671 öl Kv- , -5L3 Conan Doyle -f. Conan Dohle soll sich zuletzt dem Okkultismus zugewandt huben, eine Neigung, die sein Sherlock Holmes vermutlich kühl belächelt hätte. Jedenfalls gründet sich der Ruhm des englischen Schriftstellers nicht auf seine etwaigen Erkenntnisse über das Jen seits, sondern auf die scharfsinnigen Analysen, mit denen er dem menschlichen Diesseits zugesetzt hat. Ihm ist einer der klastischen Typen des Detektivromans zu danken. Hat Edgar Man Poe das dämonische Dunkel und die skurrilen Zwischenschichten geklärt, so triumphiert 'bei Dohle der auf Eis gelegte Weltverstand, der das Empire der verbrecherischen Taten und Tricks beherrscht. Sherlock Holmes verkörpert ihn in britischer Nationaltracht. Eine hagere, durchtrainierte Erscheinung, mit der unvermeidlichen Pfeife im Mundwinkel, zum Auswachsen phlegmatisch und der Chemie holder als allen Frauen. Mit ihm siegt der eommon 8eu8s über den trüben Abfall des normierten Lebens, ein zu genialer Findigkeit gesteigerter eommou §SN8s, der aber keineswegs mit der kapitalisti schen Ratio identifiziert werden darf, vielmehr das entscheidende Attribut des vollkommenen Gentleman ist. Ein Ritter vom Scheitel bis zur Sohle ist Holmes. Kraft seiner Deduktionen trifft er den Schuldigen und entreißt die Unschuld jedem Verdacht. Auch diesem umgekehrten Don Quichote ist ein Sancho Pansa beigesellt, und vielleicht bezeugt nichts die mittlere Intuition straft DoyleH schlagender als die Figur Dr. Watsons, des Arztes, von dem Holmes umkreist wird wie die Sonne von der Erde. Er ist der Trabant des Meisters und vor allem der Mittler, dessen Holmes schon darum bedarf, weil er durch Beruf und Würde verhindert ist, für sich selber zu sprechen.— Seit Conan Dohles Musterschöpfungen sind mehrere Detektivstars aufgetaucht, die den Glänz des großen Zweigestirns Holmes- Watson zum Verbleichen gebracht haben. Aber auch das Dickicht in der Welt ist mittlerweile undurchdringlicher geworden, und der hagere Engländer mit der Pfeife vermöchte es wahrscheinlich gar nicht mehr zu zerteilen. Dennoch wird ihm eine Ecke im lite rarischen Olymp gegönnt sein, ist er doch einer der letzten Gestalten, in denen der ideale Gentleman die Personifikation der idealen Aufklärung ist. Ar. Hraörennen in Wariendorf. Kein Sportbericht. Lr Berlin, im Juli. Mariendorf: ein Berliner Vorort, südlich von Tempelhof. Eine jener endlosen, schnurgeraden und viel zu breiten Straßen führt dorthin, die den Außenbezirken aller Weltstädte gemeinsam sind. Ihr Fuhrverkehr ist so unregelmäßig wir ihre Bebauung. Links im Hintergrund der Flugplatz, später Siedlungen, eine Art von Hochhaus, freies Land. Am Ziel stauen sich Trambahnen, Omni busse, Wagen; es ist, als hielten sie einen Fahrzeugkongreß ab. Eismänner, Brezelweiber und Zeitungsverkäufer harren in der Spätnachmittagshitze aus, die sich dick anfühlt und nicht abfließen will. Auf den Zehenspitzen scharen sich ein paar Leute um irgendein Astloch im Bretterzaun, hinter dem das Dab-Dab von Pferdehufen ertönt. * Ich bin, zu meiner Schande sei es gesagt, noch nie bei einem Pferderennen gewesen, geschweige denn bei einem Trabrennen Es ist schön, von einer Sache gar nichts zu verstehen, man versteht sie dann unter Umständen viel besser. In der parkähnlichen Anlage beim Eingang entfalte ich die soeben erstandene Rennzeitung, aber sie gleicht aufs Haar dem Handelsteil der Tageszeitungen, eine mit Kennworten und Ziffernkolonnen bedeckte Seite, deren Geheimnissen ich schlechterdings nicht gewachsen bin. Viel be kannter schön, ja geradezu vertraut muten mich die Tribünen an, der kleine Holz- und Glasturm und das Rasenrund mit der grünen Baumfolie am Horizont und dem weiten Himmel darüber. Wo sind wir uns nur früher begegnet? Im allgemeinen bin ich durch den häufigen Kinobesuch gegen Überraschungen gefeit, und exotische Landschaften etwa verblüfften mich nicht im geringsten. Hier dagegen verwirklichen sich weniger Filmeindrücke als impressio nistische Bilder. Diese Freiluftgruppen, diese Glasschürzen, diese Farbskalen: auf vielen Gemälden habe ich sie erblickt. Der Im pressionismus, dem die meisten Gegenstände gleich wert waren, hat die Welt der Rennbahn so gründlich ausgeschöpft, daß sie mit keinen anderen Augen mehr betrachtet werden kann. M Ein Rennen beginnt, das heißt, es beginnt noch lange nicht, sondern die Jockeys fahren willkürlich in der Bahn umher, mit Nummern versehene Jockeys in rot, gelb, grün auf niedlichen Wägelchen. In der Nähe des wichtigen Türmchens gehen zwei große weiße Tafeln in die Höhe, und die Wettlustigen streichen sich in der unverständlichen Zeitung Namen und Ziffern an. End lich wird an einer entfernten Stelle bis drei gezählt und wie beim Stiergefecht ein roter Lappen geschwenkt. Ich verfolge an der Bar riere das Dab-Dab der Pferde. Eins macht einen besonders starken Eindruck aus mich, aber gerade dieses eine wird disqualifiziert, weil es springt, wo doch nur getrabt werden darf. Neben mir schwört eine Frau auf einen Jockey, der immer im Hintertreffen bleibt. „Sie kennen ihn nicht," sagt sie über mich weg zu meinem Nachbarn, „ das ist alles nur Taktik." Mich beachtet die Frau überhaupt nicht; offenbar gibt es geheime Merkmale, an denen sich die Habitues untereinander erkennen. Vielleicht hat der Jockey wirklich gewonnen, ich weiß es nicht, denn das Rennen ist vor über, ehe es eigentlich angefangen hat. Nachher wird durch den Lautsprecher das Resultat verkündigt und die ganze Publikums fläche mit Musikstücken bedeckt. Alten Reitermärchen und aus der Cavalleria. Man kann sich die Welt kaum noch ohne Lautsprecher denken. * Die Pausen sind ungleich ausgedehnter als die Rennen selber, ohne doch arm an Inhalt zu sein. Schon allein das Publikum füllt sie hinreichend aus. Es ist bei diesen Trabrennen eine merk würdige Legierung aus eleganten Interessenten beiderlei Ge schlechts und einer weniger mondänen Menge in betonten Feier tagskleidern. Ein vierschrötiger Herr mit rechteckigen Kinnbacken walzt zur Totalisatorbude hin, die wie eine Garderobe für abstrakte Gegenstände aussieht. Dort wird er den Zehnmarkschein anbringen, den er bereits lang vorm Ziel der Hinteren Hosentasche entnommen hat. Wird er tatsächlich? Er hält ihn in der Hand, weicht wieder zurück, bleibt zögernd stehen, liebkost das Scheinchen und trabt schließlich nach einem gewaltigen Seelenkampf siegreich vorwärts Beleibte Männer wie er sind in großer Zahl auf dem Platz, und ich wundere mich solange über ihre schlachtgewohnten Erscheinungen, bis mir ein Fachmann mitteilt, daß der Trabrennsport bekanntlich aus den Kreisen der Schlächter und Bäcker hervorgegangen ist. Sie haben ihren ganzen Anhang mitgebracht: Mütter, Tanten und Nichten, denen niemand die Routine zutraute, mit der sie die Rasenereignisse begutachten. Meinungen und Gegenmeinungen werden in einem reizenden, von Endell erdachten Gartenrestaurant laut, einer terrassenförmigen Anlage, die so komponiert ist, daß immer eine Blumenreihe mit einer Reihe menschlicher Köpfe ab- wechselt. Von den Tischen aus übersieht man die ebenmäßig ge formte Bahn, auf die gerade ein Gießwagen seinen transportablen Wasserfall niederschickt. In der Luft surrt es, obwohl sich zufällig kein Flugzeug blicken läßt. Aber es gibt so viele Motorräder auf der Welt. * Während der Abend seine Vorbereitungen trifft, findet ein Rennen statt, bei dem die Hälse der Zuschauer aus den Körpern fahren und die Augen aus den Köpfen. Der Favorit ist ein be rühmter Rappe, der zwischen Start und Ziel hundert Meter auf- zuholen hat. Sein Jockey triumphiert unter dem Jubel der Tribünen. Er macht es wirklich mit der Taktik: Am Anfang schießt er vor, dann spart er seine Kräfte, und erst zuletzt gibt er alle Reserven her. In der Dunkelheit, die nun den Tag Zu über- wältigen droht, entzünden sich die elektrischen Bogenlampen. Ein wunderbares Schauspiel hebt an: die Rennbahn leuchtet, sie ist ein leuchtender Riesenring, der frei in der Liefen Bläue des Himmels schwebt. Ein Turm im Norden erglüht, Helle Perlenketten schimmern an den Pavillons, die Jockeys glänzen bunt, und fremde Geräusche füllen die Nacht. Ich gehe vorm Ende. Auf der billigeren Tribüne am Ausgang drängen sich junge Burschen; vermutlich Arbeiter aus den Fabriken. Die Trambahnen, Omnibusse und Wagen draußen halten noch immer ihren Kongreß ab. Solist es aber bei allen Kongressen: die Leute können nicht aufhören zu reden