>'onx) S. Kracauer» zusetzem Wkm-Kochsaison. Berlin- Im Februar» NLendanzug erbeten. Der Dreigroschenoperfilm ist nicht geglückt. Und ich bezweifle sogar, daß er hatte glücken können, wenn es nicht zum Prozeß zwischen den Autoren des Stücks und der Tobis-Warner gekommen wäre. Denn auch Brecht wäre nicht imstande gewesen, diese Oper, die aus dem Theater lebt, tonfilmfahig zu machen. Sie hat einen Stil, der nach der Bühne verlangt, weil er eine eigene Wirk lichkeit setzt, die mit realistischen Kunstmitteln nicht Zu erreichen ist. Einen exzentrischen Stil, wenn man will, dessen Hauptelemente gesellschastskritische Apercus, possenhafte Arabesken, lyrische Aus sagen und Travestien sind. Das steht dem Kabarett beinahe näher als der großen Bühne und dem Film am allerfernsten. Der zielt seiner ganzen Verfahrungsweise nach auf die optische Durch dringung der Realität ab. Ich möchte damit keineswegs sagen, daß der Film die sichtbare Welt so abzuöilden habe, wie sie normalen Augen erscheint. Im Gegenteil, die amerikanischen Grotesken be weisen deutlich genug, daß er Zeit und Raum bis zur Unwirklich- Leit verzerren kann, und bei Chaplin etwa wird die gesamts Realität eingeklammert und mit einem anderen Vorzeichen ver sehen. Wer, und das ist entscheidend: die Verwandlung der Reali^ tat im Film muß stets unter Zuhilfenahme rein filmischer Mitte! erfolgen. Chaplin drückt das von ihm Gemeinte mimisch aus, und noch der tollste Groteskfilm setzt sich aus Einfällen zusammen, dis das Gebiet des Visuellen nirgends verlassen. Der Übertragung in diese optische Sprache widerstrebt nun gerade die Dreigroschens Oper mehr als viele andere Merarische Stoffe. Sie ist die Bekun dung eines ausgeprägten Stilwillens, der sich gegen den Zauber realistischer Effekte in einer Zeichensprache richtet, die fürs Theater erdacht und in ihm allein Lcheimatet ist. Auf der Bühne mag der optische Zusammenhang beliebig zerstört, die Wirklichkeit mit Reflexionen und Lyrismen sabotiert werden; im Film ist die Reali tät nur innerhalb ihres eigenen Mediums anfzuhebem Nicht der Mörder also, sondern die Ermordete ist hier schuldig» Immerhin haben die Manuskriptverfasser Laura, Bijda und Balasz im Verein mit dem Regisseur G. W Pabst noch ein -übriges getan, um die Unmöglichkeit der Verfilmung Zu demon strieren. Statt daß die realistischen Teile Zugunsten der wesentlichen Einzelszenen und Gesangsnummern auf ein Minimum gebracht worden wären, sind sie über Gebühr in die Länge gezogen und be reiten den Pointen erkleckliche Schwierigkeiten. Das London ums Jahrhundertende ersteht, mit einem liebevoll ausgemalten Hafen viertel und Zeitgemäßen Kostümen. Eins richtige historische Welt, in der sofort zum Unding wird, was auf der Stllbühne glaub würdig ist. Der Realismus der Darstellung entkräftet auf Schritt und Tritt den Sinn der Leitmotive, die wiederum den Realismus Lügen strafen. Die Beziehungen Mackie Messers zunr Londoner Polizeipräsidenten, der in irgendeinem alten Journal abgebildst sein könnte; die leicht bewerkstelligte Flucht des Helden aus einem modernen Gefängnis; der Zusammenstoß des BettlerZuges mit dem Krönungszug: das alles paßt nicht zueinander und ergibt ein stil widriges Gemenge. Da, wie gesagt, die naturgetreuen Arrange ments überwlegen, werden die besten Situationen, Formulierungen und Ltzrismen des Theaterstücks selber oft unter einem Wust von Bildern erstickt, der ermüdend wirkt, weil er keine Spannung in sich enthalt Der «LgeZnderte oer em netter Merarischer Einfall ist, kommt nicht zur Geltung, und die Musik WeW nur selten zu Gehör. Sie, die dem Text erst Zur Existenz verhilst, wird im Film Küsemandergezerrt und stellenweise zur Illustration herab gesetzt.. . ' Gute Details machen den Schaden nicht wett. Ich erwähne die reizende und gefüllte Introduktion, die sich etwa bis zur Hochzeit erstreckt. Zu Anfang setzt sich auch Carola Neher als liebende, sanftmütige Polly durch, während fitz später als herrisches Wesen versagt. Rudolf Försters Mackie ist nicht unheimlich genug ge« raten. Ich entsinne mich noch deutlich, wie Theo Singen in der gleichen Rolle zum ersten NM über dre Bühne schritt; den Schauer, den er einflößte, vermag der Mackie Messer des. Films nirgends Zu erzeugen. Der Film wurde im Atrium als Festvorstellung uraufgeführü ^.AbendanZug erbeten", stand im Programm. Dieses Ver langen kennzeichnet den Geist der Mlmproduzenten genau so wie ihr Werk selber. Es wäre, gerade Leim Dreigroschenoperfilm, auch ohne den ALendanzug gegangen. Um ganz davon abzusehen, daß die Kleidervsrschrift angesichts einer pausenlosen Darbietung dop pelt großspurig wirkt. Zum Glück waren einzelne Herren in grauen Stoffen erschienen. A r r 2 n s. Elisabeth Bergner als Arlane im Film gleichen Titels: etwas vertrackt Jungmädchenhaftes, mit Natur- und Kunst, tonen ausgestattet, die jedes Wort in ein eigenes Geschöpf ver wandeln, spröd, schelmisch, tiefernst, sehr anmutig, launisch bis da hinaus und was weiß ich noch alles. Die ganze Skala ist schlechter dings nicht zu durchmessen. Ein bewundernswertes Spiel das sich freilich in einer kleinen Umwelt auslebt. Dafür wird jede Nuance genutzt, die sich bietet, und es entsteht aus tausend Zügen ein Madchenbild, das weniger Anet vorgeschwebt haben mag als Schnitz- u"d gebrochen, wissend und nichtwiffend, hingebend und ichsüchtig, so erfährt dieses grazile Zivilisationsprodukt dem man nur nicht recht glaubt, daß es Mathematik studiert, seine'erste Liebe oder war Liebe heißt. Sprüht Kindlichkeit, fabuliert entzückend im Schwips, gibt mit großen Unschuldsaugen EMSrungcn ab Und so werter. All- Verehrer der Bergner haben Grund, zufrieden zu ^"de mit Absicht die Schilderung ihrer Art voraus- weil der ganze Film überhaupt nur aus der Bergner besteht. Das hecht, es ist noch ihr Partner da, Rudolf Förster so em groger distinguierter Herrentyp und Don Juan, der zuerst nur M,s Abenteuer sucht und am -Ende in Liebe verfällt War Ariane -in unberührtes Mädchen oder nicht - um dieses Konflikt- chen von einem Konflikt, über das sich niemand mehr sonderlich ausregen wird, dreht sich das StüL / Es dreht sich sehr langsam, und man mich aufpaffen, daß sein Utem nicht plötzlich aussetzt. Zur Entschädigung sieht man immer die Bergner; in der Hauptsache von vorn und von lirM. Paul Czinnsr, ihr Dauerregisseur, hat die Theaterrämne, Hotel zimmer und Wartehallen mit Sorgfalt ausgewählt und sie in diese Milieus wie in gut paffende Schals gehüllt. Eine ge pflegte Atmosphäre, in der nur leider die Konversation teilweise unverständlich bleibt. Alltag? Der Film? „Brei Tage Liebs" M em „MmMeL dös Alltags" sein? So stellt ihn sich höchstens Jse Lederer vor, die offenbar mehr auf den Hügeln der Dichtkunst als in der Ebene der Alltäglichkeit zu verweilen pflegt. Diese Autorin läßt das Stubenmädchen Lerm, das als adrett und anständig geschil dert worden ist, den Brillantring der Gnädigen Frau stehlen, die übrigens selber ein Juwel an GnabiML ist laßt Lena das SchrmMück aus dem einzigen Grunde entwenden, weil sie von der verflossenen Freundin ihres gerade erst erworbenen Geliebten ge hört hat, daß dieser nur prächtig gekleideten Frauen die Treue Halts. Die unbescholtene Lena sucht nicht etwa Zunächst heraus^ brmgen, sö das 0n ckit überhaupt wahr sei, sondern wird lieber Wich Mr Diebin. Das ist-das Leben, wie G sich, unsere Dich ¬ terin denkt. Von Gewölk umnebelt, reiht fie eine UnwahrschLM- lichkeiL an dis andre, und zuletzt muß die arme Lena den über stZ verhängten Fehltritt mit dem Tode büßen, das Publikum in eine höhere Rührung gerate. Das verlogene und ambrtronöse Zeug schmeckt ranzig wie eine verdorbene Speise, Beinahe zwei Stunden hat man an ihr zu würgen. Sie dauM so lang wie die drei Tage Liebe selber, weil der Theaterregisseur Heinz Hilpert in diesem seinem ersten Tonfilm das schon ohne hin Gedehnte noch weiter aus dehnt und m einemsort leeres Füllwort mit Kammerspielwir^ verwechselt. Das Milieu ist überbe^ stimmt, die Stimmung ausgeschlachtet, und die Bagatellen dürfen sich spreizen. Hinzu kommt, daß manchmal, so in der Schutzmann szene am Schluß, mit theatralischen Mitteln gearbeitet wird, die im FUm versagen. Vor allem Käthe Dorsch, eine auf plastische, dreidimensionale Effekte angelegte Natur, hat unter der schlechten TranspoMion zu leiden. Sie wirkt matt, und ihr Spiel bleibt un- ausgefüllt wie ein abstrakter Begriff. Hans A! öers ist natürlich knorke genug, um sich auch unter den widrigsten Umstanden durch-