an die Gegenwart. Die geschätzten Szenen aus dem Weltkrieg sind keine Flucht ins Jenseits der Geschichte, sondern die unmittelbare Willenskundgäbe der Gesellschaft. Daß sie sich in den Filmen reiner als in Theater stücken spiegelt, erklärt sich schon allein aus der größeren An zahl der Vexmittlungsglieder, die zwischen dem Dramatiker und dem Kapital eingeschaltet sind. Nicht nur jenem, auch den Intendanten wird es so scheinen, als sei man von diesem unabhängig, als könne man zeit- und klassenlose Kunstwerke produzieren. Man kann es nicht, aber immerhin mt- stehen Gebilde, deren soziale Bedingtheit schwerer zu durch schauen ist als die von Filmen, die der Konzern-Direktor in Person überwacht. Vor allem die der intellektuellen (Ber liner) Bourgeoisie gewidmeten Lust- und Trauerspiele, ge hobenen Revuen und Regie-Kunstfertigkeiten stehen nur zum Teil noch ungebrochen innerhalb der Gesellschaft; ihr Publi kum liest am Ende eine radikale Zeitschrift und geht seinem bürgerlichen Beruf mit schlechtem Gewissen nach, um ein gutes zu haben. Auch die künstlerischen Qualitäten eines Theater stücks mögen es der Gesellschaftssphäre entrücken. Zwar, Dichter sind häufig dumm, und wenn sie auf der einen Seite der überkommenen Gesellschaft absagen, gehen sie ihr auf der anderen um so gründlicher auf den Leim. (Bert Brecht hat in der „Literarischen Welt" die Lyrik der Bürgerlichkeit verdächtigt und an ihrer Stelle dem Sport sich verschrieben. Der Sport als unbürgerliches Phänomen — Samson-Körners Biograph ist um diese Entdeckung nicht zu beneiden.) Von solchen Ausnahmen abgesehen, die sich einem Teil der Bin dungen bewußt entziehen, ist im übrigen das Gros der Bühnenmachwerke die genaue Antwort auf die Empfindungen von Theatergemeinden und dem Bestehenden nicht minder ver pflichtet als die Filme, von denen es sich nur durch die größere Langeweile unterscheidet. Um die heutige Gesellschaft zu erforschen, hatte man also den Erzeugnissen ihrer Filmkonzerne die Beichte abzunehmen. Sie plaudern alle ein unzartes Geheimnis aus, ohne daß sie es eigentlich möchten. In der unendlichen Reihe der Filme kehrt eine begrenzte Zahl typischer Motive immer wieder; sie zeigen an, wie die Gesellschaft sich selber zu sehen wünscht. Der Inbegriff der Filmmotive ist zugleich die Summe der gesellschaftlichen Ideologien, die durch die Deutung dieser Motive entzaubert werden. Die Serie: „Die klein e n Ladenmädchen gehen ins Kino" ist als -ein kleines Musteralbum angelegt, dessen Schulfälle der moralischsn Kasuistik unterworfen sind. ' *) Die Serie ist in den Abendblättern vom 11- bis M März N dieser Reihenfolge veröffentlicht worden: „Freie Bahn", ^Geschlecht und Chara? te r", „Volk Ln Waffen",