S Kracauer. Eine Dame und ein Herr spazieren vor den Toren Konstant^ nopels auf und ah. Sie sind in ein Gespräch vertieft, dem eine be sonders Wichtigkeit Leizumeffen ist. Dennoch vernimmt man nicht das ganze Gespräch; vielmehr: je weiter sich die beiden vorn imagi nären Publikum entfernen, desto unhöröarer werden auch ihre Worte, und erst wenn sie umkehren und sich vergrößern,, entringt sich die Sprache wieder den sichtbaren Gebärden. So erfährt Ler Zuschauer die entscheidenden Satze, die von keinem Ballast beZ schwert sind, und prägt sich zugleich das Bild der Wandelnden .ein, das nicht minder bedeutungsvoll ist. Dieser echte LsnfilmeffekL, der mit dem Theater nichM-Wchr zu schaffen hat, findet sich in dem von Kurt Bernhardt gedrehten Lerrafilm: „D e r Mann, d erde n M o r d Leg i n dem der bekannte Roman gleichen Titels von Glaube Faröre zugrunde liegt. Ein Liebesabenteuer aus den Vorkriegstagen,.das sich in der vornehmen Fremdenkolonie am Bosporus abspielt» Außer dem. Mangel an aktuellen Stoffen, der Angst vor.ihnen.u Not- wendigkeit,/ den Apparat Mitsamt den Stars zu beschäftigen, lag wohl kein zwingender Anlaß vor, gerade auf diese schwüle/ psycho logische Fabel zurückzugreifen. Wer nun ist es geschchech. und. ich räume gerne ein, daß sich die Regie der mühsamen, ja undank baren Aufgabe, ein heute nicht mehr populäres Liebesereignis zu veranschaulichen, gut entledigt hat. Gelungen ist ihr vor allem, das langsame T e m p s innezuhalten, dessen. die zwischen menschlichen Beziehungen zu ihrer ^Entwicklung-bedürfen — ein Es wird weiter verboten. Berlirr, Anfang Februar. Beginnen die Zeiten Mettermchs wiederzukehren? Rein äußer lich betrachtet, scheint es jedenfalls so. Und wenn auch heute andere Belange als gerade Throne zu schützen sind, ist doch den Zensur behörden die gleiche Angst wie damals in die Knochen gefahren. Aus dieser Angst heraus gelangt sie Zu Verboten, die schließlich unhaltbar sein werden und eine Stickluft erzeugen, in der ein Volk Die das deutsche auf die Dauer nicht atmen kann. Das Opfer des neuesten Eingriffes ist ein kleiner sozial- dsmokratischer Propagandafilm, betitelt: „Ins dritte Reich". Der Zur Vorführung in geschlossenen Mitglie derversammlungen bestimmte Trickfilm —- er wurde den Vertretern der Presse in einer Sonderveranstaltung gezeigt — verdeutlicht seinem Publikum auf lustige Weise die Beziehungen der National« sozialisten zum Kapitalismus und auch zu Mussolini. Ich finde nicht, daß er die Zustände völlig richtig wiedergibt. durch deren Schilderung er die Massen gegen den Nationalsozialismus mobil machen will. Die Karikatur des Hitlernrannes ist zu flach und obenhin, und der Unternehmertypus trägt nicht durchaus die Züge des modernen Kapitalisten; um von dem fragwürdigen Einsatz der Lohnpolitik ganz zu schweigen. Aber immerhin: die Gegenseite liefert viel gröbere Schablonen, und der Zuschauer erfährt doch, daß die Hakenkreuzler die Widersacher der Arbeiterschaft sind. Er wird beim Anblick des Films die Faust ballen; allerdings nur bis kurz vorm harmlosen Schluß. Am Schluß entspringt nämlich wie Pallas Athene dem Haupt des Zeus der Leinwandfläche ein rüstiges Weib, das die deutsche Republik darstellen soll, und den hin ter einem Hakenkreuzgitter schmachtenden Arbeiter aus dem Ge fängnis befreit. Eine prächtige sozialdemokratische Apotheose, die nur leider Made durch das Verbot der Prüfungsstelle desavouiert wird. Das heißt, in erster Instanz ist der Film für geschlossene Ver sammlungen zugelassen worden, aber die Filmoberprüf- stelle hat dann seine Aufführung generell untersagt. Und zwar wendet sie sich darum gegen die Darbietung in Partei kreisen, weil bei der nach Millionen zählenden Mitgliederschaft der SoZLaldemokratie eine geschlossene Veranstaltung einer öffentlichen gleichkäme. Ist das ein Zureichender Grund? Es ist mk AuMuchL, Iußßall, Uorknegslieöe und Wevotution. Ein paar Filmeindrücke. o Berlin, im Januar. So oft ich in den letzten Monaten das Kino besucht habe, Lm W ein unfreiwilliger Zeuge von Fußballwettspielen gewesen. Sie gehören zum immer wiederkehrenden Repertoire der tönenden Wschensch a n, die, mag sie von Fox, von der Ufa oder von Paramount hergestellt sein, keinen größeren Ehrgeiz kennt, als die ganze Welt Zu umspannen. Wer die Welt in diesen Wochenschau berichten ist gar nicht die Welt selber, sondern das, was von ihr übrig bleibt, wenn alle wichtigen Ereignisse aus ihr entfernt werden. Ein schäbiger Weltrest, den die Filmindustrie entweder tatsächlich für den Kosmos hält oder den sie dem Publikum nur darum vsr- setzt, um ihm den Anblick der wirklichen Welt zu unterschlagen. Denn Zeigte man die Dinge, wie sie heute sind und zu geschehen , Pflegen, so könnten manche Leute beunruhigt werden und gar an der Vortrefflichkeit unserer derzeitigen Gesellschaftsordnung zu zweifeln beginnen. Das will natürlich die an ihr interessierte Film industrie unter allen Umständen vermeiden- And da sie nicht in der Lage ist, dem. Volk Brot zu verschaffen, spendiert sie ihm wenig- stens^ZirkW es mit Illusionen unterernähren: elementare Katastrophen statt der sozialen; militärische Manöver statt der Manöver, die Zu militärischen Rüstungen führen; Bilder aus dem Tier- und Kinderreich statt der Illustration von Zuständen, die uns viel näher betreffen. Eines der HaupLbetauÜungsMiLLel ist nun gerade der Fußballsvielleicht, weil Lei seiner Aus Übung so viel gebrM wird und der Tonfilm beweisen möchte, wie laut er sein kaum In Deutschland, in den Vereinigten Staaten, in England — überall wird auf den gleichen Schauplätzen und immer unter dem ungeheuren Andrang begeisterter Massen Fußball gespielt. Ich hätte gar nichts wider diese weitgereisten Vergnügun gen einzuwenden, wenn sie auf der Leinwand nicht so entsetzlich einförmig und langweilig wüten. Volle Tribünem rasende Läufer, Gejohle und Bälle das wiederholt sich mit unerbittlicher Hart näckigkeit von Woche Zu Woche. Ein Triumph der Gedankenlosig keit, der es um nichts weiter Zu tun ist, als die Augen und Ohren Zu stopfen, damit einem Hören und Sehen vergeht. Es ist auch schon vielen vergangen. Die Wochenschau, die der Berliner Aus führung des Hallelujah-Films voranging, enthielt einen amerika- mfchen MonstrefußballM der in höchst erregender Weise von den nachfolgenden Negersz^ SpörtpMikum und die schwarzen Bo^ w'll'stnner: Leide schrM aber als die eigentlichen Barbaren wirkten doch nur die Weißen in der Arena, die ihrer Lebenslust und ihren Verdrängungen in Lärm- exzefsen Luft machten, wie sie nicht einmal afrikanischen Wilden beigekommen wären, geschweige denn jenen Negern. Die Sinnleere der Wochenschau entspricht der ihrer Objekte. Dabei könnte sogar die Filmindustrie, ohne irgendeine Gefahr zu lausen, etwas/ mehr Welt veranschaulichen, als sie jetzt zu umspannen beliebt. Es käme nur auf den Versuch an, und er verlohnte sich zweifellos auch- ge schäftlich. guten Gründen fürchte ich allerdings, daß sie das Experiment nicht riskieren wird. Und so müssen wir eben weiter .auf die Wochenschau warten, in der es etwas zu schauen gibt. Tempo, das über dem der Aeroplane beinahe-Ln Vergessenheit ge raten ist, obwohl es bei genügender Dichtigkeit des Gehalts nicht minder atembeklemmend wirkt. Um es zu bewahren, sind freilich viel zu viel LandschaftMlder eingeschaltet worden, dis nur den Eindruck der Breite erzeugen, statt der Vertiefung zu dienen. Aber ! trotz der falsch ausgewerteten Exotik: es ist wohltuend, daß hier mit LauMchm MM eine Begsbenheir der Vorkriegszeit gerettet wird, die ein Anrecht auf Erinnerung hat. Conrad Veidt ist vom! Scheitel bis zur Sohle das Muster eines Kavaliers; George über- treibt seinen englischen Lord; Trude von Molo sesselt durch ihre charmante Erscheinung und ihr Ausdruckstalent. Eine fabelhafte Episodenfigur Gregory Ehmara als Lebemann im Rausch. H - s Der im Mozartsaal gezeigte Film: „D anton" ist Fritz Kortners wegen sehenswert. Kortner als Danton: ein Volks- tribün, der durch die Gewalt der Rede so hinzureißen vermag, daß man den Jubel der Anhänger glaubt.. Fast spricht er schon über die Leinwand hinaus — eine runde Gestalt, die nicht aus Be griffen entsprungen ist, sondern rein durch ihr Dasein überzeugt. Gutmütigkeit, LiebesbedürfniS, Härte und Ueberdruß mischen sich unzertrennlich, und ein besonnener Kunstverstand waltet über der ganzen Figur. Zur äußersten Entfaltung gelangt dieser Danton in jener Szene, in der er sich vor dem Konvent verteidigt; der ein zigen Szene, die dem Regisseur Hans Behrendt wirklich geglückt ist Nach glänzenden Steigerungen mündet sie in die Marseillaise, und eine Ensemblewirkung entsteht, wie st- bisher im Tonfilm nur selten erreicht wurde. Sonst ist der Film ein Produkt der zur Zeit üblichen neutralisierenden Geschichtsklitterung, die sich mit Anek doten begnügt, wo sie Zusammenhänge geben sollte, und ihre Ab kunft von Emil Ludwig deutlich verrät. Ich nenne noch Gustav Gründgens, dessen blitzgescheiter und sehr Plausibler RobeSpierre nur am Anfang zu weich ist.