Wie in anderen Tonfilmen, so treten auch hier deutsche Sprecher für die ausländischen Darsteller ein. Aber das ist ein Unfug, mag er auch durch eine deutsche Erfindung, das sogenannte rhythmographische Tonfilm-Aufnähmeverfahren herbeigeführt sein. Es ist nachgerade an der Zeit, gegen diese U«rbersetzungs-! Methode laut und öffentlich zu protestieren, sonst wird i durch den Sprechfilm noch der letzte schwache Rest des Sprach-^ gefühls getilgt, den wir zu verlieren haben. Unerträglich, daß die auf den Pariser Argot zugeschnittene Figur der Heßling deutsche Mutterlaute tönen muß, daß Murfkis Muschik-Visage biderb- einheimisch redet. Man glaubt die babylonische Sprachverwirrung Wo der Untergrund eingetrocknet ist, kann das Kunst , gewerbe gedeihen. Seine Art ist: Stilblüten hervorzutreiben, ! die sich vom Stil dadurch unterscheiden, daß sie ohne Stiel sind und erst recht keine Wurzeln haben. Wäre noch dieser Film einheitlich stilisiert! Aber seine Hersteller sind so jedem Zwang enthoben, den die erfahrene Wirklichkeit auferlegt, daß sie gleich mehrere Stil- könsteleien miteinander vermischen. Aus gewissen französischen Avantgarde-Filmen, so einer seiner Zeit im Studio des Ursulines gezeigten Schlagerfantasie Cavalcantis, scheinen sie die Be wegungsgesetze geschöpft zu haben, nach denen sich Catherine Heßling drehen und wenden muß. Ihre Mimik paßte zu einem Pariser Chanson, verträgt sich jedoch durchaus nicht mit dem Gebärdenspiel Jean Renoirs, der, vermutlich nach dem Willen der Regie, einem Wedding-Cavalier aufs Haar gleicht. Dazwischen mengen sich naturalistische Landschafts- und Budeneffekte. Ist wenigstens die Haupt- und Staatsakten des eigentlichen Silhouettenfilms in sich geschlossen? Ach, auch sie, die einige hübsche, routiniert aufgemachte Bildeinfälle enthält, durchbricht wiederholt die Grenzen der Scherenschneiderei und strömt über gesprenkelte Flächen ins Jenseits der strengen Schwarzweißkunst. Um ganz davon zu schweigen, daß Lotte Reiniger Sei ihrer Jagd nach dem Glück nicht die geringste Idee im Köcher gehabt hat. Alles in allem ist so der Film ein kunstgewerblicher Querschnitt durchs Modische wie der „Querschnitt", eine Sache für anspruchs losere Snobs, der noch dazu Titel von gewollter Primitivität die nötige Süßlichkeit verleihen. „Ermattet gibt er auf das Spiel, Denn was zuviel ist, ist zuviel", hecht es einmal. Was richtig ist, ist richtig. ^7/. /U-rL Die Handlung könnte schön sein. Zwei junge Leute, Liebende natürlich, ziehen mit dem Vater des Mädchens im Schaubuden- wagen durch Südfrankreich. Da das Geschäft schlecht geht, be schließen sie gegen den väterlichen Willen ein Theater mit beweg lichen Scherenschnitten zu eröffnen. Nach Lausend Schwierigkeiten gelingt ihnen endlich ihr Vorhaben, und sie führen im ausver kauften Leinwandzelt ihr Schwarzweißstückchen: „Die Jagd nach dem Glück" auf. Nun lächelt Fortuna auch ihnen. Daß die Fabel dürftig ist, wäre 'nicht schlimm, wenn ein starker Atem ihre kleinsten Elemente bewegte. Der echte Film zieht ja seine Kraft nie aus der in Worten ausdrückbaren großen Gesamt- handlung, sondern stets nur aus der Spannung, mit der seine winzigen Bildeinheiten geladen sind. Aber in dieser „Jagd nach dem Glück" sind die einzelnen Szenen nichts weiter als Füllsel, die leere Flächen ausfüllen, statt die Komposition wirklich zu er füllen. Sie sollten das Leben des Ganzen keimhaft enthalten, und sind bloße Dekorationen. Was nutzt die reizende Matrosenszene mit den GuckkasteaSildern oder die ausgezeichnete Rummelplatzmontage? Sie gehen nicht als Bestandteile ins Ganze ein, schimmern viel mehr wie Reklamemalereien auf großstädtischen Bauzäunen. Einmal sucht Jeanne im Jahrmarktstrubel verzweifelt ihren Freund Mario — eine Bildfolge, die offenbar dem unvergeßlichen Film: „Zwei junge Herzen" entlehnt ist. Während sie aber dort einen Ge halt verkörpert, der nicht zu missen wäre, ist sie hier eine mehr oder minder überflüssige Dreingabe. Es fehlt der fruchtbare Grund, aus dem die Details sprießen müßten, und beziehungslos reiht sich Mache an Mache. I)ie Jagd nach dem Htück. Berlin, Ende Mai. Die Uraufführung des Films: „Die Jagd nach dem Glück" im Marmorhaus, war mit allen Mitteln der Propa ganda in Szene gesetzt. Glänzender Aufmarsch der Namen: Lotte Reiniger hat sich, nebst Carl Koch und Rochus Gliese, um Manuskript und Regie bemüht. Hauptdarsteller sind die Fran zosen Jean Renoir und Catherine Heßling, der Russe Alexander Murski und die Amerikanerin Amy Wells. Eine internationale Assemblee und als Thema das Neueste vom Neuen: eine Verbindung von To n - und Silhouettenfilm. Was ist bei dieser schon lang mit Trompeten angekündigten Jagd nach dem Filmglück erjagt worden? Kunstgewerbe. Nicht einmal gutes. zu beheben und stifte: eine heillose Verwirrung zwischen der Geste und dem dazugehörigen Wort. Und das in Aera der „Körper kultur", in der alle Jünglinge und Mädchen so ausdrucksvoll hopsen. Hier hilft nur zweierlei: entweder man läßt nach dem Rezept: „Deutsche, trinkt deutschen Wein" deutsche Darsteller deutsch sprechen, oder man nimmt mit den ausländischen Schau spielern auch ihr angestammtes Idiom in Kauf. In diesem zweiten Falle kann ja wie Lei den ersten importierten Tonfilmen der deutsche Text an wichtigen Stellen unauffällig beigefügt sein. S. Kracauer.