/V2580-ML gar im Stich ließe. So faßt es etwa den guten Vorsatz, einen ^Naturschutzpark der Mundarten" anzulegen, in den exemplarische Proben der mehr und mehr schwindenden Dialekte eingepflanzt werden, oder will sich, im Einklang mit den allgemeinen Richt linien, der vernachlässigten Dichter annehmen. Aber in seinen Hauptpunkten ist es doch hilflos. Mehr als das: es widerstreitet geradezu der entscheidenden Absicht des Programms, Ich beschränke mich im wesentlichen auf die Analyse eines Prö- grammteiles, in dem die gegen diese Absicht gerichteten Tendenzen deutlich durchbrechen. Es handelt sich um die geplante Reihe von Veranstaltungen über die deutsche Romantik. „Vom Romantiker Standpunkt aus soll über Gott, Weltanschauung, Unsterblichkeit, Liebe gesprochen werden, über Musik, Malerei, Roman, Märchen, Theater. Alles durchsetzt mit reichlichen Proben, lyrischen und epischen, deren Zwanglose Einführung Sache des geschickten Be arbeiters ist." Wallner denkt an ein „wohlkomponiertes Inein ander", von dem er meint: „Es genügt nicht nur dem Form willen des Rundfunks, es ist auch ganz und gar ,romantisch'. Romantisches Ideal und zugleich Stilideal des Rundfunks ist jenes Jonglieren, frei von der Schwerkraft der Vernunft . . ." Vorausgesetzt selbst, daß ein solches Ineinander alle Ansprüche befriedigte, die billigerweise an seine Komposition zu stellen wären, so schlüge es doch der oben angeführten Forderung ins Gesicht. Während nämlich nach ihr der Rundfunk „Helfer, Wegbahner, Führer Zu neuen oder verschütteten Werten" zu sein hätte, müßte er im Falle der romantischen Reihe „frei von der Schwerkraft der Vernunft" jonglieren. Es ist aber schlechterdings unmöglich, das eine Mal den Rundfunk mit einer Führer- und Helferrolle zu be trauen, die doch gerade den Einsatz der Vernunft erheischt, und das andere Mal sein Stilideal, mit dem der Romantik in einem Sinne Zu identifizieren, der die Entthronung der Vernunft bedingte. Indem man mit der angegebenen Begründung die Darstellungen der Romantik unternimmt, gibt man die Aufgabe preis, die jene Forderung dem Rundfunk setzt. Wäre indessen das beabsichtigte „wohlkomponierte Ineinander", so könnte eingewandt werden, nicht wenigstens dazu imstande, „verschüttete Werte" freizulegend Keines wegs. Denn soll die Rede von den „verschütteten Werten" einen Sinn erhalten, so müßten die Darbietungen das romantische Wesen nicht wiederspiegeln, sondern interpretieren. Sie hätten sofort ihre Legitimität, wenn sie, statt romantisch zu „jonglieren", die Ro mantik von dem Standpunkt eines fortgeschrittenen Bewußtseins aus Zu erhellen versuchten. Nur eine kritische Betrachtung der Ro mantik vermöchte zu erweisen, daß der Rundfunk bes ihm zuge muteten Führertums wirklich fähig ist. Aber von ihr, auf die es Wallner im Interesse der Uebereinstimmung seiner Grundforderung Literatur und Wundfunk. Berlin, Anfang August. Der Dramaturg des Süd w estd eu Lsch e n Rundfunks Dr. Franz Walln er hat kürzlich vor dem dieser Station zu geordneten Kulturbeirat über das Thema: „Literatur und Rundfunk" gesprochen. Seine Ausführungen verdienen darum das Interesse der Öffentlichkeit, weil sie einige grundsätzliche Bemerkungen über den Ausbau des literarischen Programms an einem der großen deutschen Sender enthalten. Zwei Feststellungen des Vortrags scheinen mir besonders w'5Nig zu sein. Einmal die Wendung gegen eine Überschätzung der Reportage, die Wallner nicht ansteht, „Wirklichkeitsrummel" zu nennen. In der Tat wäre nichts verkehrter, als im Rundfunk jene Berichte zu häufen, deren Wert sich in ihrer Aktualität er schöpft. So notwendig Informationen zum praktischen Gebrauch der Hörer sind, so überflüssig, ja schädlich ist die fortwährende Darbietung beliebiger Ausschnitte aus dem gegenwärtigen Leben. Denn sie erschließen nicht die Wirklichkeit, sondern photographieren sie bestenfalls, und zwar von einem Blickpunkt aus, der mehr oder weniger zufällig ist. Man wird also durch sie weniger aufgeklärt als verwirrt und empfängt statt eines maßgebenden Bildes der Wirklichkeit Impressionen von deren Oberflächengestaltüng, die sich mit dieser wie Wolken verflüchtigen. Zum andern ergänzt Wallner seinen Protest gegen die zu stark betriebene Reportage durch eine Forderung, der man eben falls, zumindest provisorisch, gern zustimmen wird. „Literatur", so verlangt er, „muß näher an die Hörer-Front. Sie muß es, weil der Rundfunk nicht nur der Spiegel der Zeit, sondern auch Helfer, Wegbahner, Führer zu neuen oder verschütteten geistigen Werten sein soll." Wer an diesen programmatischen Leitsätzen von Wallner aus gestellte Programm selber mißt, wird nun allerdings enttäuscht sein. Nicht so, als ob es die verkündigten Prinzipien ganz und mit dem Programm ankommen sollte, wird in dem Bericht nic^ gesprochen. Auch andere Programmpunkte halten sich nicht an den Leitsatz, den Wallner selber proklamiert hat. Die Wiedergabe der Tischrede eines Nobelpreisträgers beim Bankett in Stockholm zur Einfüh rung in sein Werk; Gespräche unter dem Titel: „Das Buch", die angeblich „jedem am geistigen Leben Interessierten" betreffen wer den; kurze Veranstaltungen, die dem Vortrag lyrischer Gedichte gewidmet sind — wie wenig entspricht ein derartiges Kunterbunt von Bildungsstoffen dem im Bericht formulierten Ziel des lite rarischen Rundfunks: den Hörern zu helfen und Wege zu bahnen. Gewiß, man kann dieses Ziel durch die Betrachtung der verschie densten Literaturgebiete erreichen. Faktisch aber benehmen sich ihm gegenüber die meisten vorgeschlagenen Serien nicht minder spröde wie die der Romantik zugeeignete Reihe. Oder darf man der Hebung verschütteter Werte viel Vertrauen schenken, wenn zum Beispiel die Notwendigkeit erläuternder Begleittexte zu den Büchern der Nobelpreisträger wie folgt glossiert wird: „So weit ein biß chen Literaturkritik und Literaturhistorie sich dabei nicht ganz ver meiden läßt, soll sie durchaus eine 8<üen?L sein?" Das ist Dilettantismus, und Veranstaltungen die so dilettantisch aufge zogen sind, verhalten sich zu den Werken nicht anders wie die Re portagen Zur Wirklichkeit; statt die Gehalte des Werks zu kommen tieren, geben sie irgendeine Ansicht von ihm. An einer Stelle be dauert Wallner, daß die Literatur im Rundfunk eine Art von Lückenbüßerin sei. Ihre Bestimmung scheint sich noch wenig ge ändert zu haben. Daß eine grundlegende Aenderung trotz der besten Vorsätze schwer möglich ist, daran trägt freilich ein etwaiges individuelles Versagen nicht die Hauptschuld. Die Umstände sind stärker als der Wille, der sie verleugnen möchte. Sowohl der Zwang zur Neu tralität beim Rundfunk wie die Notwendigkeit unausgesetzten schbemms^ von Darbietungen drängen von der strengen Sichtung ab, Zu der eine richtige Führung sich veranlaßt sähe. Es ist nun einmal so: die Rundfunkproduktionen haben heute Warencharakter. Sie werden nicht um eines großen Planes willen erzeugt, sondern weil das Instrument zu ihrer Erzeugung und ein aufnahmefähiger Markt vorhanden sind; sie treten nicht eigentlich hervor, um ge wisse Wirkungen zu erzielen, entstehen vielmehr Kraft der Appa ratur und sind substantiell höchstens im Nebeneffekt. Im Rahmen der bestehenden Rundfunkorganisation wird daher die Forderung Wallners überhaupt nur unvollkommen zu verwirklichen sein. Den noch hielte ich auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen Ex perimente für möglich, die sie annäherungsweise erfüllten, oder doch das unabweisbare Bedürfnis nach ihrer Erfüllung erweckten. 8. Lraoausr.