er ein« groß« Münze in Empfang, so kramt er erst umständlich in seinem Beutel da? gewünschte Kleingeld zusammen Darüber ver gehen ein paar Minuten, und während dieser Zeit müßte von rechts wegen der zu ibm gehörig« Satz ausgetilgt sein. Aber das eben ist das Unerklärlich«: daß der Satz trotz der Unterbrechung weiter- laust, als sei er von seinem Ursprung langst unabhängig. Auf keinen Erzeuger mehr angewiesen, zieht er sich auch dann noch fort und fort, wenn alle Händler nach Hause gegangen und alle Zeitun gen auSverkauft sind. Das Nummernmädchen. In der Scala tritt allabendlich ein Mädchen aus, dessen, wenn mich nicht alles täuscht, öffentlich noch nie gedacht worden ist. Da bei erscheint sie häufiger als sämtliche Artisten. Sie produziert freilich nicht wie dies« eine Nummer, sondern hat nur die mehr als bescheidene Ausgabe, die Nummern der Nummern vorzusühren, ist also in künstlerischem Sinne gar nicht vorhanden. Ihre ganze Tätigkeit, die keine ist, besteht darin, daß sie auf der einen Serie der Bühne herauskommt, mit dem Zifsernschild in Handen am Vorhang entlang trippelt und auf der anderen Seite wieder ver schwindet. Dann geht der Vorhang hoch und der angÄündigte Pro grammpunkt findet seine Erledigung... Immerhin, gehört auch die Nummernträgerin nicht selber zum Programm, so erfüllt sie Loch ihre winzige Pflicht mit einer Nettigkeit, als handle es sich um eins richtige Soloszene; um ganz davon zu schweigen, daß sie überhaupt nett aussieht. In einem kleidsamen Kostümchen, das von Zeit zu Zeit die Farbe wechselt wie Monatskarten, dreht und wendet sie sich während ihres kurzen Auftritts so listig und nutzbringend, daß nicht nur die fernsten Rangbesucher die Ziffer erkennen müssen, son dern der schnellebige Vorgang sich überdies wie unter der Zeitlupe dehnt. Da ist die kleine Schleife in der Mitte; das ängstlich über legene Nachlausspiel mit dem Vorhang, der sich schon einer riesigen Ballonhülle gleich aufzubauschen beginnt; die anmutige Umkehr gegen Schluß hin, die den Bewohnern der entgegengesetzten Saal Hälfte noch einen letzten Scheideblick auf die Tafel und das Mäd chen ermöglicht. Und dann das Lächeln — mit einem geradezu strahlenden. Glückslächeln, das an alle gefunkt wird und jeden be trifft, begleitet die Figurantin ihr« ziffernmäßige Botschaft. Es ist, als erfülle sie eine delikate Mission, die eigentlich nicht allgemein ausposaunt werden dürfe, so kokett und persönlich ist dieses Lächeln. Kurzum, ich meine, daß diese sachliche Belanglosigkeit ihrer reizen den Aufmachung wegen schon eine Erwähnung verdiene. Sie gleicht einer unerheblichen Randglosse, die bei Gelegenheit einer «ffiziellen Haupt- und Staatsaktion gemacht wird, einer windigen Bagatelle, der ernsthafte Männer keine Beachtung schenken. Em Nummernmädchen — was wäre das auch. Aber von manchen soge nannten historischen Ereignissen sind nur noch die zu ihrer Num- merierung verwandten Jahreszahlen erhalten geblieben, und das Nebenbei wird gar nicht selten später die Hauptsache. S. Krakauer. Berliner Muren« Bselm, im KuN. Dar Dauer kuRds. U« eiRer belebtER Vsrkehrsstraße hat ein Mann Pssten ge faßt, der eine Kessndere FüllföderhalLermarke vertreibt. Er tragt eine Art Uniform, deren lichtes Blau sofort an Füllfedertime -emahnL, harrt während der ganzen warmen Jahreszeit an seinem Plätzchen aus und verschwindet nach Eintritt der kalten. Offenbar sprießen die Füllfederhalter nur im Sommer. Auch die Kunden scheinsA dem Mann ZuzuMühen: diesem Gedanken wird sich nie mand entziehen können, der nicht wie ich täglich Zur gleichen Stunde an seinem Standquartier vorübergeht. Tatsächlich hat er um diese Zeit regelmäßig Visite — nur leider ist ss immer derselbe ^Herr, der dort Lei ihm vorspricht und ersichtlich den Anschein sr- Twecken möchte, ein Käufer Zu sein.. Ein harmloser Trick, der immer hin ss geschickt angelegt ist, daß auch ich erst nach mehreren Wochen hinter die Monotonie des Dauerkunden gekommen bin. Denn dieser einzelne Herr Mttet seine Besuche wie ein VerwandlungZkünMr in stets wechselndem Aufzug ab. Bald ist er ein schlichter Mann aus dem Volk, der ein handliches Schreibwerkzeug benötigt; bald tritt er als Angehöriger der wohlhabenden Schichten auf, der sich über die günstige Gelegenheit freut, seine ausgefallenen Ansprüche an Füllfederhalter zu befriedigen; bald weht er im Seidenhemd und hutlss daher, ein Sportsmann in gereifteren Jahren, dem das kleine Tasteninstrument seiner hübschen Konstruktion wegen Spaß macht. Lauter verschiedene Personen, deren Identität Zu durch schauen vermutlich nur wenigen gegönnt ist. Hat man sie aber erst einmal erkannt, so gewinnt die Abwicklung des Scheingeschafts einen unvergleichlichen Reiz. Mit einer Geduld, der nur die des Lichtblauen ebenbürtig ist, läßt sich der dauernde Herr Tag für Tag die Vorzüge des Füllfederhalters erklären. So wird die Tinte eingespritzt und so wird das Ding gedreht — beflissen interessiert und in genauer Uebereinstimmig mit seiner jeweiligen Rolle lauscht er den Anweisungen, versucht, selber zu drehen und brütet voller Bewunderung über dem Kasten. Im begreiflichen Bestreben, den Kaufabschluß so lang wie möglich hinauszuziehen, verlieren sich die beiden allmählich in endlose Gespräche, die Zweifellos weit von dem Füllfederhaltergebiet abschweifen, an das sie die Passanten heranlscken sollen. Sie scheinen ernster Natur zu sein, und in der Tat habe ich auch noch nie beobachten können, daß der Uniformierte mit Hilfe feines Köders richtige Kunden geangelt hätte. Wenn mich mitunter ausnahmsweise mein Weg zu anderer Stunde an ihm vorbeiführt, steht er verlassen wie ein emeritierter Marinefischer vor seinem Füllfederhalter-Aquarium. Zeitung § auTrufer. MorZenH, Mittags, rEends und bis Lief in die Nacht hinein wann immer dis neuen Zeitungen eingetroffen sind, rufen die Straßenverkäufer den Namen ihres Blattes aus. Gewöhnlich fügen sie noch ein Stichwort bei, das die einzigartige Aktualität der feil gebotenen Ereignisse anpreist, und verbinden es mit dem ZeitungZ- namen zu einem schlagkräftigen Satz, den sie dann ununterbrochen wiederholen. Aber dieser Sah wird nicht eigentlich von ihnen ge sprochen, sondern rollt so selbständig ab, als hätten sie gar nichts mit ihm zu tun. Mag er auch ihrem Muntre entstammen -- er kommt doch nur gewissermaßen Zufällig aus ihm, einer Lichtreklame gleich, die irgendwo ihren Lauf beginnt. Wie sie mechanisch weite?» -leitet Nick ihre Mitteilungen unbeirrbar in den Nachthimmel ein- trägt nicht anders fährt auch der Satz durch den Raum. Ein Transparent zu Häupten der Menschen, ein auffallendes Lufthorplakat. Mit den üblichen Plakaten teilt es die Eigentümlich. Mt besonders wirksam, um nicht zu sagen künstlerisch hergericktel zu sem. Zum Unterschied vom gesprochenen Satz enträt der Plakat haft abgewukelte vor allem der natürlichen Gliederung. Vielleicht erlangt wie nach. einer siegreichen Revolution eins Silbe in ihm dre Vorherrschaft, dir sonst immer unterdrückt wird, vielleicht tchrumpst ein Wort in ihm zusammen, das sich im MtagSgebmuch zu große Recht« anmaßt — jedenfalls ist er ein LautgeLilde, da? von einer gesprächsweise» Aeußerung genau so aüsticht wie eine schreiende Nftiche von einer normalen Handschrift. Ohne Rücksicht darauf, ob Passanten vorbeikommen, oder die Straße menschenleer ist, spult er sich in immer gleicher Betonung ab, ein Band obne Ende, dar automatisch in Umlauf gefetzt zu werden scheint. Wirr es nur dieses ei« Band — an den Hauptpunkten des Verkehr? aber,, dort, ws bis Verkäufer der verschiedensten Tageszeitungen gemeinsam suftreten, quirlen die Reklamesätze ss wild durchein ander wie die von ihnen angepriesenen Parteirichtungen. Sie fallen sich pausenlos an, zwängen sich in die geringste Lücke und über blenden sich tausendfältig. Unter dieser tosenden Schlacht stehen die Händler ungerührt mit ihren Zeitungstaschen und warten auf Kunden. Oft wird dem einen oder andern von ihnen ein Exemplar obverlongt. Der Händler spricht dann, wahrhaftig er spricht mit einer leisen, höflichen Stimm«, dir in keiner Hinsicht an den Aus ruf erinnert, der doch nur von ihm herrühren kann. Und nimmt