Ei« paar Ktundrn Sklarek-Pro;rß (Privattekegrammder wendigkeit einer Beziehung abphotographisren kann, weiß ich nicht; aber daß diese problematische Freundschaft nun durch das Ein greifen der Bilder ihr Ende gefunden hat, scheint mir fraglos gewiß. „Frankfurter Zei tun g".)^ Auf dieses sophistisch Zugespitzte Zwischenspiel folgt eine Ver nehmung des Angeklagten Kohl, der bekanntlich Bürgermeister von Köpenick gewesen ist. Ich gestehe, daß sich während seines Verhörs mein Respekt vor dem Hauptmann von Köpenick zusehends verringert hat. Es muß für ihn eine Kleinigkeit gewesen sein, den SLadtsäckel Zu erleichtern; noch dazu mit Unterstützung des Militärs. Und ich frage mich nur, warum gerade Köpenick immer ein solches Rathauspech hat. Das Verhör besteht darin, daß sich der Vorsitzende so unermüd lich wie vergebens bemüht, von Herrn Kohl sachkundige Auskünfte über seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der LVO (Kleidervertriebsgesellschaft) Zu erlangen. Er fragt ihn zum Bei spiel: Wie erklären Sie sich das Defizit von 700 000 Mark? Ant wort: Es ist auf den Geschäftsgang zurückzuführen. Kurzum, Herr Kohl weiß beinahe von nichts, und kann er für den Ge schäftsgang nicht einfach den Geschäftsgang verantwortlich machen, so entlastet er sich mit dem Hinweis auf das Dasein der Rech nungskammer. Er hat die Bilanzen schlicht hingenommen, er hat gewissermaßen über den Wassern der Geschäftsführung geschwebt, die wirklich sehr wäßrig war. Und seine Unkenntnis wirkt dadurch noch beschämender, daß er sie mit einer gewissen Ueberzeugtheit preisgibt. Armes Köpenick! Es wird ihm ein geringer Trost sein, daß vermutlich auch anderswo Aufsichtsräte sitzen, die dem Geschäfts gang freien Lauf lassen und nicht einmal beamLenähnlich sein müssen. Wer Leo Sklarek unbefangen träfe, hielte ihn wohl sofort für das, was er ist: für einen bestimmten Typus des Konfektionärs. Jenen, der nicht selten in die Welt der Conferenciers ausbricht, weil er gesellschaftliche Talente hat und die Leute zu anrüsieren versteht. Zu seinen Gaben, die er freilich nicht auf dem Podium, sondern unmittelbar nutzbringend verwandt hat, kommt noch ersicht lich die VersiertheLt im Umgang hinzu, und daß er weniger in den Sachen als in lauter Relationen lebt, ist schlechterdings nicht zu bezweifeln. Ein Mann, wie ihrer heute zahlreiche herumlaufen. Sie gedeihen in den großen Städten, dort, wo die meisten Möglichkeiten sind, und suchen sich die Stellen des schwächsten Widerstands aus. Hat Leo Sklarek wirklich an die Freundschaft des Mitangeklagten Stadtbankdirektors Hoffmann geglaubt? Herr Hoffmann be teuert, daß er stets die Kluft zwischen sich und den Sklareks gespürt habe. Ich sehe nur seinen Rücken und wundere mich über die Sub- tilität, mit der er das Wesen der Freundschaft bestimmt. Wahre Freundschaft, so meint er, setze innere Beziehungen voraus, und die habe er nur zu drei Menschen gehabt. Gewiß, er leugnet gar nicht, mit Leo Sklarek in Nachtlokale gegangen zu sein, leitet aber diese Akte der Intimität rein aus geschäftlicher Notwendigkeit ab; wobei er sich auf einen Artikel des Bankrates Hagen im „Bankarchiv" be ruft, der das gute Einvernehmen zwischen den Bankdirektoren und ihren Kunden ausdrücklich befürwortete. Die Tatsache, daß sich der Geschäftsfreund nachträglich so peinlich von dem Privatfreund ab- sondert, veranlaßt den Vorsitzenden zu der Bemerkung, daß dann die erwähnte Kluft Zwischen ihm und den Sklareks jedenfalls sehr innerlich gewesen sein müsse. Die seelenvollen Bekenntnisse des Stadtbankdirektors versetzen Leo in Erregung, und ich traue ihm in der Tat zu, daß er seine Geschäfte in Nachtlokalen mit einem reichlichen Gefühlszuschuß tätigte. Kopf und Herz sind bei diesem Typus nicht weit aus einander, und oft schwärmt der Kopf, während das Herz rechnet. Aber jetzt, nach Hoffmanns Erzählungen, verkehrt sich Liebe flam mend in Haß. Mit dem Zorn des Enttäuschten gibt Leo der Oeffent- lichkeit bekannt, daß er für den Busenfreund, der .es nie gewesen, immer die Zeche gezahlt habe. Und sein Verteidiger verspricht Photographien vorzuweisen, die bündig die außergeschäftliche In nigkeit des Freundschaftsverhältnisses bezeugten. Ob man die Jn- Im Verlauf der Verhandlung zieht sich das Verhör mitunter auf Formalien Zurück, auf theoretische Konstruktionen, deren Ab straktionshöhe nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß sie durchaus handgreifliche Folgen haben. So wird ein Obermagistratsrat als Sachverständiger befragt, ob ein vom Magistrat delegierter Aufsichtsrat in einer Gesellschaft, deren Anteile alle in den Händen der Stadt seien, als Beamter betrachtet werden müsse. Der Fall ist beamtenrechtlich noch nicht ganz geklärt, aber der Sachverständige neigt doch daz^, dem hypothetischen Aufsichtsratsmitglied beamten- ähnliche Eigenschaften zuzusprechen. Er selber macht auch wirklich den Eindruck eines in jeder Lebenslage erprobten Beamten. Mag seine Aussage hieb- und stichfest sein, die Verteidiger der gewesenen städtischen Funktionäre haben ein natürliches Interesse daran, ihre Klienten nach Möglichkeit aus der Beamtenatmosphäre herauszu- reißen. Sie rücken daher von rechts und von links dem verdutzten Sachverständigen in der Mitte mit Erwägungen und Eventualitäten zu Leibe, die ihn sämtlich zur Lockerung des Beamtenverhältnisses bestimmen sollen. Nicht anders wie hier über die Beamtenähnlichkeit ist vielleicht in früheren Jahrhunderten über die Gottesähnlichkeit gestritten worden. Der Obermagistratsrat fühlt sich zwar durch das heftige Kreuzfeuer etwas in die Enge getrieben, steht aber mit der Unbeirrbarkeit des Beamten zu seiner Behauptung, daß der Mensch, insofern er ein so und so beschaffenes Aufsichtsratsmitglied ist, ws nicht ganz und gar ein Beamter, so doch einem Beamten immerhin ähnlich sei. Lr Berlin, 1Z. Oktober. Der große Verhandlungssaal des alten Moabiter Gerichts gebäudes ist in einem üppigen maurischen Bauunternehmerstil -gehalten mit Hufeisenbögen vor der Galerie — eine Art von theologischem Phantasiehintergrund für weltliche Distinktionen und Disputationen. Hier geht der Sklarek-Prozeß vonstatten. dessen Teilnehmer wahrhaftig nicht zu beneiden sind, ist doch seine Dauer auf etwa ein Vierteljahr angesetzt. Die Angeklagten mit ihren Verteidigern und Akten füllen mehrere Bänke zur Rechten und zur Linken, und wüßte man nicht, daß sie angeklagt sind, so könnte sie, rein physiognomisch betrachtet, kein Mensch von den mitwirkenden Amtspersonen oder vom Publikum unter scheiden. Sie gehören eben teilweise zur Gesellschaft, die es bei uns, streng genommen, nicht gibt. Es wird überhaupt schwer ! sein, sich durch dieses Labyrinth durchzufinden, denn in unseren aufgelösten Zeiten hat die Schlamperei um sich gegriffen, und die Grenzen zwischen Korruption und Usancen sind nicht immer haar scharf zu ziehen.