Die Handlung ist eine brauchbare Unterlage für den Regisseur. Er heißt Max Neichmann und ist in der Manege zuhause. Die Genauigkeit seiner Arbeit hat den Hauptanteil an der Vortreff- lichkeit des Films. Wie liederlich verfährt die Mehrzahl unserer Regisseure mit den Details und den Hintergründen. Hier ist nichts erschwindelt. So werden in Pariser Vestibüls die Plätze ange wiesen, so folgen die Programmnummern aufeinander, so sind die Garderoben und die Kantine eingerichtet, so ißt ein Manager zu abend,, so sehen Stallmeister aus, so verhalten sich die Artisten zu ihrem Direktor. Aus hundert richtigen Beobachtungen entsteht ein Wm, der zum- Müdesten die MirKWkMspi-eg U; Die Zuschauer klatschten; was in Frankfurt leider Wen ge schieht. Das musikalische Mompagnement geht verständnisvoll mit. (Zur Aufführung des Films Lm Frankfurter Gloria- Palast.) K a,e ». Zu den Darstellern: Mary Johnson als Todesgirl erin nert an die Gish. Rührend hilflos mit großen Augen; die Rolle bewußt aufgebaut. Raimondo van Riel und Ernest van D ur e n waschechte Artistenbrüder in der Manege und im Privat leben. Der Manager Gerrons bis zuletzt durchgehalten, brutal, fett, abgebrüht, ohne ein unglaubwürdiger Bösewicht zu sein- Lucie Höflich duldend und hart, wie Geprüfte es sind, die ihre Leiden beenden. Valy Arnheims Stallmeister ^in sym- patischer Gentleman. Bis Zu den Clowns herunter sind die Mas ken penibel, ihre Auftritte wahrheitsgetreu. Zwei Brüder, Artisten auf dem Drahtseil, sind seit Jahren verfeindet, durch ihre abendliche Zusammenarbeit aber stumm an einander gekettet. Ein Manager nötigt seine Stieftöchter, in einer lebensgefährlichen Nummer aufzutreten, vor der ste sich überdies zu Tode ängstigt. Der jüngere Bruder möchte das Mädchen gütlich oder geivaltsam von seinem Peiniger befreien und die Wiederholung der Nummer verhindern. Was wäre in einem der üblichen Filme zu erwarten? Daß de^ Manager das Drahtseil lockerte oder das Mädchen verunglückte. Nichts davon; die Darbietungen gelingen. Das ist sehr gut, denn es beweist die verhältnismäßige Unabhängig keit artistischer Arbeit von dem Seelenzustand. Es ereignet sich noch das Folgende: der altere Bruder versöhnt sich Mt dem jüngeren und stellt den Manager selbst zur Rede. Durch eine. Verkoppelung von Umständen wird er für dessen Mörder gehalten. In Wahr heit hat die Frau die Tat in Notwehr begangen. Freispruch der Frau (Ort der Handlung: Paris). Hochzeit. nicht aus Brettern gedichtete ostpreußische Dörfer mit gestellten amerikanischen Phantasiestädtchen zusammenbraut, wie es der arg verrannte Murnau in seinem „Sonnenaufgang" getan hat — als stecke er noch im „Faust". Schon um der anständigen Arbeit wlllen ist „Manege" eine Ausnahme. * Der Realismus allein hätte nicht die starke Atmosphäre dieses Films erzeugt. Daß er sie ausstrahlt, daß er Glanz verbreitet und Erregung mitteilt, ist der gestaltenden Durchführung zu danken. Die Kamera wird außerordentlich geschickt gelenkt; so sind etwa die Glanzlichter der von einem Artisten geschleuderten Reifen ein wundervolles ornamentales Spiel. Die dargebotenen Zirkuspro duktionen, schon an sich von besonderer Art — der brüderliche Drahtseilakt vor allem ist schön erdacht —, werden nicht ihrer Länge nach verfolgt, sondern nur in den für den Film und die Handlung wesentlichen Ausschnitten gekurbelt. Wenn sie sich wiederholen, wiederholen ste sich nicht bloß. Keine Unter brechungen im Zeitfluß; die Großaufnahmen an entscheidender Stelle; die Massenszenen so unauffällig geleitet, daß man nicht gleich die Anordnungen durch Megaphon hört. Dr. Befsels Verwandlung. Man muß bei diesem im Capital gezeigten Film die vielen Unp-ahrscheinlichkeiten des Romans mit in Kauf nehmen, der als Vorlage gedient hat. Daß es einem verwundeten deutschen Frontsoldaten gelungen sein sollte, sich durch die Aneignung der Ausweispapiere eines auf dem Schlachtfeld neben ihm gelegenen toten französischen Soldaten mit diesem zu identifizieren und nun in Frankreich als der betreffende Tote fortzuleben, ist eine Konstruktion, die an die Gutgläubigkeit der Zuschauer (die Leser gehen uns nichts mehr an) verteufele Ansprüche stellt. Die Konstruktion zieht dann noch die Mutter des falsch auferstandrnen Toten zu Hilfe und verstrickt fie^mitsamt seiner Braut in Gefühle und Handlungen, die sogar dem Phantasie- begabten Autor einiges Kopfzerbrechen gekostet haben muffen. Notdürftig gerettet wird der Film durch das Spiel, wenigstens vermögen die guten darstellerischen Leistungen ab und zu eine nick4 vorhandene Wirklichkeit vorzutäuschen und auch über manche Atelierhintergründe hinweg zu helfen, die von der Regie aufae- baut sind, um Paris oder Marseille zu ersetzen. Hans SLüwe hu ein ehrliches Männergesicht und gibt alles her, was ihm als Beffel auf dem vorgeschriebenen Weg an Freude und Angst zugemutet wird. In den seelischen Zwischenschichten ist Agnes ELerhazy zuhause. Curt Bois und Jlka Grünfeld haben nur kleine Auftritte, aber wie sind die paar Szenchen gestaltet! Auch sonst ist an ersten Kräften nicht gespart: Jacob Tiedtke, Rosa ValeLti und Gertrud Eysold sind mit von der Partie. Schade nur, daß, wie so oft, der große schauspielerische Aufwand für eine Sache verbraucht wird, die ihm nicht genügt. Immerhin k sei die folgende Bemerkung nicht unterdrückt: das Ereignis des > Kriegs steht noch heute — oder richtiger: erst heute —- so ! waltig vor den Menschen, daß es sogar in einer Herart schiefen Komposition wie dieser nicht völlig vernichtet werden kann, sondern ; durch ihre Lücken hindurchbricht und für Momente selber wahr ! nehmbar wird. Hin Zirlmssilm. Der Film: „Manege" der Deutschen Film-Union A.-G. über ragt unsere miserable Durchschnittsproduktion um ein gutes Stück. Er spielt in der Zirkuswelt, hat es also etwas Leichter, die soziale Verlogenheit der einheimischen Gesellschaftssilme zu meiden. Aber die Manege birgt andere Gefahren für das Kino: Todesstürze, die tragisch sein sollen und nur sentimental sind, Beschwörung des Flitters, Verlegung des Schwergewichts auf Effekte,'die darum noch j lange keinen Effekt auf der Leinwand machen, weil sie im Zirkus es tun. Allen diesen Gefahren entgeht der Film. Mag er Schwä chen enthalten — einige Zugeständnisse in der Handlung, ein paar nur illustrierende Streifen —, sie verschwinden gegenüber seinen Vorzügen, die bestricken. - M raffmrerteste Frau Berlins. Ein GauneMckchen, nach Mem-Knwrnalroman verfilmt, mit Mary Johnson in der Hauptrolle, die eine stärke Begabung ist. Sie spielt ein unschul ¬ diges Wdchen, das durch »eiwen Zufall ich verschlagen wird, und ihrer Naivität wegtzn Ns M durchtriebene Person erscheint. Wie sie diese Unschuld vorn Lände davstM, ist schon ausgezeichnet; denn hinter der aufgeschminkten Unschuld schimmert die Durchtriebenheit durch, die zu dieser Schminke , ge griffen hat. Im übrigen: eine stofflich amüsante Handlung, Pen-' delverkehr Zwischen Kopenahgen und Berlin, .die Regie durch schnittlich Der Mm wird in den AUemannia-M spielen gezeigt. -^r. Tom Mix. Dieses Mal tritt der unverbesserliche Wildwest Held in einem Stück: „Die Panzerpost" auf, das die Neue Lichtbühne und die Kammerlichtspiele Zeigen. Das Rezept ist immer das gleiche' durch seine Reitkunst, seine Kühnheit und seinen edlen Charakter bezwingt Tom Feinde, Jntrigen und Mädchen. Die Handlung spielt zu jener Zeit, als noch Räuber banden den Westen unsicher machten und Pferdekutschen auf den Landstraßen ausgeplündert wurden; in der Großstadt und im Auto wäre auch Tom schlecht am Platz, es sei denn, er wirkte als De tektiv. Seine Filme sind primitive Kost, aber längst nicht die schlimmste. — Voran geht ein Film: „D e r s p r e ch e n d e A f f e", nach dem bekannten Theaterstück schlampig gedreht. Leider kommen die Kopien beider Filme auf der Leinwand nur trüb heraus. Ein Carmen Born-Film. Der Film: „Lotte hat ihr Glück gemacht", den die B i e b e r La u - 2 ich t s p i e l e zeigen, ist ein Vauöeville, das einige amüsante Partien enthalt. Eine Maniküre lernt bei ihrer an Anknüpfungsmöglichkcrten reichen Tätigkeit einen Lebejüngling kennen, mit dem sie eine Dchsinheirat eingeht — der Papa hat andere Pläne mit seinem Sohn —, die dann beiderseitiger sogenannter Liebe wegen zur Dauereinrichtung wird. Carmen Boni in der Hauptrolle zieht sich anständig aus der Afure, wahrscheinlich gelangt sie in weniger leichtfertigen Rollen besser zur Wirkung. Schade, daß Rosa Valetti nur in einer Nebenrolle auftritt. Andrö Rsänne als Jüngling hat das richtige Windhund-Gesicht, ganz leer und flott. Hans Junker mann kommt mit dem Krückstock als Lebe- greis daher; blendend geradezu Hermann Valentin mit Leu Pascha-Allüren eines MaKaronifabrikanten en §rc>3. Sonst noch: die übliche Jazzmusik und vergnügungssüchtige Ärmen und Herren. Der Schluß effekt recht hübsch. , LseL.