dämm Die Industrie ist deinVernehmen nach an der Her stellung neuer Modelle interessiert. Ein Bericht ist kein Katalog, und der Gegenstände sind außer den bereits genannten zu viele, als daß sie auch nur annähernd verzeichnet werden könnten. Zur Vollkommenheit gediehen ist vor allem die gesamte Apparatur: Bade räume, Toiletten usw. Unter den Ausstellern auf diesem Ge- ! biet behaupten die Stuttgarter Städtischen Gas- und Elekiri- Zitätswerke einen Ehrenplatz. Große Firmen, die bisher laut Verbandssatzung stch auf Messen nicht Zeigten, haben sich dieses Mal beteiligt. Es funkelt von Platten und Metall, an den Kühlschränken strahlen Beschläge, die Boiler sind Zur Kugel gerundet. Dem Publikum wird überall Gelegenheit geboten, Versah rungsweisen und Betriebe aus eigener Anschauung kennen zu lernen; unter anderem den Mitropa-Speisewagen und die Stuttgarter Küchen die von Dr. Erna Meyer eingerichtet worden sind. Daß die Frankfurter Muster küche prangt, versteht sich von selbst. An den schönen Raum für Webereien schließt stch der besonders geglückte der Lino leumindustrie: keine aufgebaute Innenarchitektur, sondern eine reine Darstellung der Ware mit neuen weißen, roten und schwarzen Belagen, die hart wirken wie Gestein. Vergessen wir nicht das Kupfergeschirr, längst verwandte Pfannenformen, die in diesem Rahmen neu zur Geltung kommen, rostfreie Bestecke, säurefeste Metallgefäße und feuerfeste Gläser, Metall betten, die sich durch die vom Werkbund vorgeschlagene leichte Veränderung der Proportionen wesentlich verbessert haben, Der Frage, was die heute von einer internationalen Vor hut der Architekten vollzogene Wendung bedeutet, wird nicht auszuweichen sein; so wenig auch gerade solchen Anfängen gegenüber abschlußhafte Formulierungen statthaft sind. Ratio nalisierung und Typisierung sagte Mies van der Rohe in seiner Eröffnungsansprache, seien nur Mittel zum Zweck; in Wahrheit gehe es um die Darstellung neuer Lebensfor men. Er selber hat mit seinem Bebauungsplan Anstoß erregt, weil er die Häuser zunächst ohne Rücksicht auf starre Eigen- tumsgrsnzen verteilte. Auch Le Corbuster hat, wie man weiß, die Stilwandlung weltanschaulich zu begründen gesucht. Diese und andere Bekenntnisse beweisen immerhin, daß die neue Hausorganisation nicht allein aus dem Zwang zur ratio nellen Wirtschaft geboren ist; wie kräftig er sich im einzelnen auch durchsetze. Beschränkt sie sich darauf, dem Privat- menschen eine Wohnform zu geben, die — endlich — im Ein klang mit seinen gegenwärtigen gesellschaftlichen Funktionen steht? Oder enthält sie bereits im Keim den einen oder ande ren Hinweis auf eine veränderte Gesellschaftsordnung, statt es sich mit der Bestätigung der faktisch vorhandenen genügen zu lassen? Häuser stehen im Raum und gehen aus ein Frage- und Antwortspiel nur in begrenztem Umfang ein. Vielleicht deutet wirklich die Anlage des Bebauungsplans und der immer wiederholte Versuch, durch das Einreißen von Zwischenwänden die frühere Jnsichgeschlossenheit des Einzelmenschen nach außen hin abzubauen, auf eine noch angegebene Struktur der Gesellschaft vor; vielleicht soll er aber auch nur dem anonymen Sein des der kapitalistischen Wirtschaft verpflichteten Masssn- menschen Ausdruck verleihen. Alle diese Erscheinungen sind mindestens doppeldeutig. Gleichviel aber, ob sie unter anderem auch über das herrschende soziale System sich hinaus er strecken: jedenfalls entsprechen sie ihm, wie zu Beginn darge legt wurde, in einer bisher nicht erreichten Weise. Sie sind sein vollendeter Spiegel; was immer sonst sie noch sein mögen. Bedürfte es eines Beweises für diese ihre Spiegel- haftigkeit, so wäre er durch den Puritanismus erbracht, den sie in allen ihren Teilen bekunden. Nicht das Menschliche wird in den neuen Wohnungen unmittelbar freigesetzt, sondern eher der Mensch des heute geltenden Wirtschaftssystems, der asketisch sein muß, wenn er ehrlich sein will. Sie bedeuten vorwiegend eine Revolution gegen Raum geb ild e, die anachro nistisch in unsere Zeit ragen, und nur insofern sie sich dem gegenwärtigen Stand der Dinge anpassen, bereiten sie „neue Lebensformen" vor. Beleuchtungskörper, die Lihotzkysche Sammlung van Bei spielen und Gegenbeispielen. Abgesehen von der Indanthren-Industrie, deren Farben in infinitesinalem Uebergang durch die Unendlichkeit des Spektrums gleiten, hat sich noch die Württembergische Möbelindustrie unter Führung Pros. Pankoks in einem großen Saal selbständig niedergelassen. Es ist der Sonderveranstaltung anzumerken, daß sie die Grundsätze des Werkbunds als nicht für sich verbindlich erachtet. Das gut gearbeitete, fournierte und ledergepolsterte Mobiliar guter Stuben und kultureller Herrenzimmer versammelt sich hier, als sei es unmittelbar dem Glanzpapier gepflegter Kunstzeit schriften entstiegen — ein Gespensterverein aus dem endgültig vergangenen Gestern, der den Schatten einer Spezis des bürgerlichen Mittelstandes Heraufbeschwort, die noch immer von heute zu sein glaubt. Diesen Bücherschränken ist unbe- sessenes Bildungsgut einverleibt worden, in diesen Klubsesseln waren Gebeine vergraben. Dem Werkbund kann es nur recht sein, daß mitten in der Ausstellung ein solcher Requisttenraum ausgespart ist; die von ihm erkannte Notwendigkeit neuen Bauens ließe sich schlagender nicht erhärten. In der Hallen-Ausstellung befindet sich ein merkwürdiger von Mies van der Rohe und Lilly Reich erdachter Raum. Seine Wände sind aus milchigen und dunkelfarbigen Glas platten zusammengesetzt. Ein Glaskasten, durchscheinend, dis Nachbarräume dringen herein. Jedes Gerät und jede Be wegung in ihnen zaubert Schattenspiels auf die Wand, körper lose Silhouetten, die durch die Luft schweben und sich mit den Spiegelbildern aus dem Glasraum selber vermischen. Die Be schwörung dieses ungreisbaren gläsernen Spuks, der sich kaleidoskopartig wandelt wie die Lichtreflexe, ist ein Zeichen dafür, daß das neue Wohnhaus nicht eins letzte Erfüllung Le- deutet, daß es nicht genügen kann, Wasserhähnchen zufrieden zu stellen und eisernen Oefen die Dekoration abzuschlagen. Wie kitschig immer die abgeschlagenen Zierate waren: oer Nest ersetzt das mit ihnen Armeinte nicht. Wahrscheinlich sind die neuen Häuser ihrem Gehalt nach Reste, das heißt, zeit gemäße konstruktive Fügungen der von schlechtem Ueberfluß gereinigten Elemente; und gewiß sind diese Restkompositisnen allein in der gegenwärtigen Gesellschaft zu verantworten. Aber es wäre gut, wenn aus ihnen mehr noch, c/s es heute geschieht, die Trauer über die Entsagung spreche, die sie üben müssen; jene skurrile Trauer, die an den in die Glasfläche gebannten Erscheinungen hastet. Denn die Hausgerippe sind sich nicht Selbstzweck, sondern der notwendige Durchgang Zu einer Fülle, die keiner Abzüge mehr bedarf und heute nur negativ durch die Trauer bezeugt werden kaun. Sie werden erst Fleisch ansetzen, wenn der Mensch aus dem Glas steigt.