Worte zu einer unverständlichen Luftbrandung, die ganz an genehm klingt, und manchmal singt sogar Chevalier, Nach dem Essen benutze ich das Eäfs am entgegengesetzten Platzende, zwischen leeren Stühlen beinahe der einzige Gast. Zch träume unter einer aelben Markise, berausche mich-an dem Gedanken, daß es zahlloie Casss gibt und komme mir wie ein Robinson vor, der in einen Jnselarchipel rötlicher Marmortischchen ver schlagen worden ist. Auf vielen von ihnen stehen blaue Siphonflaschen wie Palmen einsam im Süden. Bald nach dem Abendessen hebt das Unglück an. Die Cafs- stühle rücken noch weiter in den Platz Hinein und verwandeln sich unmerklich in Zuschauersitze. Vor ihnen sind weiße Lein wandflächen gespannt, die an hölzernen Galgen hochgezogen werden. Vier Freilichtkinos — es genügt. Es genügt scheinbar doch nicht, denn außerhalb der also auf dem freigelassenen Platz, der allerdings nicht vorhanden ist, drängen sich die Einheimischen in Scharen. Sie stehen oder benutzen dre Feldstühlchen, die sie mitgebracht haben. Die Leinwandflächen erstrahlen, die CäM verdunkeln sich. DäS ist nicht recht von ihnen, denn ein Caf6 muß hell sein. Nur eines von den sechs bleibt als Caf6 erhalten, weil es sich einem von Fenstern durchlöcherten Haus gegenüber befindet, auf das schlechterdings nichts projiziert werden kann. Aber dieses Caf6 liegt abseits von den übrigen und wirkt überhaupt so verlassen. Gleich nach meiner Ankunft habe ich einer Aufführung bei gewohnt und dann nicht wieder. Kaum lehne ich mich erwar tungsvoll in mein Strohstühlchen zurück — es ist bereits finster und man hat durchaus die Empfindung, in einem abgeschlosse nen Raum zu sitzen — so wird mir bewußt, daß ich nicht nur auf die Leinwand sehen kann, derentwegen ich Hier meinen Kaffee trinke, sondern auf die Flächen zur Rechten und zur Lin ken. Sie gehen mich eigentlich nichts an, locken mich aber un widerstehlich. In der ersten Stunde laufen überall. Reklamen ab, dreimal dieselben, nur in verschiedener Reihenfolge, ganz St.-Malo inseriert. Später kommen die Filme. Ich befinde mich unmittelbar einem Liebesdrama gegenüber, das sich so langsam abwickelt, daß ich hinreichend Zeit habe, nach beiden Seitch W blicken. Links rast ein komischer amerikanischer Grpteskfilm, über den die Leute wie toll lachen. Einer überkugelt sich fortwährend, veranügt sich unter Wasser bei den Fischen, usw. Rechts da gegen zieht ein spannendes Kriminalstück herauf, mit Ver brechern im Hotelflur und blitzenden Autos: Während ich in der Mitte weinen müßte, weil der.Held seine Geliebte im.Mich läßt, hätte ich, streng genommen, links mit den andern zu lachen und rechts den Atem erregt anzuhaltem Ich zerspalte mich zuletzt in drei Zuschauer, die nichts mehr miteinander eemein haben. Die verlassene Geliebte schlägt Vurzelbäume, und der Held geradeaus wird zUM Mörder. Die drei Zuschauer Überwerfen sich auf dem Heimweg und wollen nicht länger zu- sammenbleiben. Nachts braust und rauscht die Bedürfnisanstalt lauter als sonst. ° Mei Filme auf einen Schlag - meine Kinoleidenschoft hat ryre Grenzen (Wie wäre es übrigens, wenn man in St. Malo dafür drehte? Das Städtchen eignet sich ausgezeichnet Sehenswürdigkeiten. Wer sich m St-Malo aufhält, kann dem Mont-St.- Michel mcht entgehen, Ansichtskarten, Farbdrucke und Pho tos spiegeln ihn tausendfach wider, und man weiß bald das Original auswendig, ohne es je erblickt zu haben. Seine Besichtigung wäre mithin überflüssig, aber wer vermöchte der Verfuhrungskraft der vielen Autocars zu widerstehen die Tag ftw Tag dorthin fahren und ihre Exkursionen auf Schritt und Tritt anpreisen? Die Konstatierwut der Menschen ist unersätt- und auch ich unterliege ihr an einem Tag, den mein Hoteiportier schön nennt. Warum, ist mir unklar, denn heißer konnte es nicht gut sein, und wir fahren noch dazu über lauter baumlose Alleen. Endlich kommt zu Gesicht, was ich in und ohne Rahmen schon so oft zum Ueberdruß vor Augen gehabt habe Das Objekt macht natürlich nicht den erwarteten Ein druck, wirkt überhaupt nicht wie ein Urbild, sondern eher wie eine nach den Vervielfältigungen hergestellte Rekonstruktion. Das rst die Rache an der Photographie: daß das Original durch seine Echtheit verliert. Wenn man das Gebiet des Mont-St.-Michel betreten hat, ist man unverzüglich seiner Bewegungsfreiheit beraubt. Die Ankunftzeiten der meisten Autocars sind mit den Besichti gungszeiten so geschickt kombiniert, daß man zuerst eine Stunde in einem der zahlreichen Restaurants zubringen muß, von denen die einzige Straße des Orts besetzt ist. Diese Straße ist einem Alpdruck ähnlich und erinnert an die von Lourdes. ^st der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert, so der zum Himmel frommer Sehenswürdigkeiten mit eitel Tand. Ein unerträgliches Gemisch von religiösen Gegenständen, Touristenbelangen und Andenkenartikeln füllt die Enge, in der es nach Küche riecht, nach Trinkgeldern und nach Fremden. Es ist heißer als heiß, und der erste Schub wartet vor der Kathedrale auf Einlaß. Eine Menschenherde, die sich, so- Zauberers ein Täubchen nach dem anderen herausflattert, so tauchen innerhalb der Wälle lauter verschiedene Quartiere auf. Die Hexerei wird durch das Mm begünstigt. Eine Art von Hauptstraße halbiert zwar die Stadt, aber sie ist so gewunden, daß ich öfters eine Seitenstraße mit ihr ver wechselt habe. Nicht zu meinem Schaden bin ich regelrecht in die Irre gegangen und nach wildfrenkden Gegenden verschla gen worden. Da ist ein beinahe moderner Baumplatz mit mehreren offiziellen Gebäuden; eine mittelalterliche KomM nation aus Kathedrale, Torbogen und Treppchen; eine stille Provinzstraße zwischen Wall und Wall. Abgeschlossene Winkel aM Genua sind eingespxengt Und ein richtiges Matrosen- viertelchen mit einer Music. Hall, die wie ein Osterei grell angemalt ist und sich in einem Gastenschlauch verbirgt. Dieses Klein-Marseille öffnet sich nach dem, F i sch markt zu. Nicht so, als ob sich nur hier die Fische sammelten. Ueber- all auf dem Straß enpflaster Hocken Weiber mit Körben, in denen Fische liegen, schöne Fische, die wie Perlmutt glänzen und so zierlich ornameUtiert sind, als seien sie in den Wiener Werk stätten hergestellt. Der Fischmärkt. selber wird fast ganz von den kreisrund angeordneten Ständen ausgefüllt, über die sich ein Zeltdach spannt. Ein Karussell, das von Restaurants um ringt ist, in denen man verspeisen kann, was unter dem Zelt heftig zappelt. Voller Todesangst wehren sich die Langusten dagegen, bei lebendigem Leib nach Gewicht verkauft zu werden. Aber es hilft ihnen nichts, denn die Händler packen sie einfach bei den Scheren und fesseln die Körper mit Bindfäden. Ich möchte den Tag der Langusten-Revolution nicht erleben. Es wird ein Tag der Rache sein, wenn sie anrücken, die roten Legionen, und ihre Feinde in die Beine zwicken, gefolgt von den Tanks der Krustentiere And den Kampfformationm der Schnecken und Austern... Woher es rührt, daß die vpn Mauern eingeschnürte Stadt sich so grenzenlos weitet, ist mir ein Rätsel. Sind es die fünf stöckigen Häuser? Die vielen vollgepfropften Geschäfte? Die Menschenströme und das: „l tbiM so"/das ewige: „VKat"? Ich weiß es nicht. Ich bewundere nur den Geist der Ein wohner, die diesen mikroskopisch kleinen Jnselraum so einge richtet haben, daß man in ihm Visionen haben kann wie sonst nur in riesigen Städten. Und sch verstehe gut, daß außer Chateaubriand auch noch Lümennais und andere berühmte Franzosen gerade in St. Malo zur Welt gekommen sind. Drei auf einen Schlag. Ich liebe leidenschaftlich das Kino (was nicht heißen soll, daß ich mich für den heutigen Tonfilm einsetze). Daß auch diese Liebe nicht schrankenlos ist, habe ich erst in St. Malo erfahren. Man wird sich schon gefragt haben, wo die Caf 6 s liegen. Denn was wäre eine Stadt,vor allem eine französische, ohne Caf^s? St. Malo verfügt über einen einzigen großen Platz, der auf der einen Seite von Häusern, auf der anderen von der unvermeidlichen Ringmauer begrenzt wird. Der Platz ist natür lich gar nicht groß, aber das gehört eben zur Hexerei. Auf ihm, der ein länglicher Korridor ist, sind nicht nur sechs Cafäs, sondern auch noch ein Restaurant untergebracht. Macht zu sammen sieben Lokale. Sie schieben ihre Tische so weit vor, daß sich die Autos nur schwer durchzwängen können. Wie sie sich behutsam vorwärts bewegen, gleichen sie den Dampfern, die sich während der Ebbe eine schmale Fahrrinne suchen. Da ich je nach der Tageszeit das Caf6 wechsle, sehe ich den Platz rmmer aus einer neuen Perspektive. Vormittags zum Beisviel sitze ich in einem Cass, das dicht bei einem Radiogeschäft liegt. Durch den Schalltrichter wird: „Hallo, hallo!" gerufen und in einemfort laut gesprochen. Seit der Erfindung des Radios hat die Geschwätzigkeit im der Welt noch beträchtlich zugenommen. Hört man aber nicht zu, so verschmelzen die LLS-HMSM SWWMIW ^IMWLMMZ Param« glänzen im Master. Der Mond rst ganz gelb. Großstadt s» mlmaturv. Da die Wallpromenads nur kurz ist, müßte die Stadt von MSZZSs