u Neueröffnet: „18^". Abenteurerromane nennen; denn statt daß der Held in ihnen die Welt bezwingt, hebt diese bei seinen Irrfahrten sich selbst aus den Angeln. Don Quichotte war nach Kafka eigentlich ein Teufel Sancho Pansas, der ihn aber dadurch unschädlich zu machen wußte, daß er ihn von sich ablenkte. Nun führte der Teufel haltlos die verrücktesten Taten aus, und Sancho Pansa, der ihm aus einem gewissen Verantwortlichkeitsgefühl folgte, „hatte davon eine große und nützliche Unterhaltung bis an sein Ende." Nicht anders lenkt Kafka selber jene Ver- nünftigkeit von sich ab, die ungeachtet ihrer logischen Kraft ohnmächtig ist, und begleitet sie durchs Dickicht der mensch lichen Zustände. Dank ihrer fortwährenden Dazwischenkunft erst wird das Gebrechen der Welt endgültig herausgestell^ Herrschte die Dummheit in ihr, so wäre immer noch die Er wartung berechtigt, daß Klugheit sie zu ändern vermöchte. Eben diese. Erwartung wird aber durch die faktische Nutz losigkeit des Eingreifens vernünftiger Reflexionen enttäuscht. (Schluß folgt.). hat machen müssen, und es ist, als rede der Hund in ihrem Namen, wenn er klagt: „Wir sind die, welche das Schweigen drückt, welche es förmlich aus Lusthunger durchbrechen wollen " Ist der Frager zur Einsamkeit verdammt, so sind die andern! stumme Verbündete, die ihr Glück im „warmen Beisammen sein" finden: vorausgesetzt, daß sie sich nicht freiwillig ver einzeln wie das Höhlentier, das die Stille liebt. Sie, die im Innern seines lichtlosen Baus herrscht oder doch herrschen sollte, ist auch wirklich die einzige Radikalkur gegen das wahre Wort. Da eine Vielzahl von Geschöpfen nicht in Stille ver sinken kann, vollzieht sich das Schweigen der Hunde auf andere Weise. Bald umgehen sie die geforderte Erwiderung, -ald suchen sie wie die Lusthunde ihre besondere Art zu leben durch unerträgliches Geschwätz in Vergessenheit zu bringen. Wie erklärt sich das Verhalten der Hundegemein schaft? Denn daß es begründet sein muß, ist nicht in Zweifel zu ziehe.. Der forschende Hund vermutet, „daß die Schwei genden als Erhalter des Lebens im Rechte sind..Darum will er doch nicht verzagen, sondern unermüdlich die Genossen bestürmen, mit ihm gemeinsam das „Dach dieses niedrigen Lebens" zu öffnen, um in die Freiheit aufzusteigen. Aber im selben Augenblick, in dem er es abzuheben und das ent scheidende Hindernis zu beseitigen meint, setzt sich ihm ein unterläßt ihre Berichtigung und fragt nur: „Verstehst du denn das Selbstverständliche nicht?" Das Selbstverständliche:? es ist die letzte Ausflucht der Erhalter dieses niedrigen Lebens, das äußerste Bollwerk, hinter dem sich die Hüter des Schweigens verschanzen. ! 4- Die Behandlung, die das schweigende Hundevolk dem Forscher zuteil werden läßt, drängt diesem die argwöhnische Frage auf: ,FVollte man mich damit einlullen, ohne Gewalt, fast liebend mich von einem falschen Wege abbringen, von einem Wege, dessen Falschheit doch nicht so über allem Zwei fel stand, daß sie erlaubt hätte, Gewalt anzuwenden?" We dem Hund, der dauernd abgelenkt wird, so ist Kafka zumute. Er blickt auf die Welt als ein in sie Zurückgestoßener, als einer, der auf dem Weg nach jenen Stättm umkehren muß, an denen der Kaiser wohnt und die unbekannten Gesetze be heimatet sind. Nicht so, als ob er überhaupt zu ihnen hin-» gefunden hätte; aber ihm ergeht es doch wie einem halb Er wachten, dessen schlafbefangenes Sinnen dem eben erst ver flogenen Traum gilt, in dem die Lösung aller Rätsel gegen wärtig gewesen ist. Noch glaubt er, das Schlüsselwort greifen, ja schmecken zu können, und schon zerrinnt die unübertreff lich klare Figur, zu der sich die Welt im Zeichen des offen baren Geheimnisses zusammsngeschlossen hat. Unter Qualen neuer Widerstand entgegen, den er schlechterdings nicht be siegen kann. Musik ertönt und zwingt ihn zum Verzicht. Sie ist für Kafka die höchste Form des Schweigens. Zweimal lähmt sie den Hund. Zuerst bei seiner Begegnung mit den sieben Musikhunden, die einen wunderbaren Lärm erzeugen. Der noch jugendliche Frager möchte von ihnen erfahren, was sie zu ihrem Tun drängt. „Sie aber — unbegreiflich! unbe greiflich! — sie antworten nicht, taten, als wäre ich nicht da." Das andere Mal stört Musik ein Hungerexperiment, das der mittlerweile Gealterte im Dienst seiner verwegenen For schungen unternimmt. Als ein Versuch, der die Existenz aufs Spiel setzt, verhält es sich zu den unverbindlicheren Leistun gen der Wissenschaft ähnlich wie die Entdeckung des Dorf lehrers im „Riesenmaulwurf". Kaum ist das Experiment, das die Absicht zu sprengen hat, richtig im Gang, so nähert sich dem Fastenden ein fremder Hund, der ihn nach vergeb lichem Zureden durch einen zauberischen Gesang vom Hunger ort jagt. Aufklärend ist das Gespräch, das dem erzwungenen Abbruch vorangehd In seinem Verlauf bemerkt der zum Hungern gerüstete Hund, der sich nicht vertreiben lassen will, daß sich der Fremde in Widersprüche verwickelt. Der aber bemüht er sich, ihre auseinandergefallenen Teile einzufangen, die sich noch dazu grundverkehrt wieder zu vereinigen be ginnen, und je weniger ihm die Rekonstruktion des ver schwundenen herrlichen Bildes gelingt, desto verzweife^ jagt er zwischen den zerstreuten Bruchstücken hin und her, um sie aufzuhalten und womöglich zu ordnen. Diese Jagd bedingt Kafkas Kunstverfahren. In früheren Jahren, so teilt er in einem Aphorismus mit, ergab sich ihm der Wunsch, „eine Ansicht des Lebens zu gewinnen..in der das Leben zwar sein natürliches Fallen und Steigen bewahre, aber gleich zeitig mit nicht minderer Deutlichkeit als ein Nichts, als ein Traum, als ein Schweben erkannt werde". Und ein paar Zeilen weiter: „Aber er konnte gar nicht so wünschen, denn sein Wunsch war kein Wunsch, er war nur eine Verteidigung, eins Verbürgerlichung des Nichts, ein Hauch von Munter keit, den er dem Nichts geben wollte..." Tatsächlich will fahrt auch Kafka kaum je dem einstigen Wunsch, sondern legt sich strenge Rechenschaft darüber ab, daß die verwirrte Welt, durch die er kreuz und quer zieht, ein Nichts ist. Um ihre An maßung zu entschleiern, ein Etwas zu sein, zeigt er, daß sich Dinge und Menschen windschief zueinander verhalten. In der -Anekdote: „Eine alltägliche Verwirrung" etwa handelt es sich darum, daß mit 8 aus L ein wichtiges Geschäft abzuschließen hat. Si- beabsichtigen sich zu treffen und ver fehlen sich trotz ihres guten Willens, die Verabredung einzu- halten. Man könnte die Darstellungen Kafkas umgekehrte Ltr Berlin, Anfang September. Wunderbar ch menschliche Erfindungskraft. Sie rationali siert und m^Mnisiert alle Arbeitsvorgänge in einem schnelleren Tsmps.als dem der von ihr ersonnenen Maschinen und läßt den Menschen selber immer weniger Arbeit übxrg. Zuletzt braucht nie- wand mehr etwas Zu tun. Welche Erfolge sie bereits auf dem Gebiet der Büro-Organi sation erzielt hat, veranschaulicht die gerade jetzt am Kaiserdamm eröffnete Internationale Büro-Ausstellung In Pr sind unzählige Apparate, Vorrichtungen und mechanische Hilfsmittel vereint, die jeden Liebhaber der Bürskünste in einen muschartigen Zustand versetzen. Was war denn noch Zur Zeit unserer Eltern das Büro? Gin gewöhnlicher Raum, in dem mehrere Angestellte mit ihrem Kopf und ihren Händen die ver schiedenstem Tätigkeiten versehen mußten, ehr ein Brd Zur Vor- ls.M bereit war, oder das Haus fix und fertig verlassen konnte. Sie standen auf, holten schwere Wen und setzten siA wieder; sie rechneten im Schweiß ihres Angesichtes und machtem über die sie dann stundenlang grübelten. Die einen arbeiteten lang sam, die anderen geschwinder, und die Abwicklung der Geschäfte hing von manchen unberechenbaren Stimmungen und Zufällen ab. Heute dagegen ist das Bürs — Zum mindesten das der Groß betriebe — Zur Werkstatt geworden, die nahezu selbsttätig funk tioniert. Die eigentlichen Angestellten in ihr sind - die Automaten, und ein Teil der Angestellten selber hat nur noch die Aufgabe, diese Automaten Zu bedienen. War das Büro von einst mit allen jenen Mängeln behaftet, die den Menschen nun einmal eigentüm lich find, so ist das moderne über die menschlichen Untugenden erhaben und ein Muster unerreichbarer Vollkommenheit. Es führt gewissermaßen auf eigene Faust die schwierigsten Arbeiten auS; während es rastlos und ohne je zu irren Heu ihm anbefohlenen Obliegenheiten nachkommt, konnten sich die Seelen himmelan schwingen, wenn sie die Neigung dazu verspürten. Ich schweige von den SchrMmaschinen, den Rechenmaschinen, den herrlichen Buchungsmaschinen und Lochmaschinen, die alle in neuen Modellen gezeigt werden, bei denen das Hauptgewicht auf der Geräuschlosigkeit liegt. Sie find in ihren Grundzügen bekannt und bedeuten nicht mehr dieselbe Sensation wie ein erst in den letzten Jahren aus geheckter Dirtisrapparat, der märchenhafte Leistungen verrichtet. Er nimmt nicht nur auf elektromagnetischem Wege lange Dckiate auf, die beliebig oft ab gehört werden mögen, er ermöglicht auch die Kontrolle von Telefongesprächen und die Reproduktion ganzer Konferenzen. Soll der Verhandlungspartner nicht merken, daß seine Worte aufbewahrt werden, so läßt sich das Mikrophon mühelos tarnen, und will der Chef feine Sekre tärin nicht sehen, so kann er einsam durch sein Privatbüro wan dernd, die für sie bestimmten Anweisungen in Form von Mono logen erteilen. Die Bürowande haben jetzt Ohren erhalten, und das gesprochene Wort ist dauerhaft wie ein Geschäftsbrief geworden. Zur Vollendung gediehen sind auch die Sichtkarteisvsteme, deren Verfeinerung vermutlich mit der zunehmenden Kollektivierung Zu- samm-enhängt. Sie gestatten es, in kürzester Zeit nach 'allen mög lichen Gesichtspunkten über Menschen und.Gegenstände zu ver fügen, und erfüllen ihre Verpflichtungen mit einer bewundernswerten Murmesse. Welch ein Vergnügen, sie zu benutzen.. Man drückt auf ein Knöpfchen, und schon springen munter die ^gewünschten Kategorien heraus, oder man überschlägt mit einem Blick die bun ten Reiterchen, die wie angewachsen auf ihren Papiergäulen sitzen»