unmöglich hielten. Nach einer kurzen Zeitspanne, die sich endlos dehnte, war die tollkühne Dame am Ziel angelangt und wechselte ein paar leise Worte mit der gebräunten Gesellschaft. Und siehe, kein Blitz vernichtet die Frevlerin, sondern wider jedes Erwarten ereignet sich ein entzückendes Wunder: sofort wird das Fenster ge schlossen, der Tisch hinter das Fenster gerückt. Ohne auf ihrem Recht zu beharren oder auch nur den Kellner zu rufen, verrichten die Herrschaften selber mit fteundlichen Mienen das kleine Werk der Gefälligkeit. Alle Gaste atmen erleichtert auf; nun, da statt der Zugluft endlich gute reine Luft das Lokal erfüllt, können sie wieder atmen. Es fehlte nicht viel, und sie feierten die unscheinbare Dame, die vergnügt an ihren Platz zurückkehrt, wie eine der Todesgefahr entronnene Heldin. Nur der Geschäftsführer blickt aus der Ferne so mißmutig drein, als ob ihm der Glaube an die göttliche Welt ordnung zerstört worden sei. Was geschah in dem Restaurant? Ein einzelner Mensch hob den KriegSzustand auf, der alle von allen trennt, schlug die Angst vor dem Wort nieder, das die Kraft der Versöhnung hat. Wie ein Komet zeigte sich der Friede am Horizont. S. Keaearrer. Ariedliche Lösung. Kleine moralische Erzählung. l Berlin, im Juni. Ich möchte einen winzigen Vorfall erzählen, der sich in einem Berliner Restaurant abgespielt hat. Las durch seine gute Kirche vnd seine noch bessere Organisation eine starke Anziehungskraft üufA Publikum ausübt. An einem schönen, windigen Abend »paren alle Fsnstertüren zur Terrasse geöffnet, und in einem der Neuster stand ein gedeckter Tisch. Vielleicht war er für Sports leute reserviert, für Menschen, die ohne die dauernde Zufuhr von frischer Lust zu ersticken glauben. Jedermann wäre mit der Politik der offenen Tür einverstanden gewesen, hätte sich nicht der hygienische Luftzug, kaum daß er das Rauminnere bestrich, ln eine unhygienische Zugluft verwandelt. Unter ihr litten zwar Me Gäste, die nahe beim Fenster saßen, aber niemand wagte an der unumstößlichen Tatsache des Tisches zu rütteln. Nur eine Utere Dame, die sich in der Gesellschaft mehrerer befreundeter Personen befand, schien dem Schicksal trotzen zu wollen. Sie bat den Kellner mit höflichen Worten, das Fenster zu schließen und den gedeckten Tisch dahinter zu stellen. Die Kellner des Restau- Mnts sind gut gezogen, seine Organisation ist noch besser. Offen bar war der Tisch eine organisatorische Veranstaltung, denn der Kellner bedauerte, die Bitte abschlagen zu müssen, und verstand sich nur schwer dazu, einen der Geschäftsführer zu holen. Während die Zuglust ununterbrochen weiter wehte, blickten sämtliche Gäste, von Furcht und Mitleid bewegt, auf die ältere Dame, die so un scheinbar aüssah. Der Geschäftsführer kam, ein Herr, der einen feineren Frack als den der Kellner trug und im Schmuck seines Taschentuchwimpels wie ein öffentlicher Festdampfer durchs Lokal gM. "Die Dame wiederholte ihr Ansinnen mit einer Be scheidenheit, die der gedämpften Strenge des kleinen Gewaltigen entsprach. Ließ er sich rühren? Er erklärte die Bestimmung Nicht ändern zu können, auf Grund deren der Tisch nun einmal stand, wo er stand, und erst nach einigem Zögern fand er sich dazu bereit, einen der Direktoren in der An- Selegenheit zu bemühen. Inzwischen waren die Gäste erschienen, denen der Tisch gehörte, gebräunte Damen und Herren, die nicht den Eindruck machten, als ob sie gerade während der Mahlzeit auf die frische Luft verzichten wollten, die sie sicher den ganzen Tag über genossen hatten. EZ zog munter fort. Eine geraume Frist verstrich, ehe der Direktor auftauchte, dem gegenüber die Bitte der Dame zum Flehen wurde. Er rauschte nicht etwa in einem noch vornehmeren Frack als der Geschäftsführer daher, sondern begnügte sich mit einem schlichten dunklen Anzug. Je höher der Posten, desto unauffälliger werden, von einer gewissen Sprosse der gesellschaftichen Stufen leiter an, die Abzeichen der Würde. Auch der schlichte Direktor be teuerte seine Ohnmacht. Unter Umständen hätte sich die Dame jetzt noch an einen der Generaldirektoren wenden können, aber, Generaldirektor wäre vermutlich ebenfalls unfähig gewesen, in Sas geheimnisvolle Walten der Organisation einzugreifen. Kraft ihrer Vorkehrungen mußte der Tisch an seinem Orr verbleiben. Und so war allem Anschein nach jeder weitere Appell vergeblich. Er war es nicht. Die ältere Dame tat etwas Ungewöhnliches, etwas, das gegen die hier üblichen Spielregeln verstieß. Sie erhob sich, ließ trotz der verzagten Einwände ihter Freunde die ganze Organisation links liegen und näherte sich mutterseelenallein den Freiluftleuten am hartnäckigeli Tifck^ Den Gästen im Umkreis ver-j ging der Appetit. Mit einem beklommenes Schweigen verfolgten fiej den Vormarsch der einsamen Expedition, deren Gelingen sie für' 8. L. BerLin, im Junfl Der unter dem Protektorat der Deutschen Liga für M e n sche n recht e hergestellte Film „VÄgahu n d" möchte die öffentliche Aufmerksamkeit Mf das Vacmbundengesetz lenken. Eine stumme soziale Reportage, bei der Gregor G o g, der bekannte Vagabundenführer, und einige von der Landstraße geholte Typen mitgewirkt haben. Wenn man in diesem Film — er wird im Marmorhaus gezeigt 7- veranschaulichen wollte, wie ungerecht die Gesellschaft das Vaga bundentum behandelt, so ist man zum mindesten nicht sonderlich geschickt verfahren. Zwar w ird ausdrücklich mit geteilt, daß das Gros der Tippelbrüder aus Arbeitslosen besteht, aber auf. dem Bildstreifen überwiegen doch die Vagabunden aus Neigung und Abenteuerlust. Der junge . Bursche, dessen Wanderungen nahezu die ganze Leinwand füllen, ist ein echter Zigeuner, der es nirgends lang aushält und bei der geringsten Unannehmlichkeit losmar schiert. Mag ihm die Ungebundenheit gegönnt sein: weder ist der romantische Stolz auf sie angebracht, noch gehört im Augenblick die Sorge um den geborenen Vagabunden, der UutsmW die Seßhaftigkeit E zu dkn dringlichen Pflichten der Gesell schaft? Sie muß erst einmal ihre Arbeitslosenheere ernähren und beschäftigen, ehe sie an jene denken kann, die sich der sozialen Eingliederung entziehen. Womit gewiß nicht die im Ulm wieder holt geschilderte Härte irgend eines fetten Spießbürgers gegen die SchlechLwetzgekomme entschuldigt werden soll.) Und/ sind wirk lich alle Vorsteher von Gendarmeriestationen Befehlsfiguren mit einem bösartigen Monokel? Begegnet das Elend immer nur dem verstocktLn Herzen? Der Film verfällt gleich den meisten Zeit stücken, die jetzt unsere Bühnen überschwemmen, in den Fehler, die von ihm verfolgte Tendenz dadurch abzuschwächen, daß er dem Publikum gerade die übelsten Exemplars aus dem feindlichen Lager vorsetzt. Während die gute Polemik den Gegner stets dort Zu treffen sucht, wo er scheinbar nicht zu verwunden ist, und die Schädlichkeit einer Einrichtung am allerwenigsten aus den beson deren MWräüchen ableitet, N ihr getrieben werden» Nach Abzug dieser leidigen UeSergriffe bleibt ein sehenswerter Bildbericht aus dem merkwürdigen Dasein der Landstraßenprole- tarier. Daß ihm mitunter ein kräftiger Schuß von Wandervogel poesie beigemengt ist, wird auf dasselbe unklare Wollen, der Her steller zurückzuführen sein, das auch ihre Tendenz verunreinigt. Unnötig wäre gewesen, zu der Reportage noch den Reporter hin- zuzufügen, der sie Veranstalter: eine wahre Windsbraut von Re porter, der im Auto und Wettermantel angerast kommt, seine Beute hurtig ab- und ausschlachtet, und die bekränzten Opfer ohne jeden Verzug den Rotationsmaschinen zum Fraß vorwirst Nicht genug damit, erfahren die Zuschauer auch noch den Namen der Zeitung, in der die Ergebnisse dieser fixen Expedition erscheinen. Ihn preiszugeben, ist um so überflüssiger, als er sich aus dem Tempo des Reporters unschwer erraten läßt. Der Regisseur Fritz Weiß, ein neuer Mann, hat von den Russen gelernt, Typen zu verwerten und den Landschaftsraum zu bannen. Unstreitig eine Begabung, die eigene optische Einfälle hat, wenn sie auch noch ungleichmäßig in der Montage ist. HaupDar- steller: der junge, etwas Zu stark gesüßte Walter E d ^ der mit blitzenden Zähnen die Freude am Schweifen verkörpert.