f^c»' i S. Kracauer» im Frankfurter Luna-Palast») aes. Daß sie sich ein wenig anders gebärden als das Volk, dem sie gleichen, rückt sie nicht fern, sondern enthüllt nur die Tiefe der Gemeinsamkeit. Sie tanzen mit dem selbstvergessenen Ungestüm von Kindern, denen die toten Dinge Götzen sind, die angebetet und gestürzt werden können. Ihre Beine sprudeln über vor Freude, ihre Pupillen rollen unablässig in den kleinen weißen Binnenseen der Augen auf und ab, und ihre Umarmungen sind voller Unschuld. Die Fremden werden enttäuscht sein. steigen, sie sind es also auch hier in dem Sälchen. Wenn die Neger kaum von ihrer Umgebung abstechen, so heißt das mithin nicht, daß sie die Exotik einbüßten, auf die sie ein Recht haben; die Möglich keit einer solchen Anpassung ist vielmehr das Zeichen für die Exotik der Pariser Bevölkerung, für jene wirkliche Exotik, die sich aus der Geographie nicht ableiten läßt. Man muß dieses Volk bei seinen Jahrmärkten beobachtet haben, muß gesehen haben, wie es die Straßen belebt und Farben und Lichter um sich ausstreut, die seinem Dasein etwas von der Buntheit des Hafenvolks verleihen. Paris begreift auch Afrika in sich. Es kann darum für die Neger zum Hafen werden. macht; mit Ausnahme eines bebrillten jungen Gentlemans, dessen Smokinghemd einsam im Gedränge blinkt. Seine Züge verraten die düstere Entschlossenheit eines Pamphlets gegen die koloniale Unterdrückung. Vielleicht ist er ein Häuptlingssohn, der literarische Speers wirst. Wo aber bleiben die Sensationen? Sie ereignen sich nicht. Weder verrenken die Musiker ihre Körper noch erzeugen sie Nigger songs und jene Jazzmelodien, deren Exdtik parfümiert wie die Morands ist. Im Gegenteil: sie scheinen sich geradezu verabredet zu haben, auf die negerhafte Urtümlichkeit Zu verzichten, an der sich die Montmartre-Besucher erbauen. Je weniger rassig diese sind, desto mehr lieben sie die Schaustellung von Rassen aus sämtlichen Absatzgebieten. Das Orchester spielt eine richtige Schrammelmusik, , dis gleiche, die im bleu und bei den Lals Musettes der ! Brauch ist, es spielt vor allem den langsamen Walzer, zu dem die Burschen mit erstarrten Schultern ihre Mädchen immerfort im Kreis drehen. Die melancholische Eintönigkeit der Klänge beschwört die Wüste und den Zug der Fremdenlegion herauf, ein anderes Afrika als das der gehobenen Dancings, das gar nicht Afrika ist. Sie tanzen auch nicht so, die Herrschaften, wie sie es ihrer Ab stammung schuldig wären. Das exzentrische Schlottern fehlt, und wird der Boden etwa zur Trommel, auf dem die Absätze Kriegs wirbel schlagen? Nichts davon. Jeder halbwegs gebildete Neger imitator setzt einen echteren Charleston hin als die hier geübten, die auch ohne Zeitlupe sichtbar sind. Die dunkle Haut schützt nicht vor Dilettantismus, und offenbar teilen die meisten das Los der zahlreichen Bleichgesichter, für die ein Tanzkurs unerschwinglich ist. Der Eindruck befestigt sich, daß diese vulgären Neger erst ins Amerikanische übersetzt werden müßten, um Neger zu sein. Das ist kein Negerball, das ist ein Pariser Vorstadtball, der Zu fällig von Schwarzen verunstaltet wird. In der Tat mischen sich auch die Eingeborenen des Quartiers Grenelle ungescheut unter sie. Aeußere Farbenkcntraste entstehen, die nur die innere Gleichheit der Seelen offenbaren. Höchstens das Benehmen der einen oder anderen fremden Dame, die eigens herb ei geeilt ist, um sich an einen! — l„Der Gentleman von Pari-.") AdolpheMenjou ist in diesem neuen Film mehr noch als in früheren womöglich die Verkörperung des vollkommenen Kavaliers. Des Kavaliers? Seiner platonischen Idee hinieden. Obwohl er das Platonische nicht eigentlich schätzt, sondern ungescheut von dem erotischen Wissen Gebrauch macht, das ihm die Liebeskünstler aller vorangegangenen Generationen vererbt zu haben scheinen» Auch andere Menschen waschen sich in der Frühe; durch s e i n e Morgentoilette erhält die Sauberkeit ihr Adelsprädikat, wird das Spülen des Mundes zum sakralen Vorgang. Ehe er sich zum Ueberfluß mit Parfüm be spritzen läßt, duftet er schon vornehmer als jedes Parfum. Die Art, in der er leicht den Zylinder schwingt, drückt wunderbar aus, daß nichts ausgedrückt werden soll. Wer ihn eine Dame förmlich begrüßen steht, von der die Welt nicht erfahren soll, daß sie seine Geliebte war, empfängt einen Gratisunterricht in höheren Um gangsformen, die sich freilich doch nicht erlernen lassen, weil sie unnachahmlich sind. Wenn er auch nur in einer Speisekammer lächelte, so verwandelte sich die Speisekammer sofort in ein Bou doir mit Louis Seize-Möbeln. Das ist kein gewöhnliches Ver führerlächeln, die ganze Melancholie des Don Juan liegt darin. Seine Augenlider senken sich oft mit der Diskretion von schweren Damastvorhängen herab, hinter denen eZ um der Ehre willen etwas zu verbergen gilt; in zweifelhaften Fällen stets eine ver heiratete Frau. Er sitzt am Spieltisch und greift in einem bedenk lichen Augenblick nach dem Zigarettenetui: die Geste mit dem Wort blasiert zu bezeichnen, hieße ste schänden. Er wird in einer Gesellschaft des Betrugs bezichtigt, aber blamiert ist nur die Ge sellschaft, denn er selbst geht aus der Affäre mit einer weißen Frackweste hervor, die ein Kunstwerk ist. Der Film ist ein routiniert gearbeitetes Boulevardstück mit einer Unzahl galanter Beziehungen, die sämtlich liquidiert werden, mit einem Kammerdiener, der als Kammerdiener beinahe so unerreichbar ist wie Menjou als Kavalier, mit einem reizend auf gebauten kleinen Skandal und einer witzigen Lösung. Die Regie, für die ein Mann mit dem sonderbaren Namen D'Abbadie D'Arrast verantwortlich Zeichnet, hat Kammerspieltöne angeschlagen. Die Blicke führen Dialoge, in denen kein Satz zu Ende gesprochen . wird, und auch die Gebärden sind nur skizzenhaft ausgefühct. Der > Gang auf den Zehenspitzen ist um so erfreulicher, als in den meisten Filmen heute gepoltert wird. (Zur Aufführung des Films stämmigen Neger zu schmiegen, macht auf Umwegen fühlbar, daß der Gegenstand ihrer Inbrunst ein Neger ist. Niemand merkte es sonst. Statt das Verlangen nach Negerplastik Zu befriedigen, wirken die Exoten wie einheimische Produkte. Sie sind der Art des Volks nicht entgegen, sie verschmelzen bildhaft mit ihm. Der Mangel an Sensationen, der von dieser Uebereinstimmung herrührt, ist aber eine größere Sensation als die erwarteten. Oder ist nicht die Bestätigung wunderbar, daß die Völker einander ver wandt sind wie ihre Märchen? Sie sind es unter der Voraussetzung, j daß sie noch in den Grund reichen, aus dem die Märchen auf- WegeröaL in Hans. Die Neger treffen sich mehrmals wöchentlich im Quartier! Grenelle, weitab von den Hauptzonen des Vergnügungsbetriebes. Arbeiter und Kleinbürger bewohnen das Viertel. Es ist nachts so dunkel wie die Hautfarbe der Neger, die sich aber weniger aus koloristischen Gründen als aus dem Bedürfnis, ungestört zu bleiben, dorthin zurückgezogen haben. Schon öfters haben sie den Ort wechseln müssen, um der weißen Neugierde zu entrinnen. Ein ver gebliches Verfteckspiel, denn die Fremden folgen stets wieder aus dem Fuß. Sie versprechen sich ungemeine Sensationen von einem Negerball und sind mit dem Instinkt von Spürhunden begabt. Der Versammlungsraum unterscheidet sich nicht im geringsten von den üblichen Vorstadtlokalen. An der Fassade prangt als be scheidene Festillumination eine Leuchtlinie, die sich, unmodern ge nug, aus einigen bunten Glühbirnen zusammensetzt. Sie lockt in der leeren Straße nicht eigentlich Passanten an, sondern beschränkt sich darauf, eine stillvergnügte Horizontale zu sein. Durch den Vorhof eines Cafes gelangt man ins Solchen, das von nicht zu unter bietender Einfachheit ist. Solche Interieurs dienen in amerika nischen Wildwestfilmen gewöhnlich als Hintergrund für Schlägereien. Die Kapelle sitzt gedrängt auf einer Estrade, an den Seiten stehen wahllos Tische herum. Mager gestrichene Wände; eine Art von Hühnerleiter führt zur hölzernen Galerie. Von ihr aus blickt man aus ein Urwaldgewimmel herab. Aus der undurchdringlichen Finsternis der Frisuren glänzen die roten, grünen und gelben Gewänder wie tropische Blüten nach oben. Um die schwärzlichen Hälse geschlungen, erfüllen sie die Luft als seien sie starke Gerüche — eine aufregende Vegetation, die an die Drei farbdrucke in Pflanzenwerken erinnert. Manchmal schwindet die dunkle Grundsubstanz in die Fingernägel, und Gestalten tauchen auf, die hell wie eine Lichtung sind. Die Damenwelt hat ihre Gipfel und Niederungen; eine der Negerinnen ist von der gekräuselten Pracht einer Kongomajestät, die eben aus dem Busch kommt, andere scheinen in dem großen Paris bereits vernutzt worden zu sein. Nicht jede bringt es zu einer Josefine Baker, und es gibt viele kümmerliche Berufe, bis herab zu dem, dessen Ausübung zwingt, allnächtlich zwischen der Place Manche und der Place Pigalle spazieren zu gehen. Unter Umständen ist er ganz lohnend; denn das männliche Publikum auf dieser kurzen Strecke besteht ja nicht nur aus College-Boys und amerikanischen Legionären, die freilich Blon dinen bevorzugen. Bon den Herren, die fast durchweg das Aussehen längst gezähmter Raubtiere haben, mögen einige Portiers sein, Barkellner und Chauffeure. Besondere Toilette haben sie nicht ge-