kommt, IN der Form eines Spruchbandes sich fortbetvegt und lang sam entschwindet; erstaunlich genug: der Zug ist geglückt Ueber das einzelne hinaus ist der Regie der drastische Ausweis gelungen daß die schmetternden Kriegsparolen sich fremd und unangenehm zu den Menschen verhalten, die für sie sterben und leiden müssen. Der Krieg erscheint als ein Geschehen, das die Menschen entstellt und verdirbt. Er macht gemein, er ist ohne Sinn Der Deutsche Erich Pommer schickt uns diesen Friedcnsfilm aus Hollywood. Was hat die deutsche Produktion in A» Frieden getan? Sie hat Schlachten gezeigt mit Otto Gehuhr an der Spitze, der den Zopf wie Friedrich der Große "ie Leinwand mit strammen Leutnants gefüllt, die zu den Mädchen gehen und in den Krieg. Sie hat in ihren Wochen übersichten neben den großen Überschwemmungen nicht die ge ringste Truppenschau unterschlagen. Sie hat alles getan, was in ihren Kräften stand, um das Publikum wieder an die Uniformen zu gewöhnen. Sie hat nichts getan gegen den Krieg. Hinter Stacheldrähten und Mauern Zollte sie selber gefangen gesetzt wer den. Der Film aus Hollywood offenbart ihre Schande. Er hat, wie nicht anders erwartet werden durfte, seine Grenzen. Der Krieg ist in ihm eine Art von Naturkatastrophe die über die Menschen hereinbricht. Sie erdulden ihn wie ein Erd- bebem und träumen höchstens am Schluß von einem Land das Erdbeben nicht kennt. Der Traum ist schön, doch ein Traum, so lange der Krieg für ein er ist überhaupt keine Naturkatastrophe, sondern ein Machwerk be stimmter Menschsngruppen und ihrer Interessen. Diese Gruppen und Interessen bleiben in dem Film unbezeichnet. Sie können wieder hervortreten und neue Kriege machen, wenn sich wieder die Verbrüderungsprozessionen nicht zugleich gegen sie empören. Wer immerhin: der Film ist gut und reißt dem Krieg eine seiner Masken herunter. Das ist viel, das will in Deutschland etwas heißen. Vielleicht wird er den Zuschauern nicht nur Dränen entlocken, sondern sie wirklich für die Sache des Friedens bestimmen. (Bei Gelegenheit der Berliner Erstaufführung des Films-) Raca- „Aas Wesen der Welt". Ein philosophisches System. Heinrich Hellmund, ein noch unbekannter Autor, ver öffentlicht ein Werk: »Das Wesen der WelL" (Amalthea- Verlag, Zürich, Leipzig, Wien), das den Umfang von 1360 Seiten überschreitet. Aber auch die Welt ist groß, Monomanische Besessen heit hat dieses Buchungetüm gezeugt; nur mit ihr allenfalls ist die Selöstgerechtigkeit zu entschuldigen, die seine Inhalte als die Lösung der Welträtsel preist. Sie sind es so wenig, daß man über das seinen Erkenntnissen und Formulierungen nach etwas ver spätet erschienene Buch kaum ein Wort zu verlieren brauchte, be sähe es nicht einen merkwürdig utopischen Zug. Um seinet- willen allein verdient es Beachtung, wie unzureichend immer er sich darstellt. , Die Welt von der Materie an bis zum Bewußtsein wird rn dem Werk als eine Mannigfaltigkeit gedacht, in die das Streben nach Einheit eingetan ist. Ihre UrLraft ist die der Anziehung, die auf harmonische Vereinigung aller Teile dringt. Aber dem Ver- Lindungsstreben treten immer von neuem Widerstände entgegen, die sich als Wstoßungen geltend machen. Durch das Spiel der Kräfte entstehen fort und fort weitere Differenzierungen; je mehr ihre Zahl anschwillt, desto größer werden die Möglichkeiten der Abstoßung, desto entscheidender die Triumphe des Einheitstrach tens über die auseinanderklaffenden Gebilde. Hellmund bemüht sich, im Material zu verdeutlichen, wie die Grundkräfte sich auf dem Gebiet des Anorganischen auswirken, wie infolge ihres stän digen Konflikts und seiner Lösungen auf dem Anorganischen das Organische sich aufbaue, dem dann als höhere OLMivationsstufe die Seele entwachse. Ihre Träger sind die Individuen. Da sie unverkümmert sich zusammenschließen sollen (statt daß der Zu sammenschluß sich auf ihre Kosten vollzieht), setzt die Anziehungs kraft ihrem Machtstreben nicht nur kein Hindernis entgegen, son dern drückt sich in ihm aus; vorausgesetzt, daß es sich um ern aus menschheitliche Bindung Mietendes Machtstreben hand^ nrcht um das egozentrische des Subjektivismus, in dem der blinde Av- stoßungZwille sich verkörpert. Das schöpferische Genie, dem allem an der VerwirMchung seines Werkes gelegen ist, wird von geradezu hymnisch gefeiert. Es ist nach ihm vom richtigen Macht streben erfüllt, es stiftet neue, bisher ungeahnte Verbindungen, es hudelt im Sinne der letzten „Weltstreb enstendenz". Durch das weitmaschige Netz dieser ein wenig vulgären Ober begriffe wird die ganze Welt auf den dreizehnhundert weiten Ym- durchgetrieben. Von der Physik geht es Zu der Chemie und Bio logie, überall herrschen Anziehung und Abstoßung, Me siegt stets über diese. Wir gelangen zur Seele, wir treiben Politik erkenn^ daß Demokratie nur Gleichheit gemäß der mdwrdue^ Rangstufe bedeuten könne und der Sozialismus bestenfalls als Gesinnung ehrenwert sei. Das Verhältnis der Geschlechter wird als der Ausdruck und die Bewältigung der Urpolarrtät begriffen. In der Aesthetik erhält die Musik den Ehrenplatz: em Zeichen der Beeinflussung Hellmunds durch Schopenhauer, dessen Ge schimpfe er bei der Verherrlichung des Genius noch ubertrffft. Zum Beweis der folgende Satz, der auch als Stilprobe dienen mag: „... der menschliche Pöbel ist dessen nicht wert, was der Genius ihm bringt; denn er ist viel zu gemein, zu infam und zu blöde dafür." Ist dies Geniekult? Der Autor antwortet: „Dies ist kein romantischer ,Geniekult', sondern die klassische Rang ordnung..." — Das Brrch mündet in ein Kapitel: „Die Wteta- phyfik des deutschen Wesens, in dem den Deutschen zur Ent schädigung für ihre tragische Unfähigkeit, die Gegenwart Zu be statten, die Metaphysik (neben der Musik) als ihr eigentliches Gebiet angewiesen und die geistige Erneuerung Europas über antwortet wird." / . _. In das System sind nun zwei Gedanken eingebaut, die aus ^fremden Regionen stammen und stch durch wer weiß welche Mater den Zugang erzwungen haben. Der eine besagt, daß die Welt eine Geschichte habe; das Ziel der Geschichte aber sei die Ruhe des entfalteten und zur harmonischen Einheit gediehenen Universums. Hieraus gefolgert wird: die heute bekannte Natur gehört der Früh- zeit der Geschichte an, ibre Planetensysteme, Kreisläufe und Pendel schwingungen sind vergänglich, weil sie alle noch dem Abstoßungs- streben" sich unterwerfen. Aehnlich werden auch die kriegerischen Auseinandersetzungen der bisherigen Menschheit als Kreisläufe ge kennzeichnet, die nach und nach einer ^kontinuierlichen Strebens- linie" weichen. Oder, wie es an anderer Stelle heißt: die Empirie ist grundsätzlich erlösbar. — Der Zweite, in dieser Umgebung nicht minder ungewohnte Gedanke nimmt vor der endgültigen Ver einigung der aufs äußerste differenzierten Individuen eine Epoche der furchtbarsten Abstoßung aller Individuen an. Die apokalyp tischen Wehen werden von dem Verfasser in die Gegenwart ver legt, die er die Zeit der „Ebbe und Minderung aller verbindenden geistigen Kraft" nennt. Diese Erkenntnisse meinen große Such- schalte, die auch von der Theologie getroffen worden sind. Durch ihre Einführung wird versucht, dem Weltganzen die Richtung auf das En d e derZeit hin zu erteilen und alle Erscheinungen an ihren historischen Ort zu stellen. Die Ungerechtigkeit etwa ist als Zeichen des vorerst noch unentwickelten Zustandes der Welt gedeutet. — Das ganze Werk ist ein eklektisches Scheinsystem, das Trümmer! aus verschiedenen Weltgegenden zur formalen Einheit zusammen^ stückt. Es hat, bewußt oder unbewußt, seine wesentlichen Begriffe der deutschen romantischen Naturphilosophie ent nommen, die den Geist bruchlos aus dem Organischen hervorgehen läßt, der das Universum selber zum Organismus und das Genie zur Krone der Schöpfung wird. Von Nietzsche holt es den Machtbegriff, den es, seinen Leitgedanken gemäß, korrigiert, von Schopenhauer den entsprechend abgewandelten (Veröln- dungs-) Drang, der die Welt durchwirkt. Herrschte nur diese Ter minologie, so wäre das Werk nichts weiter als ein banaler Nach zügler der offen pantheistischen Systeme, die der deutsche Idealismus im vorigen Jahrhundert gezeitigt hat. Sie sind dorr der Kritik längst erhellt und naiv nicht mehr Zu wiederholen. Einzig jene verzerrt utopischen Gedanken und die kühn aus ihnen gezogenen Folgerungen verleihen Teilen des Buchs Realität und Bedeutung. Sind sie mit seinen naturphilosophischen Lehren- die in dem Begriff des Organismus gipfeln, auch äußerlich ver- woben, so stehen sie ihnen in Wahrheit doch fremd und unversöhn lich gegenüber; denn in einem System, das den Geist in die Natur einbezieht und die JnsichgsschloffenheLL des Naturzusammerchan behauptet, kann die Erlösung der bloßen Natur nicht mitgedacht sein. Indessen, es spricht für den Autor, daß die Gedanken von deü Endzeit und der Apokalypse in seine abgegriffene Terminologie haben eindringen können und den sonst vertretenen Organizismus sprengen, ohne daß er selber es gewahr wird. Dünnen Adern gleich durchziehen sie gigantische Blöcke Loten Gesteins. ' Dr. S. Krakauer.