2 H'AtA) -i Der Merkaufs-Hempet. Berlin, im Juli- In einer der vornehmsten Geschäftsstraßen Berlins ist vor einigen Monaten ein Eckladen eröffnet worden, von dem aus irgendein neuer Toilettenartikel gestartet werden soll. Ich habe selten so etwas Wunderbares gesehen wie diesen Laden. Er ist ein Halbrund, dessen Wände ganz aus Glas und Metall bestehen, und eigentlich vie! zu geräumig für die Waren, die von Natur aus sehr klein sind. So ein Fläschchen, das sich bequem in die Hand nehmen läßt, könnte ja auch in einer bescheideneren Umgebung gedeihen und wäre sicher mit einer Nische Zufrieden. Hier aber ruht es wie ein kultischer Gegenstand in einem durchsichtigen Tempel von außergewöhnlicher Feierlichkeit. Der Altar, auf dem es der Menge draußen gezeigt wird, ist ein^ Glasplatte, die ihrerseits von einem blitzenden Stahlarm getragen wird. Natürlich befindet sich das Fläschchen nicht völlig allein in dem Andachtsraum, sondern teilt ihn mit einer begrenzten Zahl anderer Fläschchen — eine Ver vielfältigung, die jedoch die Weihe nicht im geringsten beein trächtigt. Im Gegenieil, die Erlesenheit der schimmernden Ver sammlung ruft unwillkürlich das Bedürfnis hervor, ihr huldigend auf den Zehenspitzen zu nahen. Am Abend ist der Tempel festlich illuminiert. Das heißt, man sieht Zwar Lichter in ihm fließen, kann aber nicht genau ihre Her kunft ermitteln. Es ist, als glühe er von innen heraus, als er glänze im Dunkel der Geist der Fläschchen. Die strahlenden Sub stanzen, die sie entsenden, verschlingen sich röhrenförmig, und aus den längst versunkenen Glaswänden treten hohe Leuchtbuchstaben, die eckig wie Runen und dünn wie Spinnweben sind. Geheimnis voll schweben sie in den gläsernen Lüften und setzen sich zum Namen des Toilettenartikels zusammen. Er ist keine Reklame, er ist eine Verkündigung, die an die profanen Passanten ergeht. Als Hüterin des Heiligtums amtiert eine junge Dame. Sie sitzt genau in der Symmetrieachse hinter einem Stahltisch, um den herum ein paar Stahlstühle schwingen. Oder es scheint doch, als ob sie sich fortschwingen wollten, da sie wie Schlitten nur leicht den Boden berühren. Auf einem dieser Stahlstühle sitzt auch die junge Dame selber; vielmehr, sie sitzt streng genommen nicht auf dem Stuhl, sondern ist auf ihm angeordnet. Jedenfalls habe ich noch nie beobachtet, daß sie sich von ihm entfernt hatte, und so muß sie wohl schon von Anfang an hier geplant gewesen sein. Die Tempelkünstler haben sie gleichsam zwischen die Fläschchen als eine Art von dekorativer Mitte hineinkomponiert, auf die alle Stahl arme ausgerichtet sind. Zweifellos ist sie sich ihrer Aufgabe, zu schmucken, bewußt. Mit sorgfältig stilisierter Anmut wahrt sie, weithin sichtbar, die Symmetrie und erfüllt verantwortungsvoll ihre Verpflichtung, der Treffpunkt sämtlicher Raumlinien zu sein. Trotz dieses durchdachten Arrangements bleibt aber — es muß offen bekannt werden — der Laden stets leer. Da liegt er in einer verkehrsreichen Straße, angestaunt von zahllosen Vorübergehenden, und ist doch einsamer als ein Mausoleum. Niemand betritt ihn, niemand entschließt sich dazu, eines der herrlichen Fläschchen zu erwerben, die er ohne Unterlaß zu spenden vermöchte. Seine Oede ist um so trauriger, als sie sich nicht den Blicken entzieht, sondern blank der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Dieselben Gläser, die ihn gewissermaßen von den Gesetzen der Schwerkraft befreien und ihm zum Zauöerflug durch höhere Regionen verhelfen, gestatten jedem Beliebigen, sich von der Verlassenheit seines Innern zu überzeugen. Vielleicht rührt sie daher, daß er den Eindruck der Unnahbar keit erweckt. Die Neugierigen vor den Spiegelscheiben werden von ihm weniger angelockt als zur Ehrfurcht genötigt und gehen mit dem Gefühl von dannen, daß sie vermutlich schwierige Zeremonien vorzunehmen hätten, um Einlaß in diesen Verkaufstempel zu fin den, den der Verkauf noch dazu entheiligte. Auch spürt man schon von fern, daß er zum Unterschied von allen anderen Plätzen, die erst aufblühen, wenn sie mit Kunden gefüllt sind, durch zufällige Besucher nur seine Vollkommenheit verlöre. Es läßt sich ihm nichts mehr hinzufügen, ohne daß ihm zugleich Abtrag geschieht. Man stelle sich vor, daß sich einer nichtsahnend hinernverirrte: sofort wäre das zarte Kräftespiel der Reflexe unterbrochen, und die Linien wichen aus ihrer Bahn. Und berührte ein Uneinge weihter auch nur ein einziges Fläschchen oder nähme es gar von der Platte, so entstünde eine Verwirrung, die sich wahrscheinlich nie wieder beseitigen ließe. Am schlimmsten aber wäre, daß durch den Unglücksgast die achsiale junge Dame in Bewegung geriete. Sie, die wie der Schlußstein eines Gewölbes alle Spannungen auffängt und ausgleicht, müßte sich dann, jeder Berechnung zu wider, vom Stuhl erheben, und im nächsten Augenblick begännen d'r SLahlarme hin- und h^czupendeln, die Fläschchen erbebten auf ihren Platten, und der ganze empfindliche Kunstbau brache don nernd in sich zusammen. Noch ist das Unheil nicht eingetreten. Die Fläschchen harren der Ewigkeit entgegen, und keiner stört ihren Frieden. Im Hin tergrund behauptet sich unerschüttert die junge Dame. Sie list in einem Roman, träumt vor sich hin und durchblättert immer wie der die alten Prospekte. Ich glaube, manchmal langweilt sie sich entsetzlich. S. Kracauer. Kuiorenbörse. BerkiA, Ende Juli. In einem riesigen Caft-Etabliffement der Friedrichstraße tagt am Hellen Vormittag die Autorrnbörse. Um diese Zeit ruhen sich die leeren Räume mit übernächtiger Miene von ihrem Abendberuf «us. Das Büfett ist beschäftigungslos, und die altmodischen Polster sessel vor den verlassenen Tischen machen einen so gelangweilten Eindruck, als sei Sonntag und sie befänden sich im Wartezimmer eines Zahnarztes, der über Land gegangen ist. Wenn sie träumen könnten, hätten sie sicher verworrene Vorstellungen von Geschäfts leuten, Zeitungsfetzen, Mädchen, Operettenmusi? und Zigaretten- schachteln. Nur eine Putzfrau, die plötzlich hinter einer Wand auf- taucht, regt sich im Dunst; aber auch sie scheint von der Starr: der Saallandschaft angesteckt zu sein und hütet sich davor, das Mobiliar aus seiner bleischweren Versunkenheit aufzuscheuchen Erst nach einer längeren Wanderschaft durch dieses evakuierte Gebiet erreicht man wieder bewohnte Gegenden. In einem mittel- ßroßen, Zum Frühdienst ausersehenen Saal sind gegen 30 geistige Arbeiter versammelt, um nützliche Informationen entgegenzu- nchmen. Dir Autorenbörse, die im Mai dieses Jahres von der Gewerkschaft Deutscher Geistesarbeiter geschaffen worden ist, wird ungefähr alle vierzehn Tage abgehalten. Sie vermittelt Angebots von Redaktionen und Verlegern, die einzu- Holen oft schwer sein mag, und will durch ihre Bekanntgabe Fach schriftstellern und wohl auch Literaten eine Arbeitsmöglichkeit er öffnen. Vielleicht sind die Ferien daran schuld, daß die Teil nehmerzahl Lei dieser siebten Zusammenkunft so gering ist. Unter den Anwesenden befinden sich zwei bis drei Damen und nur ver schwindend wenige frische junge Leute. Die meisten Besucher sind Männer gesetzteren Alters, denen anzumerken ist, daß sie mit der Gchriftstellerei mühselig ihre Existenz fristen. Ein Herr vom Vorstand verliest die Vakanzen. Er spricht absichtlich Langsam und wiederholt überdies jede Offerte, damit die Petenten sich ihre Notizen machen können. Die Schar der An gebote, die sich hier, im Souterraingeschoß der Literatur, ein Rendezvous gibt, ist so sonderbar, daß sie eine nähere Beschreibung verdient. Ihren Hauptstamm bilden Wünsche höchst spezieller, fach- Sicher Art, So sucht eins Zeitschrift Aufsätze für Geflügel und Kleintierzucht; eine andere Artikel über Musikinstrumente; wieder eine anders populäre Beiträge naturwissenschaftlichen und ethno graphischen Inhalts. Welche besondere Interessen mitunter Be-