lt allerdings Nicht den Sinn dessen, was sein soll, sondern dessen, was ist, aber diese Erklärung hindert ihn nicht daran, den folgenden Satz Spenglers beifällig zu zitieren: „Die Welt geschichte ist das 'Weltgericht: ... sie hat immer die Wahrheit und Gerechtigkeit der Macht, der Rasse geopfert und die Menschen und Völker zum Tode verurteilt, denen die Wahr heit wichtiger war als Taten, und Gerechtigkeit wesentlicher als Macht." Es wäre ein Leichtes — ich denke etwa an den Drehfuß-Prozeß, die Aussage Spenglers durch Beispiele zu widerlegen, die das genaue Gegenteil beweisen. Von Inter esse ist hier jedoch nur die Feststellung, daß Fried, indem er diese These übernimmt, die gleiche Wirklichkeitsarmut verrät, die sich in der „Tat" gerade dort überall geltend macht, wo die neue Wirklichkeit postuliert wird. Denn der von ihm als Realität ausgespielte Satz, daß Wahrheit und Gerechtigkeit im weltgeschichtlichen Prozeß stets der Macht und der Rasse zum Opfer fielen, entspringt faktisch nicht der aktuellen Be ziehung zur Realität, ist vielmehr eine Frucht rein historischer Einstellung. Derselben Einstellung, von der es an einer ande ren Stelle der „Tat" mit einigem Recht heißt: „Ganz grund sätzlich, vom Ethischen her, könnte man fragen, ob die histo rische Einstellung nicht gerade im tiefsten Grunde unhistorisch ist, indem sie sich weigert, in die Dialektik der Geschichte ein Zugehen, und dadurch wirklich geschichtlich' zu werden". Ließe sich Fried mit der Dialektik der Geschichte ein, so rnüßte er bemerken, daß sich Macht und Rasse nur dann dauernd durch setzen, wenn sie jenen Lehren dienen, in denen sich Wahrheit und Gerechtigkeit jeweils verkörpern; daß sie dagegen zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie allein sich selber in Kraft wissen wollen. Fried entzieht sich dieser Dialektik. Die Folge solcher Irrealität ist, daß er eine fragwürdige historische Kon templation mit einer Maxime des Handelns verwechselt und die natürliche Voraussetzung substantiellen Verhaltens zur Substanz übersteigert. Seine Position ist nichts sonst als Opposition gegen jede Sinnhaftigkeit überhaupt und selber so bar an Gehalt, wie nur die bloße unbelichtete Natur es ist. Die „Tat" richtet also gegen die liberale Wirklichkeit keine andere, substantiellere auf, fordert vielmehr nur eine, die sich nicht fordern läßt. Wer boshaft wäre, könnte einen der Ab götter des Tat-Kreises gegen diesen ins Treffen führen. Ich meine Spengler. Er sagt einmal, daß die nordische Seele, da sie ihre inneren Möglichkeiten erschöpft habe und ihr nur noch „der Trieb, die schöpferische Leidenschaft, eine geistige Daseins Wären die Begriffe des Tat-Kreises nur irreal aber an ihrem Hungertuch nagt auch der Widerspruch. Nicht der unab dingbare, der sich an der Grenze jedes geschlossenen Systems einstellt, dort, wo seine Voraussetzungen stecken, sondern einer, der das System von innen her auflöst. Es hat seinen guten Grund, daß die Mitarbeiter der „Tat", Teufelsaustreibern gleich, die den Hexen nachspüren, allenthalben Liberalismus wittern und die unseligen Tropfen zählen, die einer davon im Blute hat. Konservativismus und Sozialismus gelten ibnen als völlig verseucht, und was ist der russische Bolschewismus? „Es ist ein Liberalismus mit marxistischem Vorzeichen!" Auch der Fascismus wird des Umgangs mit dem Bösen geziehen und muß sich nachsagen lassen, daß er von einer Fülle liberaler Ideen durchsetzt sei. Kurzum, man ist päpstlicher als der Papst; vorausgesetzt, daß von ihm im Zusammenhang mit dem Fascis- mus geredet werden darf. Die Sucht, den Liberalismus bis in den entlegensten Winkel hinein zu hetzen und zu jagen, läßt nun unstreitig darauf schließen, daß er, psychoanalytisch ge sprochen, so etwas wie eine Verdrängungserscheinung ist. Man verfolgt ihn mit Haß, weil man ihn in sich hat. Und wirklich hat ihn die „Tat" unbewußt so sehr in sich, daß er überall aus ihr herausquillt. Er läßt sich nicht verbergen: der vorne von ihr vertriebene Liberalismus wird an der Hintertür stets wieder freundlich hineinkomplimentiert. Und schlupft er auch nicht unter seinem eigenen Namen ins Haus, so ist eine Verwechslung doch ausgeschlossen. Seine Gegenwart inmitten der ihm feind lichen Gedankenwelt ist aber ein Beweis mehr für deren Ohn macht. An entscheidenden Stellen tritt der Begriff des Einzel menschen in Bedeutungen auf, die denen der bewußten Haltung des Tat-Kreises Widerstreiten. So wird im Kampf gegen Amerikanismus und Kapitalismus nicht nur der Wiederauf bau des Berufsgedankens, sondern auch der Aufbau einer „neuen Persönlichkeitskultur" erstrebt. Ferner findet sich in dem Aufsatz: „Wohin treiben wird", dem gleichen, der das Programm enthält, der gesperrt gedruckte Satz: „Es geht um den Menschen. Und die Entscheidung darüber, wohin es geht und wie lange es dauert, .fällt in jedem Einzelnen selbst, nirgends sonst!" Aus welcher Sphäre werden diese Be stimmungen hierher verschlagen? Sie sind Individualismus idealistischer Prägung, bürgerliche Begriffe, wenn man will, die sich jedenfalls unter keiner Bedingung mit der Forderung des „integralen Nationalismus" und des „totalen Staates" vereinen lassen. Denn deren Erfüllung ist zum mindesten an die Einheit des allgemeinen und des subjektiven Willens geknüpft. Heißt es aber ausdrücklich, daß die Entscheidung in dem Gnzelnen selber falle und nirgends sonst, so ist damit der Staatswille von vornherein ausgeschaltet; auch dann, wenn eine organische Staatsauffassung zugrunde gelegt wird. Dieser autonome Einzelne ist viel eher der Träger des alten liberalen Systems als der einer Autarkie, und es zeugt nur von der Stärke der ererbten liberalen Vorstellungen, daß er sich in einer durchaus antiliberalen Konzeption noch den Ehrenplatz erobern kann. Wie das Beispiel Rußlands drastisch lehrt, ist in Wirklichkeit gerade die Aufhebung der Autonomie des einzelnen notwendig, um die Menschen in den souveränen Staat „hinein zu integrieren". Und obwohl die Sowjetunion von den Tat-Leuten des Liberalismus bezichtigt wird, weiß sie doch besser als diese darum Bescheid, daß der Aufbau einer nationalen Staatswirtschaft den einer „Persönlichkeitskultur" nicht duldet. Sie im freien Raum zu Verlangen und zualeich den Begriff des totalen Staates zu konstruieren, ist auf alle Fälle ein Widersinn. Die „Tat" beschränkt sich nicht darauf, die Entscheidung in den einzelnen zu verlegen, sondern entwirft auch ein ziemlich scharf umrissenes Bild seines zukünftigen Daseins. „Er wird weniger zu tun haben als heute, denn er kann nicht mehr acht Stunden beschäftigt werden. Er wird infolgedessen mehr Zeit form ohne Inhalt" bleibe, sich einen Gehalt ihrer Wirksamkeit wenigstens vortäufchen müsse. „Ibsen hat es," so fährt er fort, „die Lebenslüge genannt. Nun, etwas von ihr liegt in der gesamten Geistigkeit der westeuropäischen Zivilisation, insoweit sie auf eine religiöse, künstlerische, philosophische Zukunft, ein immaterielles Ziel, ein drittes Reich sich richtet, während in der tiefsten Tiefe ein dumpfes Gesühl nicht schweigen will, daß diese ganze Wirksamkeit Schein, die verzweifelte Selbst täuschung einer historischen Seele ist... Auf dieser Lebenslüge ruht Bayreuth, das etwas sein wollte im Gegensatz zu Pergamon, das etwas war." Diese Einsichten, deren Er kenntnisgehalt hier nicht zu erörtern ist, beziehen sich zwar auf den Sozialismus, treffen aber viel eher den Vorstellungs kreis der „Tat". Auch sie will etwas, das etwas war. Ich darf hinzufügen, daß es, insofern es Willensziel ist, nicht werden kann. (Schluß folgt morgen.) aus der Verwirklichung von Erkenntnissen entsteht, die direkte Forderung des Mythos aber gegenstandslos ist. Damit wäre der Appell der „Tat" an den Mythos gekennzeichnet als eine Reaktion ohne Gehalt. Ein gleiches gilt für den Begriff vom Raum. Wenn Zehrer es etwa als Notwendigkeit erachtet, daß sich die Sammlung der geistigen Elite innerhalb der Landschaften vollziehen müsse, so überhöht er eine Begleiterscheinung zur Bedingung. Denn gewiß spricht sich eine neue Lehre — und nur durch sie wird eine Elite bestimmt — gern zwischen Nachbarn herum; aber darum ist doch nicht die nachbarliche Beziehung die Voraus setzung für die Bildung dieser Elite. Wie hier, so stempelt die „Tat" durchweg den Raum zur Eigengröße; während er in Wirklichkeit Bedeutung jeweils von den auf seinem Boden sich realisierenden Gehalten empfängt, die er allerdings zu bewahren, zu verwandeln und auszudünsten vermag. Ein Kult mit dem Raum, der sich ganz offenbar wider die in liberalen Kreisen nicht ungebräuchliche Denkweise richtet, die zur Jnter- nationalität drängt, ohne räumliche Eigenarten voll mit ein- zusetzen. Indem jedoch diese Gegenaktion den Raum ver absolutiert, schießt sie weit übers Ziel hinaus und schafft einen aufgeblähten, hohlen Begriff, der aus dem Raum einen Popanz macht. Ich kann es mir nicht versagen, eine Probe Friedscher Raumkunst zu geben. „Das kapitalistische Abend land... verliert wahrscheinlich noch den Einfluß auf Süd amerika und Australien, wo die nationale Bewegung immer stärker auf Abschließung, Herauslösung aus der Weltwirtschaft, Selbständigkeit hinarbeitet. Möglich erscheint es, daß auch Südafrika dann herausfallen wird. In Nordamerika wird die heranreifende Auseinandersetzung zwischen den überschuldeten Farmern des Westens und dem industriell-finanziellen Osten schließlich zu einer ähnlichen wirtschaftlichen Symbiose wie zwischen Mitteleuropa—Rußland führen, wobei sich freilich dann ganz Nordamerika einschließlich Kanada ebenfalls völlig autark von der übrigen Welt abschließen wird. Damit verbleiben usw " Entnommen einem Aufsatz: „Der Umbau der Welt" (Mai-Heft 31). Die Irrealität dieser Plakatarchitektur liegt auf der Hand. Sie stempelt die im Raum sich darstellende Oekonomie ohne weiteres zu einer variablen des Raumes und verfälscht die Not von Zollgrenzen zur Tugend der Autarkie. Am erschreckendsten ist die Reaktion der „Tat" auf die Sinnhaftigkeit, die der Liberalismus, und nicht Nur er, dem Geschehen zuschreibt. So gut ich begreift, daß man sich von einer Situation wegwendet, die keinen Sinn mehr zu bewahr heiten scheint, so unvollziehbar dünkt mir doch der Schritt, den Fried bei wachem Bewußtsein ins Nichts der Barbarei unternimmt, Zwar behauptet auch er einen Sinn zu suchet