her- Die M^trostationen sehen hier alle so urtümlich auS: wie aus dem Felsen gehauen, voller Kohlengeruch und mit lauter hin- zum Kantstraße denke, Verlangen, ohne der irgendwo im funkhaus. die Straßen gar — wenn ich etwa an die so befällt mich sofort das unwiderstehliche Aufenthalt ihrem Fluchtpunkt zuzujagen, Unendlichen liegen muß, nahe beim Rund ¬ Untergrund. ihn zu einem handgreiflichen Instrument, das unsere Sprache versteht. Und ich habe wirklich mehrmals eine Verbindung bekommen. Flanieren. Das Tempo ist eine Folge der Bauart der Städte. Kann ixl o einer in Paris ein Berliner Tempo einschlagen, selbst wenn er es überaus eilig hat? Er kann es nicht. Die Straßen in den inneren Stadtteilen, sind eng, und wer sie passieren will, muß sich nach unseren Begriffen in Geduld üben. Und sind auch die großen Boulevards breit angelegt, so verbinden sie doch dichtbevölkerte Bezirke miteinander, die einen Dauer menschenstrom über sie schicken. Der Zwang zum Flanieren ist allerdings süß, und selten ist aus der Not des begrenzten Raumes eine so herrliche Tugend gemacht worden. Leider läßt sie sich nur schwer nach Berlin übertragen. Unsere Architektur ist entsetzlich dynamisch: entweder jagt sie un vermittelt senkrecht nach oben oder sucht auf horizontale Weise das Weite. Und Fernen. Im Paramount werden zwischen den Filmen immer farbenprächtige Einlagen amerikanischen Geschmacks auf der Bühne gezeigt. So sah ich diesmal: eW schöne Frau, die hell vom dunklen Hintergrund MtW, siNgt ein schmalziges Lied. Während sie singt, erglimmt allmählich ein Rot, das sich immer mehr ausbreitet, Kontur annimmt, und sich zuletzt als eine Kolossalvase von griechischen Formen entpuppt. Sie schwebt auf einem Sockel, der mit einem Relief von Meister hand verziert ist, das drei nackte Frauengestalten stellen. Das Rot wechselt ins Grün hinüber, und der Finsternis entringen sich lauter Mädchen, die Tänze vollführen. Einer von ihnen ist die Blaue Donau, und es versteht sich von selbst, daß die Vase in der Nationalfarbe dieses berühmten Walzers erstrahlt. Unterdessen hat sich das Relief schon mehrmals verändert. Am Ende leuchtet wieder das Rot auf, die Vase ist plötzlich mit Blumen geWt, und die schöne Frau singt ein Abschieds lied. Ob sie in Paris solche Schauspiele lieben, weiß ich nicht, aber sie vertragen jedenfalls eine Menge von dem Zeug, ohne dabei zu Schaden zu kommen. Der „Blaue Engel" ist bereits über dreihundert Mal aufgeführt worden, und seit kurzem gibt es sogar auf dem Montparnafle eine neue Bar: „I/svM bleu", in der es sehr hoch und teuer zugeht. Krise. Trotz dieser und anderer Bars: die Lokale sind leerer als sonst. In Caf^s auf dem Montmartre, die früher am späten Abend dicht besetzt waren, klaffen jetzt empfindliche Lücken, und auf dem BoulevM de Clichy herrscht werktags ein Ge triebe, das bescheiden zu nennen ist. Ein neusachliches, durch aus artfremdes Caf6 dort oben, dem ich schon vor einem halben Jahr den Ruin vorhersagte, hat tatsächlich inzwischen zuge macht. DiN neuen Bürohäuser und die vielen Mädchen werden es ein wenig schwer haben, ihrer manche sitzen allein an den Tischchen und warten sehnsüchtig auf die Fremden und bessere Zeiten. Auch das Dome bietet noch Platz genug, und ein Taxichauffeur beklagt sich bei mir darüber, daß er nun seit drei Stunden die erste Fuhre habe. Wahrscheinlich war ihm mein Fahrziel zu nah. Lauter Merkmale der Krise, die sich fühlbar zu machen beginnt. Sie sind sparsam hier, und wenn sie spüren, daß etwas heraufzieht, schränken sie sich gleich ein. Etliche Eingeborene oder solche, die es gerne sein wollen, freuen sich sogar der stilleren Zeit und meinen, daß Parts setzt wieder einmal zu sich selber komme. Jungalt. Im Caf6 Weber, das seit jeher ein beliebtes Ziel der Theaterbesucher nach der Vorstellung ist, erscheint gegen Mit ternacht eine Frau, die weiße Haare hat. Sie müßte von rechtswegen alt sein, aber ihr Gesicht ist jung und noch ziem lich unverbraucht. Ob ich will oder nicht: ich muß sie immer wieder anstarren wie ein Problem, das mich quält, weil ich eS Röhren, Nebenstrecken und unterirdischen Stollen versehen, die ins Erdinnere führen. Es ist, als seien sie unmittelbar der Natur abgerungen worden. So zweckmäßig sie eingerichtet sind: sie ermangeln der Glätte, die durch Routine entsteht. Man merkt diesen Tunnels Und Schächten, diesem ganzen archaischen Labyrinth noch an, daß es aus dem Nichts vorgegangen ist, daß Gestein war, wo jetzt Höhlen sind. verewigt, und die Häuserfundamente, zwischen denen es durchführt, sind wirklich Fundamente geblieben. Sehr Unterschied von der Berliner Untergrundbahn, bei der man die Spuren der Herkunft sorgfältig verwischt hat. Sie er innert nicht an Kellerverließe, sondern an hygienische Brause bäder, ihre Kachelwände funkeln spMMlatt und ihre Wagen sind schmuck wie ein neues Kinderspielzeug. Gin paar Hage Maris. Aus einem Taxi ins andere. In aller Frühe mit dem Taxi über den Kurfür^ der frischlackiert aussieht wie eine Kurpromenade auf älteren Stichen. Elegante Herren mit Backenbärten werden später die Allee entlang reiten und irgendwo wird ein FrühkonzerL in der Nähe eines Kochbrunnensprudels rauschen, der eben falls rauscht. Bahnhof Zoo. Der ^V-Zug fährt ein, zwei Minuten Aufenthalt, die Reisenden beeilen sich, in den Pariser Wagen zu dringen. Im erhebenden Bewußtsein, vor den anderen Reisenden ausgezeichnet zu sein, die nur nach Hannover fahren, nach Dortmund oder nach Köln, benehmen sie sich sofort ganz international. Die Räder rollen, es wird Französisch gesprochen, und bei CharloLtenöurg liegt Deutsch land schon beinahe hinter uns. In meinem Abteil sitzen drei Russen und eine Englän derin. Die Russen, die aus einem Vater, seinem Sohn und einem jüngeren Mann bestehen, können nur ein paar Brocken Deutsch und auch sonst keine europäische Sprache. Um so größer ist ihr Mitteilungsbedürfnis. Es ergibt sich, daß sie sich morgen von Cherbourg nach Kanada einschiffen werden, wo sie als Ingenieure tätig sein wollen. Da die Fahrt aus dem einen gelobten Land ins andere ziemlich lange dauert, sucht sich der jüngere Mann die Zeit durch einen Flirt mit der Engländerin zu vertreiben. Sie trägt eine Brille, ist ein halbes Jahr als Erzieherin in Berlin gewesen, hat sich dort unlängst das ,Meiße Röß'l" angesehen, ganz wundervoll mit den vielen Dekorationen, und spricht ein so überdeutliches Englisch, als ob wir alle noch ihre Zöglinge seien. Dem Russen nutzt aber ihre Aussprache nichts. Er zieht ein kleines englisches Wörterbuch hervor, das er vielleicht erst in Kanada einzuweihen gedachte, blättert darin und zeigt der Englän derin bestimmte Stellen. Mit der Zeit kommt eine lebhafte Unterhaltung in Gang, die heikle Themen zu berühren scheint» denn das Mädchen beginnt zu erröten und seine Vokale werden immer gedehnter. Während die beiden auf dem Gang verschwinden, frage ich mich, ob der Russe lieben möchte, um Englisch zu lernen, oder Englisch aus Liebe studiert. Sie sind besonders lerneifrig, die Russen. Bei Bielefeld erkläre ich ihnen: „Textilfabriken", im Industriegebiet: „Eisen und Kohle". Das macht sie sehr glücklich. In Aachen gehen Vater und Sohn verloren, wir merken es erst in Herbesthal. Sie haben offenbar beim Kaffee auf dem Bahnsteig den Zug ver säumt und konnten sich nicht verständigen. Der jüngere Russe ist zuerst ganz unglücklich, sagt: „Schwach", ein Wort, das ihm am besten die Lage zu bezeichnen scheint, und gewinnt ^dann mit Hilfe des Diktionärs und der Engländerin rasch wieder sein Gottvertrauen zurück. Gott ist hier allerdings nicht das richtige Wort, aber ist er auch abgeschafft, so werden sie sich doch dereinst in Kanada gesund Wiedersehen. In der Dunkelheit dösen sie alle, die Lokomotiven pfeifen schön hell, und jetzt kommt Paris. Paris -- die fünfzehn Stunden Fahrt sind ausgelöscht. Es ist mir, als ob ich eben erst über den Kurfürstendamm ge fahren sei und nun aus dem einen Taxi ins andere steige. Durch die schmalen Straßen, ich erkenne sie alle noch, in die Hallengegend, die wie immer um diese Stunde mit Wagen vollgestopft ist, an Gerumpel und Baugerüsten vorbei über die Seine, mitten durch geschwungene Reihen gelber und roter Lichter und wieder ins Häuserdunkel hinein, J—n—v. Sie führen wie bei uns das automatische Telephon ein, Apparate mit niedlichen Scheiben, an denen man dreht Md dreht, und manchmal pfeift es dann oder zwei Leute sprechen zu gleicher Zeit. Ich habe sogar wiederholt eine Verbindung bekommen. Aber davon abgesehen, das eigentlich Nette ist dies: In Berlin werden, die Aemternamen bei der Automati sierung durch Buchstaben und Ziffern ersetzt, so daß man etwa 0 8 zu wählen hat, um ein Gespräch über das AMt Hansa zu erhalten. Wenn wir in Deutschland schon rationali sieren, so geschieht es gleich gründlich, und was hätte ein Eigenname wie: „Hansa" oder „Oliva" noch innerhalb des automatischen Betriebes zu suchen? Wir reißen ihn mit der Wurzel aus, begeistert von der blanken Wählerscheibe, hie sich über ihn nicht minder mechanisch hinwegdrehen soll wie über die Stimme der Telephonistin. Anders verfahren sie in. Paris. Hier erfolgt die automatische Wahl vermittels der ersten drei Buchstaben des jeweiligen Amtes. Das Amt Od6on wird zu: O—d—e, Gobelins zu G—o—b, Invalides Zu I-n—v. Sie wollen nicht auf die Namen verzichten, die ihnen vertraut sind, sie montieren noch einen letzten Rest des früheren Eigennamens in die Apparatur ein. Mit einer Zähigkeit ohnegleichen heftet er sich an die Wählerscheibe, die ihn nachschleifen muß, wenn sie gedreht wird. Hemmt das Gewicht des Namens ihre Umlaufsgeschwindigkeit? Im Gegenteil: aus einem tyrannischen Automaten wird sie durch . Die menschlichen Anstrengungen, die es gekostet hat^ sind in ihm