^-^72 -277 Mue MMWare. Berti«, im April. Es ist zur Zeit nicht möglich, über neue Filme viel Mitteilens- wertes zu berichte«. Der Warencharakter ist ihnen sa fichtvar ausgeprägt, daß sie andere, sachlichere Funktionen kaum noch er- süllen. Es sei denn immer wieder die eine: dem Publrrmn -uft- schlöjser vorzngaukeln, die es für die schlechte Unterkunft im A.-tag entschädigen sollen. Aber das ist von, mir schon worden und nachgerade bekannt. Verstärkt hat sich allenfalls rn . der letzten Zeit der Drang nach Stabil is'^rung. Man erverimen-- ttert nicht gern, man scheut davor zurück, pch mit bedenklichen Themen auch n,ir einzulassen. Hemmmmsn, die nicht eben vom Nuternehmergeist der Produzenten zeugen und durch dre Meri- sehen Eingriffe der FilmoberprüMelle noch verstärkt werden mögen. So kommt es, daß die Filme mehr und mehr den Eindruck ge- normier Fabrikate Machen. Sie find nrit Routine hergestellt, haben nur den Ehrgeiz, marktgängig zu fein, und halten insgesamt eine ungute Mitte ein. Jene Mitte» die nicht einen Ausgleich der Kräfte erstrebt, sondern sie überhaupt nicht ins Spie! mit einbezieht. -Schwer lastet der Druck der kulturrcaktionären Mächte auf dieser ganzen Produktion. Im selben Primus-Palast, in dem Monats hindurch der Film: Drei Tage Mittslarrest" lief, kann man sich neuerdinas an dem Militärschwank: „Der Schrecken der Garnison erqöken/und die Wiener Walzer-Filme nehmen kein Ende. Wie ein Medikament wird die gute alte Zeit der neuen eingeflößt, der es dadurch sicher nicht besser geht. H - Der zu früh verstorbene Lupu Pick hat fürs Deutsche Lichtsprel- Syndikat einen Film: „Gassenhauer" hergestellt, in dem allerhand schmackhafte Ingredienzien zusammengemilcht werden: künl nette junge Straßensänger das Motiv ist von Rü-Ne Cwf.r übernommen ein Mädchen, -das die Burschen betreut; ein Kriminal-all, der d-m lnftcre Ensemble eine Zeit,lang düster grmm diert; ein ganz hübscher Schlager, dem es nicht Zu viel wird, immer wieder dremzuschlagem Wandervogelromantik, Boh^me- leben und mondäner Barzauber — man hat ersichtlich damit ge rechnet, den geplagten Zuhörern sozusagen ein geistiges Wochen ende zu bieten. Der Regie Picks find ein paar schöne-Einzelheiten gelungen, m die er so verliebt gewesen ist, daß er.fie-zu breit aus gemalt, hat. Maria DalSajcin spielt eine spanische Tänzerin auf charmante Weise vulgär. Auch der . Fasching ist noch stets eine Qrse gewesen. Seine Reize nutzt der Joe Mah-Film: „...und das ist die ^Haupt- suche!?" aus und ab. Beinahe der ganze Film ist mit Faschmgs- treiben anaemllt, mit Konfetti, komischen MaÄcn, Geknutsche rn TelephonZEen und dem Wirbel tanZender Paare. Eine technisch vorzügliche Leistung, die HinLerZrundsgerLusche, Musik und Ge sprächs geschickt übeMendet, aber lei.der in den Dienst geringer Zwecke gestellt wird. Denn die riesige Aufmachung ist nur die Foliebsmer Gelegenheit zu pikanten Szenen gibt. Man kann galante Bsulevardstücke lieben, ohne von dieses mMlanten Vergröberrmgen entzückt zu sein, denen man schon von weitem ihre Aufgabe aMnerkt, das Mit erotischen Gewaltmitteln Zu betäuben. Harry Liedtkes Stimme trübt das Rosenrot seines Lächelns. Die Augen von Ursula Gmbley such Zwei lustige Jongleure. Es fehlt natürlich nicht ein Kriminal- lmnmissae mck der landesübliche Schlager. ü H. . „Greta GarLs spricht deutsch^ — Liese Lockung ist keine mehr, wenn man sie in dem Film: „Anna Christie" gehört hat. Ihr dunkles, rauhes Orgaw paßt nicht zu ihrer Figur, mögen andere, von der Schönheit der Frau verzaubert, sich auch em-- bil-dLn, das Gegenteil träfe zu. Ueberdies ist ihr Spielvermogek bLscheiden zu nennen« Sie soll eine Dirne darstellen, die trinkt, raucht und abgegriffen ist: aber wer glaubt ihr schon die Ver kommenheit, auch wenn sie noch so wegwerfend: Quatsch" sagt und ausgelaugt vor sich hmsLarrt? Mau ist nicht ungestraft ein makelloses Weltideal, mch die Pflicht, den schönen Schein Zu ver körpern, vertragt sich schlecht mit der anderen, körperlich Zu er scheinen. Das Stück selber: .ein oller, ehrlicher Seemanns schmarren, der Jacques Feyder in Auftrag gegeben worden war. Er hat ein paar gute Mhelbilder geliefert. Das ist alles. . S. Kraeauer. Was M Kerr Kacke hm? Von S. Kraeauer^'/ - . Ein Student namens Gustav H 0 ck e hat an A lfredDöbli n mstM Brief gen dew. er ihn anfragt/wie en jMP gMidete Menschen sich heute zu verhalten hätietn Ich finde durchaus in Ordnung und jedenfaN viel- vWtecheM mLschiedMM Radikalismus Mncher-Awan- WjWiger, denLn schon vvrbestimmt ist, daß sie mach aber zehn Jahren iln ärgsten Spießbürgertum enden werderr. Dennoch glailüe Md Hockes^ Brief die Einstellung unserer MidWLWjM exemplarisch darbietet. Und Zwar desWü nicht, weil. Hocke rucht nur ununtLrrichtLt ist, sondern auch eine Leere verM, die sich schwer ausMen laßt. Dieser Student Hocke ist. wahrhaftig eine Lücke, in die alles hlneingestopst werden kann. Partoirichtuttgen, WelLärrschauuj^ politische WillensbUdungen Kd.Hm nicht mehr als äußere ErscheinüngLn, die er ohnehin auh Zählt, ohne eine von ihnen völlig zu verabscheuen oder sie an sich W pMen, od^ sie M Zu verstchen' Gü unheschrkben^ Blatt, dW M dage^ Wirklich beschrieben Zu werden. „Da WchelU freMdM her das schöne Frankreich", meint Hücke-M entdeckt gleich hinterher dort drüben Ms Harmonie, die Zu unserem Zustand -nicht passe. Ebenso bündig erledigt er Amerika mid Rilßland, und das gegenwärtige Italien erWink ihm emer ZnpLntarlfienlng rricht einmal wert. Nach dem ganM MMmperdU M Mmen stellt unsek Sr mplrZius dann seine Gretchenfrage; wobei er immerhin auch von jenem Teil der Fugend abrückt, der sich eindeutig zu den rEonären Mächten bekennt. Wenn er sich nur überhaupt Zu etwas bekennte! Aber ich halte beinahe -dafür, daß Hockes. Brief bereits ein Zeichen der fürchterlichen Neutralität ist, die sich, heute in Deutschland aus- breitet. Dieser Neutralität aus OhmMchk, die Lei uns fast alle öffentlichen MamfsM und cntrminnt, und -die eirunder nicht etwa ins GleichgewichL zu bringen sucht, sondern sich der dialektischen Auseinandersetzung Mit ihnen einfach entzieht. - Höblin hat, wie man sich erinnert, während her zweiten Halste des Vorjahres als-Antwort'auf den Hocke-Brief vier Aufsätze in de^Mchrist-:' „Lage-Huch" veröffentlicht. Sie bilden den Kern seines neuen Buches: ,Missen und Verändern! Offene Briefe an einen junge u M ensche n" (S. Fischer Verlag, Berlin 1931. 169 S. Geb. Mk, 4.90), in denr er das einzige tut, was m der Tat fruchtbar ist: rlchmen. Zum Anlaß, die Lag e de r d e ut sch-en F nLelligenzschicht Zu veSreiLen. ""„Akademiker und Nicht- akademiker gehören zu ihr. Junge und Alte, Studenten, PvoMre^ HUMN -ünd Polksschulleh^^ Juristen, Ttzeo^ VoflMirMafLer, B-esnlk^ Freie Schrüft^ ... Es ist eine unge- heM. und wichtige Schicht; sie steht sich immer angefaßt als hängsel -und Zubehör zu irgerrdwelchen Parteien, Gruppen und Organisationen, wo sie mitlaufen darf, wo sie irgendweM esserck von sich vertreten sieht, wo nwn sich lächelnd im. übrigen vor ihr verbeugt und sie auch lächelnd ihre abseitigen lW/ AudWtz^ M den: Studenten Hocke sagt, wo er stehen und waL^auk^ solle,. .ZnLLlligM..übLr„K^ Rolle mMären, die sie zu spielen hat. * üAie wird' grundsätzlich die Seite 8er Unterdrückten, der Niedergehaltenen, der Arbeiterschaft treten, müssen — .das ist daK erste', Wässer'ihr anbefiMt^ Mit einem Freimut, de^ ehrt, er klärt er sich gegen den Kapitalismus. Es ist neben dem national ökonomischen Betmchter vorwiegend her Arzt und der Physiogno- miker, der sich hier äußert. Er'geißelt die „gnadenlose Nuhlich- keit", die sich in derr Gesichtern promE Wirtschaftsführsr auspräge, und unterstreicht deir „Schädlingscharakte/ des Herr schenden WirtschasMhstems in. psychischer und LiologW Hinsicht. Ich Wie es für umso überflüssiger, das Gewicht dieser Argu-