Es läßt sich nicht behaupten, daß Herr von Wiese mit dieser ernsten Erkenntnis Lei der Versammlung Glück hatte. Die Dis kussionsredner, unter denen sich Kulturbeiräte und Prominente wie Professor Dessoir befanden, trugen beinahe durchweg einen Opti mismus vor und zur Schau, der ihrer engen Beziehung zur Rund funkorganisation genau entsprach. Abgesehen von zwei beziehungs losen kommunistischen Sprechern, die den bestehenden Rundfunk als ein Kampfmittel der bürgerlichen Gesellschaft kennzeichneten und den proletarischen Sender forderten. Die Diskussion förderte, wie immer in solchen Fällen, höchst ungleichwertige Einsichten zutage. Zum Teil feierten in ihr leicht durchschaubare Ideologien ihre rauschenden Orgien. Um nur ein Beispiel zu nennen, meinte ein besonders rundfunkseliger Redner, daß durch das Verdienst des Rundfunks ein neuer organischer Be griff der Nation im Wachsen sei. Oder es wurde der Bedeutung des Rundfunks für die Stärkung der Volksgemeinschaft gedacht. Man kennt diesen Ton, der wie vor dem Krieg so auch heute und immerdar durch alle Festreden schwingt, diesen Idealismus, der die Berührung mit der Wirklichkeit ängstlich vermeidet. Die Gesamthaltung war im großen und ganzen die: daß man, Herrn von Wiese entgegen, die bloße Vermittlerrolle des Rundfunks bestritt und an seiner Tiefenwirkung festhielt („Tiefe kann auch volkstümlich sein", sagte einer der Reder, der Herrn von Wiese in diesem Punkte wohl mißverstanden hatte); daß man aus der Praxis heraus einen verhältnismäßig engen Kontakt mit dem Publikum feststellie; daß man nicht zuletzt sämtliche Möglichkeiten unterstrich, k über die der Rundfunk trotz seiner Neutralität verfüge. Wenn aller ! dings die Pastorale Aeußerung fiel, daß der Rundfunk jede destruk tiv wirkende Veranstaltung auszuschalten und zur Duldsamkeit zu erziehen habe, so zeigt das schon, mit wie falschen Inhalten die R Ne d utrali b tät g if e f füllt d werd i en l kan d n i . A C m h richt b igste i n h wurde sie v i on h jen A em - ener egren, erseas e ance ezecnee,gegnersce n- schauungen kontradiktorisch einander entgegenzusetzen. — Von den praktischen Vorschlägen sei nur der eine erwähnt, der empfiehlt, nach englischem Muster Rundfunkzirkel zu schaffen. Aussprache üöer den Mundfunk. FestsitzunganLäßlichdessünsjährLgenBestehens der Reichs-Rundsunk-Gesellschaft. Berlin, 15. Mai. Die Reich-Rund funk-Gesellschaft, die heute vor fünf Jahren gegründet worden ist, verunstaltete Zu Ehren dieses Ereignisses eine Festsitzung im Plenarsaal des Reichswirt schaftsrates. HoffenÜich werden die Dienst- und Dichterjubiläen eines Tages nicht auch noch in so kurzen Abständen gefeiert. Man hatte den richtigen Gedanken, die Festsitzung als eine Arbeits sitzung abzuhalten, wie deren schon mehrere im internen Kreis statt- gefunden haben. An der Versammlung, zu der diesmal die Presse zugelassen war, nahmen Vertreter der Kulturbeiräte und die Vor stände und Prsgrammleiter sämtlicher Rundfunkgesellschasten teil. Redner der Tagung war Professor Leopold von Wiese, der sich über das Thema: „Die Auswirkung des Rund funks auf die soziologische Struktur unserer Zeit" verbreitete. Herr von Wiese ging als Universitätslehrer und Soziologe an die schwierige Untersuchung heran. Das heißt, er gelangte nicht eigentlich von den empirischen Tatbeständen aus zu der besonderen Problematik des Rundfunks, sondern leitete sie vorwiegend aus allgemeinen Betrachtungen ab. Ohne daß feine Darstellung ungeahnte Aspekts eröffnet hätte. Zeigte sie doch die sozialen Phänomene, die mit dem Rundfunk neu gegeben sind, keineswegs in dem üblichen rosa Licht. § Im Verlauf der Strukturanalyse wurden verschiedene Fra gen angeschnitten, die in der späteren Diskussion immer wleder- kehrten. So die nach der Zusammensetzung des Publikums. Es ist Herrn von Wiese zufolge eine Masse, die aber die Rundfunk offenbarungen nicht als Masse entgegennimmt, vielmehr in der Hauptsache aus isolierten, einsamen Hörern besteht. Ferner: diese Masse ist anonym und kann den Darbietungen des Rundfunks nicht wie andre Empfängermassen mit einem deutlichen Echo antworten. Wichtig auch die Einbeziehung des Neutralitätsproblems, bei^ dessen Erörterung Herr von Wiese freilich selber etwas in die Neutralität zurückwich. Jedenfalls trat nicht ganz klar hervor, wie er sie nun beurteilt wissen will. Bezeichnete er zunächst die dem Rundfunk auferlegte Neutralität als einen Kompromiß, so machte er bald danach aus der Not eine Tugend und erklärte, daß die Sendegesellschaften ihre Neutralität im Sinne des „Volksdienstes" aufzufassen und zu verteidigen hätten. Also wäre Neutralität das eine Mal ein leidiger Zwang und das andere Mal das Zeichen oder Vorzeichen irgendeiner Angreifbaren höheren Einheit. Man erfährt nicht genau, was sie nun eigentlich für den Redner ist, versteht auch nicht recht, warum er seine These, daß der neutrale Rundfunk nicht im Interesse der besitzenden Klassen ausgenutzt werden könne, gerade mit dem Hinweis auf die öffentliche Kon trolle stützen möchte, der das Rundfunkprogramm untersteht. Wo nach richtet sich denn die „öffentliche Kontrolle"? Nach den Macht verhältnissen der großen politischen Parteien, nach Kräften mithin, die keineswegs den Ausschluß bestimmter Interessen garantieren. Schließlich prüfte Herr von Wiese die Art der Wirkung, deren der Rundfunk fähig ist. Er kam Zu dem Ergebnis, daß die von den Sendegesellschaften verabreichten Darbietungen schon ihrer Mannig faltigkeit wegen niemals eine Dauerwirkung erzielen können, die in die Tiefe geht. Viel eher ist der Rundfunk ein Instrument des sozialen Verkehrs, ein Zubringer zu den in anderer Form über lieferten Werken, an die er die Hörer heranführen wag. Der Verlauf der Sitzung bewies, daß fünf Jahre heute eine lange Zeit sind. Schon hat das Denken das Leben eingeholt, schon scheint der Augenblick gekommen zu sein, in dem die Probleme auskonstruiert werden müssen, die der Rundfunk aufgibt. Je mehr h R e a rr u s m che u r n fe d st Zeit beherrscht werden, desto weniger S steh K e r n ac d a ie uer Be- . ..