Im Gegenteil, er fühlte sich unbehaglich in seiner Farbenpracht, dich er, so schien es, nickt eigentlich aus freien Stücken, sondern aus/ Zwang angelegt hatte. Dennoch führte er den ihm erteilten Aus. trag mit dem bei uns sprichwörtlich gewordenen Pflichtbewußtsein durch. Er stand aufrecht da, wie ein braver Soldat, der sich mtv dem Gedanken an den Tod im nächsten TanzlokaL vertraut, gemacht' hat. Während er aber ängstlich darauf achtete, daß die Uniform nicht verrutsche, begann das Rote Meer ohne äußeren Anlaß Zw Zeigen. ZU leuchten. Zu rinnen, und auch die schwarzen Srich^ reservate drohten ein Opfer der selbsttätigen Zerstörung M. werden. Es war, als weinte der Fasching, und in der bunten Brühe trieben steuerlos zwei vorzeitige Aschermittwochsaugen umher. Am WiLtenbergplatz stieg er aus. Niemand ülickw ihm nach. Einsam opferte er sich dem Vergnügen. Die Stimme. - Bon.-Durchreisenden ist mir wiederholt vsrsichert wE daß' ihnen die vielen'Bettler in Berlin auffielm. Ihre Zahl hat sich, auch durch den Zuzug von Erwerbslosen, in der Tat stark ver mehrt, und Zwar bevorzugende vor allem den besuchteren Teil des Kurfürstendammes, wo sie — ob mit Recht, soll gar nicht aus gemacht werden -- besonders wohltätige Passanten vermuten. Wer dort täglich vorbeikünunt, lernt bald die einzelnen Bettler unter scheiden. Sie haben, ihre Stammplätze, undhdie roten, gelben und grünen Sonnen der Lichtreklamen, die den Strom des stets wechselnden Publikums beschsmen, spenden auch ihnen ein Stück Dauerglanz. AngestrahlL von dem Namen omeS-mondE Seebades, irr dem es zur Zeit kaum warmer sein dürfte als in Berlin, harrt Abend für Abend ein Blinder am Vorgartsnrand, aus dessen Gewalt ich ' mich immer nur schwer Zu befielen vermag. Dabei hat/er es nicht., einmal auf übertriebene Kläglichkeit abgesehen. Er ist in mittleren Jahren, tragt eins Art von Schirmmütze und bieteL Streichhölzer feil. Ungewöhnlich ist em ihm weder das Bild des Verfalls noch die Bitte um Mmosen, sondern'einzig und allein seine Stimme. Andere pfeifen , aus dem letzten Loch; diese Stimme sprüht aus ihm. „Streichhölzer, Streichhölzer... Bitte, helfen Sie.. mir/ > sagt der Bettler ohne Unterlaß ins Straßenleben hinein. Wer wie er es sagt! In einem Ton, der nicht klagt noch anklagt, der nicht s ergreifen will und sich auch nicht im geringsten erhebt — in einem völlig unbeteiligten Ton vielmehr, den man gerade darum hören muß, weil er sich aus jeder Beziehung .zum Sprecher, und Zu den Angesprochenen gelost hat. Ich glaube nicht, daß er vom Bettler " herrHrt oder irgendwo , hinziett Es ist, ÄS W dick Stimme Begegnungen mit iMMen AMren. Berlin, im Febrrmr. Berliner Fasching.. / ' Der Berliner Fasching — ich bin ihm gewissermaßen persönlich begegnet, am Sonnabend, genau um Mitternacht. Die Begegnung erfolgte in der Untergrundbahn, die sogar ausnahmsweise einmal nicht überfüllt paar. Sonst erinnert die Art der Unterbringung in diesen Zügen eher an einen MaterialLransM als an die Beförde rung von Menschen, aber das Publikum weiß, daß es auch nur MenschenmaLerial ist, und findet sich darum mit seinem gedrückten Zustand geduldig ab. Der Wagen, .in dem ich . führ, war mit gewöhnlichen Zivilisten besetzt, die vermutlich an alles andere eher als gerade au den Fasching dachten. Es gibt ja heute eine Menge von Dingen, mit denen unser Kopf mindestens ebenso vollgestopft wird wie die Untergrundbahn: die Mordüberfälle, die Arbeitslosigkeit, und was fangen die HiLlerleüts nach ihrem Exodus aus dem Reichstag au? ..Ein Wirbel erregender Ereignisse, der wie in einem. Zirkus vorab erbraust und die Bewerbung-Sarmsan^ Berliner Obsrbürgermeisterpost beinahe zu rechtfertigen vermag. > Mitten in dem nächtlichen Alltag stand mir gegenüber eine vsr« einzelte Faschingsperson. Der junge Mann, der nicht den besseren Ständen entstammte, bemühte sich ersichtlich darum, den Karneval im feindlichen Ausland würdig Zu vertreten. Er trug Zwar der " Kälte wegen, die auch den grundsätzlich chrohsmmgm Menschen nicht verschont, einen UeberZieher, aber unter dem Mantel erzeugten Tanzschuhe einen leicht Zerknitterten Glanz, und den oberen Ab schluß bildete eine giftgrüne Halskrause, der wie einem Rissen- kelch die knallige Blüte des Gesichts entquoll. Es war eine einzige Röte, die nur durch den künstlichen Schnurrbart und die peinlich hingestrichenen Augenbrauen unterbrochen wurde. Wie Spuren eines schwarzen Festlandes ragten sie aus dem Roten Meer hervor. Vier Stationen weit bin ich mit dem jungen Mann Zusammen gefahren. Daß er lustig gewesen wäre, wage ich nicht Zu behaupten. lichen — ihr Aufiauchen erhält die Handlung in Gang und verleiht ihr den erforderlichen Rhythmus. Während die Masse der deutschen Tonfilme den Sinnzusammenhang jeweils aus den mehr oder weniger sinnlosen Dialogen, Schlagern usw. gewinnen mochte, setzt dieser Film dem falschen Prinzip das richtige ent gegen, nach dem sich der Sinnzusammenhang in der Hauptsache aus den Beziehungen der optischen Elemente zueinander ergeben muß. Besagt ihre Vorherrschaft, daß der Ton abzudanken Wie? Keineswegs- Er ist im Tonfilm genau so notwendig wie .das Optische, wenn er nur nicht die Führung beansprucht. Auch Tas' wird im Karamasoff-Film bewiesen, der ohne die stete Dazwischen- kunft der Töne unzulänglich wäre, wie stark immer er visuell, bestimmt ist. Ein Satz stellt den Uebergang von einer Montage einheit zur anderen her; die musikalischen Anknüpfungen, an die Stattonsgeräusche sind nicht 'zu entbehren; die akustische Ueber- blendung Meier Gespräche, deren eines hinter einer Tür von statten geht, ergänzt den gezeigten BildmrGchniLL; die Steigerun gen des Bacchanals im Zigeunerhaus wären ohne die Tonmalerei nicht möglich. Gewiß stützt sich der Film nicht auf die Musik und - die Dialoge; aber das tönende Element ist ihm doch wesentlich und mehr als nur Zutat. Wie ein Stahlskelettbau auf bis Mauerfüllungen angewiesen ist, so bedarf der echte Ton« film der Geräusche und Worte, um sich zu schließen. Nach alledem versteht sich beinahe von selber, daß sich die Bild-. Montage ungehindert entfalten kann. Frei wie in den guten Zeiten des stummen Films werden die Bilder Miteinander asso« ziiert, und aus ihrem Fluh erstehen die wesentlichen Bedeutung gen« Mag O-G die Zeichensprache der Landschaft zu sehr belasten- und die herrliche Zi-geunersrgie über Gebühr dehnen — nicht jede Breite ist epische Breite er verfügt doch meisterlich Wer die Syntax der sichtbaren Weltbestandteile. Statt kunstgewerblicher Arrangements gibt er beredte Konstellationen; statt nichtiger Aus schnitte vielsagende optische Daten (ich denke etwa an den Blick auf die Tafel des alten Karamasoff). Und auch die Einmontierung des Tons ist von ihm in Gemeinschaft mit Rathaus treffsicher an gepackt worden. In dieser Hinsicht stehen wir allerdings erst am Beginn. Ksrtner als Karamasoff: da fehlt kein I-Lüpfeichen, Wer vieleicht Verwiegt um eine Spur zu viel das Raisonnement. Seine Partnerin ist Anna SLen, eine Vampfassade, die wunderbar Zu- sammenbricht, und unverbrauchte Liebe strahlt frei nach außen. Fritz. Rasp und Max Hohl stehen durch ihre Kunst der Charak terisierung den. Hauptspielern ebenbürtig zur. Seite. Nichts Ware unerfreulicher, als wenn der Kamnmsoff-FTm den Anstoß zu einer Serie inhaltlich verwandter Filme gäbe. Schon meldet die. Terra, wie ich . zu. meinem Schrecken erfahre, nach dem Erfolg dieses Werts einen zweiten Dostojewski-Film an. Als ob der-Erfolg dem Stuf zuKuschreiben wäre und nicht dem filmischen Gehalt! Gerade die StoffwaU des Films ist keineswegs Vorbilds hast, und ich weine, daß . sich in der heutigen Zeit wahrhaftig genug Themen finden lassen, die uns mehr betreffen als das Schicksal Karamasoffs. Was allein studiert und nachgecHmt werden sollte ist der Versuch zur richtigen GeMLung eines ernsthaften Tonfilms. S. Kramueck