f wegungen, welche alles Frühere für nichtig erklären, im Recht, denn es ist noch nichts geschehen." Welt-fremd fällt dieser Gedanke mit der Tür ins Haus der Welt; allzu angenähert ihrer Sprache, um Nicht Verwechslungen ausgesetzt zu sein. Die Entschiedenheit, mit der er die Radikalität geistiger Be wegungen bejaht, schöpft ihr Recht aus der Ahnung vom wahren Weg. Auf ihn die Revolution hinzuführen, vermeidet Kafka, vielleicht aus jener eben erwähnten Unsicherheit; aber er verdeutlicht dafür an verschiedenen Stellen seine Ahnung, Das Dach des niedrigen Lebens zu öffnen: allein die Gemein schaft besäße nach ihm diese sprengende Kraft. Der forschende Hund erkennt, daß er nicht nur das Blut mit seinen Mit- hmrden gemeinsam hat, sondern auch das Wissen, und nicht nur das Wissen, sondern auch den Schlüssel zu ihm. „Eisernen Knochen, enthaltend das edelste Mark, kann man nur bei- kommen'durch ein gemeinsames Beißen aller Zähne aller Hunde." Und die verwandte Lehre in der Schrift: „Zur Frage der Gesetze" lautet: „Das für die Gegenwart Trübe... erhellt nur der Glaube, daß einmal eine Zeit kommen wird, wo die Tradition und ihre Forschung gewissermaßen aufat mend den Schlußpunkt macht, alles klar geworden ist, das Ge setz nur dem Voll gehört und der Adel verschwindet." Hier und dort wird der mit der Gemeinschaft Verlorene darauf ver wiesen, sich mit ihr zu retten, ohne daß er allerdings eine Ge währ für die Rettung hätte. Es gibt keine Sicherung, und daß neben dem Glauben an eine kommende diesseitige Rettung der andere steht, die Verwirrung der Welt sei in der Welt untilg bar, ist selber nicht eigentlich verwirrend. „Man entfaltet sich in seiner Art erst nach dem Tode", wird in einem Aphoris mus formuliert, „erst wenn man allein ist. Das Totsein ist für den Einzelnen wie der Samstagabend für den Kaminfeger, sie waschen den Ruß vom Leibe." Oder erfolgt der Durchbruch doch nicht erst nach dem Tode? Die Legende: „Das Stadt wappen" schließt mit den Sätzen: „Alles was in' dieser Stadt an Sagen und Liedern entstanden ist, ist erfüllt von der Sehn sucht nach einem prophezeiten Tag, an welchem die Stadt von einer Riesenfaust in fünf kurz aufeinanderfolgenden Schlägen Zerschmettert ^rden wird. Deshalb hat auch die Stadt die Faust im Wappen." Ob aber die Sagen und Lieder zutreffen, die von der Zerstörung des Baues melden, und welcher Aus blick sich uns dann bietet, ist nicht gewiß. „An diesem Ort", sagt Kafka einmal, „war ich noch niemals: anders geht der Atem, blendender als die Sonne strahlt neben ihr ein Stern." Mit der unbestätigten Sehnsucht nach dem Ort der Freiheit bleiben wir hier. Gin ferner Kerl. Analyse eines Ufa-Films. Berlin, im September. Obwohl ich mir am Ende den Vorwurf zuziehe, daß ich ein leichtes Sujet zu ernst nehme — tatsächlich verträgt richtige Leichtig keit jede Belastung —, kann ich doch der Versuchung nicht wider stehen, den neuen Ufa-Tonfilm „BombenaufMonte C a r l o" zu analysieren. Er ist unter der Produktionsleitung Erich Pommers von Hanns Schwarz inszeniert worden, und Zweifellos setzt man große Stücke auf ihn. Die Beschäftigung mit ihm ist um so lohnen der, als er die kommende Saison eröffnet und durchaus dem Produktionsprogramm der Ufa entspricht, das in Notzeiten wie den unsrigen vom Film nicht Aufklärung fordert, sondern Zerstreuung. In dieser Filmoperette ist die entscheidende Pointe die: ihr Held, der Kommandant irgendeines Balkan-Kriegsschiffes, fährt entgegen der ihm zuteil gewordenen Instruktion nach Monte Carls, verspielt dort die Gelder, mit denen er seine Mannschaft hätte ent lohnen sollen, und erklärt dann dem Spielsaalinspektor, daß er das Kasino beschießen werde, wenn man ihm nicht hinnen 24 Stunden die verlorene Summe zurückerstatte. Und wirklich trifft er an Bord seines Schiffes alle Anstalten Zum Feuerüberfall, und daß die Kanonen nach der festgesetzten Frist doch nicht losgehen, ist keines wegs seiner Einsicht, sondern nur den äußeren Umständen zu dan ken. Nicht die Unmöglichkeit eines solchen Vorgangs wird der Operette verübelt werden können; wohl aber seine Anrüchigkeit. Was stellt er denn dar? Dem unvoreingenommenen Blick, den das Schimmerlicht Monte Carlos nicht blendet, enthüllt er sich als eine Veruntreuung die durch eine brutale Erpressung noch erheblich verschlimmert wird. Vertrauensbruch, Defraudation und widerrecht liche Anwendung von Gewalt: ein reizender Tatbestand. Das bietet die Ufa zwischen ein pa<y: harmlosen Gesängen, Liebesszenen und Landschaftsbildern dem Publikum an, das nennt sie wahrhaftig Zerstreuung. Aber diese Zerstreuung zerstreut uns nicht inmitten der Not; sie beweist höchstens, daß die Not viele Hemmungen und Gewissensskrupel zerstreut hat. Da kein Zuschauer die Verfehlungen des Helden gutwillig Hin nahme, müssen sie sanktioniert werden. Nichts einfacher als das. Indem man den Helden als einen „Kerl" hinstellt, glaubt man seine Handlungsweise nicht nur entschuldigt, sondern gar in höhere Sphären erhoben Zu haben. Freund und Geliebte stimmen am , Schluß darin überein, daß er trotz seiner Charakterlosigkeit der feinste Kerl sei, den es überhaupt gebe. Natürlich wird er von Hans Albers gespielt, dessen Bestimmung nachgerade zu sein scheint, den Typus des feinsten Kerls Zu verkörpern." Wider das Kerltum wäre nun kaum etwas einzuwenden, wenn es nicht an eine Stelle aufrückte, die ihm nicht Zukommt. Statt daß der Prachtkerl sich Lei allem Leichtsinn und Uebsrmut den Moralbegriffen unterordnet, dis eine gesittete Gesellschaft Zusammenhalten, erlaubt er sich, was ihm gefällt und ernennt sich selber Zur letzten Instanz; statt daß er sich durch die Gesetze begrenzen läßt, macht er seine Art zum Gesetz. Ungestraft und nur, weil er ein Kerl ist, darf der Hell» des Films den Kasinoverwalter einlochen und die nichtsahnenden Besucher Monte Carlos in Schrecken versetzen. Ihn Zum Idol emporsteigern, heißt nichts anderes, als dem blinden Triebleben den Primat vor der Vernunft Zu erteilen, mit der die menschliche Gemeinschaft sich selbst einschränkt, um zu bestehen. Die bloße Natur wird Zum Trumpf und ihre unkontrotlierbaren Ansprüche erniedrigen die des Rechts. Ein Rückfall ins Mythologische, der vermutlich die weltanschau lichen Bedürfnisse des rechts orientierten Publikums befriedigt. Und wie um ihnen noch mehr entgegenzukommen, hat die Ufa auch die Tatsache ausgenutzt, daß von der unkritischen Naturanbetung nur ein Schritt Zur Vergötzung- des militärischen Apparates ist. Das Atelier-Schlachtschiff blißt, der Wastenrock des Kommandan ten blitzt, und auch die Matrosen sind blitzende Kerls. Ohne zu murren, befolgen sie den Befehl, die Kanonenrohre auf das Kasino zu richten, und durch ihren unangebrachten Gehorsam wird nach dem Willen der Ufa nicht etwa die Militärspielerei desavouiert, sondern umgekehrt: das kriegerische Matrosenleben dient dazu, die Erpresserallüren mit einer Gloriole zu umweben. Der Betrug scha det nicht der Uniform; diese vielmehr erhöht den zweifelhaften Kerl vollends Zum Staatskerl, dem der Betrug nachgesehen werden muß. Trauriger beinahe als diese Haltung, die, wenn ich mich nicht täusche, für Zahlreiche Ufa-Produkte und damit selbstverständlich auch für weite KpMe des Publikums bezeichnend ist, stimmt die Fülle der in dM^ Film gesteckten Arbeir. Sie ist in einem entscheidenden Sinne wertlos. Denn die Ehrlichkeit im kleinen macht die Frag- würdigkeit des Ganzen nicht gut, sondern wird durch sie nur ent wertet, und der auf die Details verwandte Fleiß unterstreicht un nachsichtig die Denkfaulheit, durch bie das Erzeugnis verschuldet worden ist. Ihr sind wohl auch jene Szenen Zuzuschreiben, die plump den einen oder anderen Effekt des Films: „Liebes-Parade" zu kopieren versuchen, ohne daß es ihnen gelänge, seine Anmut mit herüberzunehmem Arme Anna Sten, die in einer solchen Umwelt austreten muß; sie ist — man weiß es aus dem Karamasoff-Film — zu viel, um in ihr etwas zu sein. (Der Film läuft seit gestern in Frankfurt.) s Ich gedenke noch mit einem SLichwort zweier gerade in Berlin laufender Filme französischer Herkunft. Der eine: „König der Nassauer" ist eine Art von lustigem Pariser Volksstück — eine nicht unsympathische, aber derbe und zu sehr auf den internationalen Geschmack abgestimmte Arbeit, die von den Motiven amerikanischer Groteskfilms geschickt Gebrauch macht. Stärker berührt mich trotz aller Schwächen und Knalleffekte der Fabel die sehenswerte deutsche Version des in Paris von Augusts Genina gedrehten Films „M i L t e r n a ch t s l i e b e", der ausgezeichnete französische Milieu schilderungen und stilstchere schauspielerische Leistungen bringt. 8. Lraeausr.