Hoffnungen mehr und Ehr als eine Dependance der in der Zerstreuung beheimateten Juden, — ein Ableger, der auch dann nicht Mittelpunkt ist, wenn er, vielleicht, ein Eigenleben wird führen können. Bon zionistischer Seite mag eingewem det werden, daß es nur verläufig so sei, und man sich durch die Krise das Blickfeld nicht verdecken lasten dürfe. Möglicher- i weise macht aber die Krise das Blickfeld erst frei. Denn wie verhält es sich in Wirklichkeit mit der vielbe redeten Erweiterung der Die ihr einzu- gliedernden jüdischen Nichtzionisten werden vielleicht einen Bruchteil ihrer überschüssigen Revenuen für Palästina hergeben wollen— eine Art von „SentimentalitäLsfonds" (dieser vom Referenten geprägte Ausdruck fand im Gespräch mit Zionisten keinen Widerspruch), aus den Untiefen rudimen tärer Religiosität heraufgepumpt und gespeist auch aus den gleichen Feiertagsgefühlen und Rückversicherungs-Bedürf- nisten, aus denen Dollarmillionäre sonst Universitäten und Bibliotheken zu stiften Pflegen. Sie werden vielleicht sogar auerhand kulturelle und sozialistische Experimente zulassen, Palästina ist fern — aber Experimente haben ihre Grenzen, und daß die späteren nichtzionistischm Anleihezeichner mit ihrem wirtschaftlichen Einfluß nicht Zugleich auch den polti schen werden geltend machen wollen, erscheint bei vernünftiger Beurteilung ausgeschlossen. Hier bestehen die Befürchtungen der Opposition zu Recht, nicht umsonst setzt sie sich gegen die erweiterte Auflage der zur Wehr. Aller ¬ dings vergeblich, da vornehmlich die gegenwärtige ökonomische Situation Palästina zwangsläufig zu ihr treibt. In einer Unterhaltung äußerte der Arbeiterführer Katz- nelson, daß er die palästinensische Arbeiterschaft für stark genug erachte, um die antinationalen und betont kapitalistischen Ten denzen zu überwinden, die mit der neuen vermutlich heraufbeschworen würden. Das eben ist die Frage. Es käme auf die Probe an. Indessen ist es wahrscheinlicher, daß das nichtzionistische Geldkapital eine stärkere assimilato rische Macht beweisen wird als die materiell schlecht unter baute zionistische Ideologie. Fest steht jedenfalls schon heute: daß die zionistische Organisation hauptsächlich infolge der Krise — gewiß nicht nur, weil Artikel 4 des Palästina Mandats es so vorschreibt -- den nichtzionistischen Geldmag naten den kleinen Finger reichen muß. Damit aber ist der Zionismus in ein neues Stadium ge beten, das ihn seinen ursprünglichen Erwartungen entfremdet. Es ist sehr stille geworden um diese Erwartungen. Herr Arlo- sonoff erklärte in seiner großen Rede: . der geistige An ¬ griff der zionistischen Bewegung auf das jüdische Volk, wie es ist, der Jdeenkampf der Zionisten um die Geister im Juden tum, Hai beinahe in allen Ländern faktisch aufgehört". Ein wiederholt zugestandenes Erlahmen, das im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise auf eine Art von g e istigerKrisis Ideologie mitbringen, die wiederum jenen Stellungnahmen, ein eigenes Lokalkolorit erteilt. Während der Generaldebatte lebten die großen und kleinen Verbände sich aus; häufig rabiat und mit parlamentarischem Geräusch. Ohne auf Details einzugehen, sei festgestellt, daß die „Regierungs"-Parteien, die das Weizmann-Programm an erkennen, die überwiegende Mehrheit bilden. Zu ihnen ge hören: l.das Zentrum, dessen linker Flügel durch die Rich tung Kurt Blumenfeld bezeichnet wird (etwa den deut schen Linksdemokraten analog), während die amerikanische Landsmannschaft mehr auf dem rechten Flügel steht, der in der Debatte den stärkeren Akzent auf Industrie und Handel statt auf die Landwirtschaft legte. 2. Die Misrachi, die ein Palästina auf religiös-ortho doxer Grundlage fordern und in wirtschaftlicher Beziehung zu meist bürgerlich-konservativ orientiert sind. 3. Die Gruppe der Hitachduth (sog. Volkssozialisten, aber keine Marxisten; am ehesten den russischen Sozialrevo lutionären entsprechend), deren Führer Arlo soro ff, ein ausgezeichneter Redner übrigens, gegen den „Klerikalismus" der Misrachi und die nicht allzu arbeiterfreundliche Haltung rechtsbürgerlicher Kreise (zumal der Amerikaner) polemisierte. 4. Die an die zweite Internationale angeschlossene Ar beitergruppe PoaleZion, deren HauPLvertreter Berl Katz- nelson (seit der russischen Revolution 1905 in Palästina ansässig) sich im Interesse der Arbeiterschaft wider die von der Exekutive vorgeschlagene Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen erklärte. In der Opposition stehen die verhältnismäßig bedeutungs losen Fraktionen der Radikalen und Revisionisten, beide nationalistisch geartet. Sie verlangen ein schärferes Auftreten gegen die englische Regierung, bekämpfen die Erweiterung der als eine Desavouie- rung des Zionismus und wollen die Anleihe auf politi schem Wege unter Garantie des Völkerbunds zustande ge bracht wissen. Sind aber die Radikalen für eine friedliche Lösung (ohne „Verteidigungskriegen" abgeneigt zu sein), so haben die Revisionisten den militaristischen Tick. Ihr Führer Jabotinsky ist ein ins Jüdische herab gemilderter kleiner Mussolini. Ein assimilierter Russe, der, bezeichnend genug, im Italien des Tripolis-Krieges studiert hat. Er träumt von einer Erneuerung seiner jüdischen Legion. In seiner Rede trieb er zum Teil eine martialisch-sentimentale Demagogie, die in einem krassen Mißverhältnis zur Wirklichkeit stand. Unter anderem stellte er die unmögliche Forderung auf, daß die Kompetenzen der zukünftigen sich nicht auf politische Fragen erstrecken dürften. Aber immerhin, mit dieser Forderung wies er auf einen der schwachen Punkte der zionistischen Konstruktion. Der Stand der zionistischen Hemegnng?) Eindrücke vom Baseler Zionistenkongreß. (Von unserem Sonderberichterstatter.) Basel, Anfang Septbr. Das Verhältnis zu England. Das Verhältnis der zionistischen Bewegung zur eng lischen Regierung wurde von Dr. Weizmann in der großen Rede, mit der die Generaldebatte schloß, grund sätzlich und unzweideutig herausgestellt. Diese Rede war das Ereignis des Kongresses. Sie setzte mit polemischer Meister schaft die Opposition matt und bekräftigte zugleich die kaum ernsthaft bestrittene Autorität Weizmanns — eine Autorität, die er nicht zuletzt seinem Sinn für politische Realität danken mag. Man hat während des Kongresses vielfach Unzufriedenheit mit den geringen Fortschritten gegenüber der Mandatarmacht bekundet und der zionistischen Exekutive allzu große Zurück haltung, wenn nicht gar Schwäche zur Last gelegt. Die zio nistischen Nationalisten vor allem, an der Spitze Jab o- linsky, redeten in einer Meise, als ständen sie mit England auf gleich und gleich. Sie mußten sich durch Weizmann be lehren lassen, daß die zionistische Organisation es sich schlechterdings nicht erlauben kann, auch nur den ge ringsten Konflikt mit England heraufzube- schwören. So gewiß die Schaffung der jüdischen Heim stätte in Palästina dem Interesse der englischen Politik ent spricht, so wenig ist doch noch selbst die englische öffentliche Meinung für den Zionismus gewonnen. Weizmann erinnerte daran, daß vor drei Jahren sich 160 englische Parlaments mitglieder gegen die Palästinapolitik der Regierung erklärten. „Für uns," so sagte er wörtlich, „ist Palästina die Ange legenheit, für die Engländer ist es nur ein Teil des Teiles." Diese Tatsachen sind geeignet, die überschwänglichen Er wartungen vieler Zionisten beträchtlich herabzustimmen. Man kann eben nicht wie man will, und selbst im günstigsten Fall liegt das jüdische Palästina im Schlepptau der englisch e n Politik. Zur Besserung der augenblicklichen Situation weiß Weizmann nichts anderes vorzuschlagen, als eine intensive Be arbeitung der englischen Öffentlichkeit und eine Verstärkung der zionistischen Positionen in Palästina, die aber ihrerseits wiederum von den politischen Beziehungen zur Mandatar macht abhängig ist. Ein Zirkel, ein „verzauberter Kreis", wie Weizmann selber zugestand; nicht ohne außerdem noch auf die der englischen Verwaltung eigene Langsamkeit hinzuweisen. Der Aufbau in Palästina. Ueber den gegenwärtigen Stand des Aufbauweicks in Palästina wurde der Kongreß durch Colonel F. H. Kish, den jetzigen Leiter der palästinensischen Exekutive (während des Kriegs englischer Oberst) und vor allem durch Dr. A. Ruppin unterrichtet, der lange Jahre als Funktionär der Exekutive in Palästina tätig war und zur Zeit Vor lesungen über Soziologie an der Universität Jerusalem hält. Seinen Darlegungen zufolge befindet sich das jüdische Pa- lasiina heute im Uebergang von der Periode der Pionier arbeit und der Spenderfonds zu einer Periode -der normalen Arbeit und des Leihkapitals. Alle Unternchmüngen sind darum künftighin nach dem Grad ihrer Wirtschaft lichkeit und Rentabilität zu bewerten. Dies vorausgesetzt, ergibt sich im einzelnen für den Auf bau das Folgende. Zunächst haben sich, nach Ruppin, die Zu schließen erlaubt. Man hört weniger von einer Lösung der Judenfrage durch den Zionismus (nur noch Sokolow eigent lich verstieg sich zu so fatalen Behauptungen von einer „Ver- sachlichung" des zionistischen Denkens. Man ist ideologNch lautloser geworden, gedenkt vielleicht auf weltanschaulichem Ge biet die gleiche Beschränkung wie auf wirtschaftlichem zu üben. Diese Bescheidung wäre nur den Umständen angemessen. Denn dem unbefangenen Betrachter wird auch durch den Ver lauf des Kongresses bestätigt, daß die Verhältnisse heute an nähernd umgekehrt liegen, wie der Ziomsmus in den Zerten! seines von der Realität noch nicht beeinträchtigen Ueber-z Wvangs wähnte. Nicht die in der Zerstreuung lebenden Juden blicken auf Palästina als auf ihr eigentliches Hennat- land, sondern PÄSstina enthüllt sich, entgegen-den ziomchschen.