-ZV3 -305 Zum neuen Richard S. Krakauer. Die Tauber-Tonfitm-Produktw Film produziert, man kann es ihr gurrt und Tauber singt, immerfort muß er in dem Film singen, ein himmelblaues Gegurre, eine ununterbrochene Schwelgerei in Martha-Arien, Volksmelodien und Liedern. So ist es in Ord nung, denn das Publikum will seinen Tauber singen hören. Aber die Ohrenweide ist keine Augenweide, und Tauber singt nicht in einem richtigen Film, sondern schmettert auch noch den Film aus sich heraus. Ich will den Inhalt des Films nicht ausführlich erzählen; genug, daß er himmelblau ist wie der Tenor. Aber die Schluß szene ist immerhin der Wiedergabe wert; sie Zeigt, daß es die Bläue in sich hat. Am Anfang ist Tauber ein gesangsfroher Hochgebirgler, der brav im Kirchenchor mitsingt und sein Mädchen herzt. Er wird, wie es sich gehört, von einem Impresario entdeckt und verwandelt sich mit Blitzesschnelle in den gefeierten Tenor, der er ist. Seine dörfliche Braut — Lucie Englisch ist reizend und ein Trost in dem Elend -- fährt eigens nach Berlin, um ihn, wie wir alle, singen zu hören, verfehlt ihn durch eine Jntrige, die zerstört worden wäre, wenn sie ihn vorher von ihrem Kommen benachrichtigt hätte, aber dann wäre die Jntrige nicht erfolgreich gewesen, und reist sofort traurig wieder zurück, im Glauben, daß er sie nicht mehr liebe. In der Heimat nimmt sie dann einen ungeliebten anderen Mann. Man kann sie dazu nur beglückwünschen. Doch jetzt geschieht dies: unser Tenor, der angibt, das Mädchen Zu lieben, eilt in die Heimat und trifft gerade rechtzeitig Zur Hochzeit ein. Seine alte Filmmutter beschwört ihn, nun, da es zu -spät sei, unbemerkt abzufahren und den Seelenfrieden der Ge- Tauber-Film. Berlin, im April. hat wieder einmal einen nicht verbieten. Die Taube uu/' eben Vermahlte ihn unter allen Finale hat Publikum seinen ungetrübten Genuß am Nehme ich den Film zu ernst? Weil kaum ein-. können sie immer wieder produziert werden. Weil fast niemand hnen^entgegentrltt, ruiniert ihre Produktion Gewissen und Kunst ^^rF^bkik^E^ ^um heißt. „Da s lockende H ? s" Uraufführung hielt vor dem Capital der Luxuswagen Zauber« l Eocr k eins d t ehnim Zi me l eelnblaeun t gaenggeenst f r ü ic h hreen D unads f P ich w t ik g u anmz s u o maus L I asls t o l b ^ « . au^aM^^ i^reffelosem Wohlgefallen am Auto, teils aus wohlgefälligem Interesse an der Kirnst. Oh, du himmelblauer S. Kramn«. MoleLarische Schnellbahn. Berlin, im April. Vor einigen Tagen wurde die Hauptstrecke der Untergrundbahn Neukölln —Gesundbrunnen eingeweiht. Sie gehört zu dem nördlichen und östlichen Schnellbahnnetz, das früher zugunsten der Verbindungen mit den westlichen Vororten vernachlässigt wor den war. Wahrscheinlich im Herbst kommt noch die Linie durch die Frankfurter Allee hinzu; womit wenigstens für den Osten einiger maßen gesorgt wäre. Das großzügige Bauprogramm sah darüber hinaus weitere Streckenbauten vor, aber nicht alle Verkehrsblüten- träume reifen, die ZeiteE'sind schlecht, und auch die jetzt errichtete Linie hat ihrer Finanzierung'wegen schon Anstoß erregt. Sie führt mitten durchs ^Stadtzentrum aus Proletariervierteln in Proletarierviertel, von Fabriken Zu Fabriken. Eine grenzenlos ausgedehnte Arbeiter- und Geschäftswelt wird von ihr unterminiert. Die Bahnhöfe sind technisch und Zweckmäßig wie moderne Spitäler, mit einfachen Eisenstützen, blank gekachelten Wänden, schmuckloser Beschriftung und allen möglichen Lichtsignalen. Eine gute Orga nisation, praktisch und völlig hygienisch. Manchmal ist die Eisen konstruktion mit Säulenschäften umkleidet, die wahrhaftig ein Kapital auf dem Kopf haben; schöne runde Säulen, die man bei nahe lieben muß, weil sie ein Anachronismus sind, ein Gruß aus einer anderen Oberwelt. Der Bahnhof Rosenthaler Straße sucht sogar durch seine rosig angehauchten Wandplatten die Illusion zu erwecken, als ob diese Gegend ein Rosental sei. Das Publikum, das die Strecke benutzt, sieht freilich nicht eben illusionsfähig aus. Die Zeiten sind schlecht, und auch die netten Wagen, die sauberen Bahnhöfe helfen nicht darüber hinweg. Männer mit Werkzeugmappen, Burschen in Lederjoppen, Büroangestellte, Arbeiter, Frauen mit Laschen und Kindern füllen die Bänke und Gänge. Sie kommen vom Einkauf oder fahren zum Arbeitsplatz. Auf anderen Linien geht es heiterer zu als hier, in den Unter geschossen des Wirtschaftslebens. Äele müde Gesichter und nicht das mindeste Konfektionsgeschnatter. Zum Glück kräht mitunter ein ahnungsloses Kind. Immerhin, die Bahn wird den Hundert tausenden in ihrem Umkreis ein wenig das Dasein erleichtern. Steigt man irgendwo während der Fahrt aus und aus Licht, so wird man, umgekehrt wie in Tausendundems Nacht, nicht im glänzende Schlösser, sondern in aufgerifsene Steinlandschaften ver setzt. Aber das Unbehagen, das von ihnen ausströmt, ist besser als der Scheinfriede der Paläste. Da ist, mitten auf der Strecke, der Alexanderplatz: zur Zeit noch sin riesiger Abstellraum, in dem Bretterzäune und halbe Hausse aufgespeichert sind. Der Wind fegt durch die Lücken ins Bodenlose hinein. Da ist Gesund brunnen: ein weitverstreuteZ Gemenge aus Schienensträngen und Häuserblockfetzen. Alles nach jeder Seite hin geöffnet und wie es gerade kommt; nirgends die Spur einer perspektivischen Glie derung, eines für kontemplative Menschen bestimmten Abschlusses. Dazwischen larrge Straßen, graue Straßen, Straßen mit Bal könen, hinter deren Gittern im Sommer Grün eingesperrt ist, Backsteinfronten, Kirchen, Beerdigungsinstitute, Höfe und Kinder. Doch Las Leben in diesen Wüsteneien ist unverwüstlich, und gerade an den beiden Endpunkten der Bahn signalisiert es gellend. Laß es sich nicht unterkriogen läßt. Am Hermannplatz in Neukölln erhebt sich der gewaltige Warenhauszwinger von Karstadt, eine Msnumentalarchitektur, die mit drohender Geste alle Welt Zum Eintreten auffordert, und unmittelbar Hinter dem Bahnhof Ge sundbrunnen steigt wie ein nächtliches Plakat die weiße Fassade dsx „LichLLurg" empor, die aus lauter schwingenden Horizontalen besteht und überhaupt ein Niederschlag neuester Sachlichkeit ist. Wenig über eins halbe Stunde Omnibusfahrt, und man ist am Kurfürstendamm. Aufgang nur für Herrschaften, Luxus karosserien, gut. gekleidete Leute. (Auch hier sind allerdings die Zeiten schlecht.) Die beiden Stadtteile, die ineinander übergehen, scheinen unabsehbar weit voneinander entfernt. Wieder und wieder erschüttert die Erkenntnis, daß der Abstand zwischen ihnen durch keim Schnellbahn Zu verringern ist.