Abschluß gefunden. VI. bloßen Natur bekämpfen zu wollen, die sich in ihm darstellt. Nur die Vernunft kann die maßlose Ratio begrenzen; die Vernunft, zu deren Merkmalen auch dieses gehört, daß sie ihrer Bedingtheit eingedenk ist. „Wir schätzen den Franzoen", heißt es einmal in der „Tat", „als Gegner aus dem Krieg. Viele von uns hasten später auf Reisen durch Frankreich den Lebensstil des französischen Kleinbürgers und Bauern kennen- gelernt, und wir haben seine statisch«, konservative Mentalität verstanden." Nun, diese doch wohl schätzenswerte Mentalität ist die eines Volkes, das der Vernunft einst göttliche Ehren er wies und ihr Walten freimütig anerkennt. Auch der Tat-KreiS sollte nicht länger dem unfruchtbaren Groll gegen sie nachgeben, der ihn von seinen wahren Zielen nur abdrängt. Im Novem berheft erklärt Erwin Ritter: „Wir ringen... um die Rück kehr des Intellektes zur Bescheidenheit." Der bescheidene Intel lekt: er eben ist ja die Vernunft, die es in dieser zur Ent scheidung drängenden Situation mehr als je anzuwenden gilt. Denn ohne ihren vollen Einsatz, ohne die klar«, bündige Absage an die finstern Mächte des Widergeistes wird der Kreis der um die „Tat geschälten Menschen "niemals das haben, was ihm teuer ist: die neue Wirtschaft, die nur ein Werk der Erkentniz sein kann, und das Volk von rechts und von links, dessen Umrisse ihm borschweben. gesamten Totalität geht . . ." Wäre der Einsatz des 'Glaubens vorhanden, das auch sonst häufig gebrauchte Wort von der Totalität erhielte sein ihm hier zugedachtes Gewicht. Die politische Aktivität der „Tat" allerdings hätte damit ihren Ueber die Fttmzerrfur. „Nicht der Branche zuliebe ist diese Schrift geschrieben, sondern für den wertvollen Film. Mehr noch: für die Entfaltung und die Fruchtbarkeit des geistigen deutschen Lebens, das heute nicht zuletzt auch in der Form des Films sich bekunden kann." Wir zitieren diese Sätze aus der Einleitung des Buches: „Verbotene Filme" von Wolfga g Petzet (So ' cietäts-Verlag Frankfurt a. M. 160 S. K .. Mk. 2.50), weil sie seine Absichten scharf umreißen. In ' Tat handelt es sich hier um eine Streitschrift, die wie jed echte Polemik über ihr begrenztes Kampfziel hinausgreift. Sie beschränkt sich darauf, die Filmzensur zu geißeln. Aber indem sie deren Methoden anprangert, kennzeichnet sie zugleich die Mentalität, die heute aus vielen Aeußerungen des öffentlichen Lebens in Deutsch land spricht. Voraussetzung ihres Nachweises ist zunächst die genaue Materialanalyse. Petzet handhabt sie musterhaft. Er untersucht mit philologischer Exaktheit den Text des Lichtspielgesetzes, verfolgt wie ein Spürhund die verschiedenen Zenfurbescheide und ihre Begründungen und benutzt auch sonst alles ein schlägige Material. Wobei es ihm immer wieder gelingt, aus den von ihm zitierten amtlichen Dokumenten, Schriften, Fach- zeitschristen-Artikeln usw. Bekenntnisse herauszulocken, die sie eigentlich gar nicht ablegen wollen. Daß er sie so unter Druck setzen kann, ist seiner entschiede nen Haltung zu danken. Dieser Autor weiß, worauf es an- kommt, weiß es auf ökonomischem, sozialem, politischem und kulturellem Gebiet. Eben darum vermag er auch sein Material von allen möglichen Seiten her zu bedrängen und die Gegner so zu umzingeln, daß es schlechterdings kein Ausweichen mehr für sie gibt. Er stellt nicht nur die Willkür der Filmzensur bloß, er entkräftet sämtliche Argumente, die sie zu ihren Gun sten geltend macht. Und nicht anders verfährt er mit der Film industrie, die ja scheinbar unter dem Wüten der Zensur be sonders schwer zu leiden hat. Auch ihr Verhalten wird auf Herz und Nieren geprüft, und das Ergebnis ist, daß der Produktionsapparat mit dem Kontrollapparat vortrefflich har moniert. Wir müssen es uns leider versagen, auf die Fülle der Ein zelanalysen näher einzugehen. Die Hauptsache ist, daß sie die Unsinnigkeit des Lichtspielgesetzes und seiner Anwendung voll kommen zur Evidenz erheben; daß sie ferner die Betrachtung der Fälle Zum Anlaß nehmen, um wichtige Aussagen Über unsere öffentlichen Zustände zu machen; daß sie schließlich nachhaltig auf das Grundgebrechen unseres kulturellen Lebens aufmerksam machen, insofern es staatlich zu reglementieren versucht wird: Die Kulturpolitik hat innerhalb des heutigen Systems keine feste Direktion, sondern ist jeweils die Resul tierende von . Druck und Gegendruck. Daher die unzulängliche Arbeit -der PM daher die Zufälligkeit ihrer Beschlüsse, die sich noch dazu oft genug widersprechen. Petzet schlagt ein mal halb im Scherz vor, daß man die der Zensur vorzuführen- den Filme zuerst dem Publikum zeigen solle, damit es Wetten über ihre Zulassung oder ihr Verbot abschließen könne. „Es wäre ein . . . in jeder Hinsicht moralisches Glücksspiel," fahrt er f)vt, „ganz wie es Polizei und Gesetzgebung bei uns liebt: -ein gewisser Grad von geistiger Konzentration, Einfühlungs gabe, Gefchicklichkeit und Balancierkunst wäre zur Gewinnung der richtigen Lösung nötig, und dennoch würde auch der Er- Die Sorge um das Schicksal der unersetzlichen, im Mittel stand vorhandenen Kräfte hat mich zu diesen Auseinander setzungen bestimmt. Ihre einzige Absicht ist: der Ausweis der Situation, in der die „Tat" sich befindet. Er ist auch rm Jnteresie der von dieser vertretenen Sache geboten; in dem jeder Sache, die eine ist. Soviel ich sehe, gründet sich die der „Tat" aus die bereits eingangs erwähnte tiefe Erfahrung der Verbundenheit des Volks. Sie zu gewinnen, ist seiner Zwischenposition wegen ge rade der Mittelstand befähigt, und ich wüßte nicht, wie man sie besser ausdrücken könnte als durch die folgenden Sätze Zehrers: „Die Gemeinsamkeit des konservativen Menschen, der seiner Natur, seiner Tradition, seinem Blut und seinem Charakter nach das heutige System nie anerkennen konnte, mit dem neuen Menschen auf der Linken, den das heutige System durch- walkte und ausspie, ist größer, beide sind sich näher, als sie ahnen. Der Weg der Zukunft führt dahin, diesen Menschen rechts mit dem Menschen links zusammenzuführen und umge kehrt ..." Hinzu kommt eben die Erfahrung der Schäden des heutigen Systems, die den legitimen Aufruhr gegen die ent fesselte Ratio bedingt. Auch er ist an Einsichten geknüpft, die während der Krise besonders den Mittelschichten nahegelegt worden sind. Die Aufgabe, diese substantiellen Erfahrungen des Mittel stands fruchtbar zu machen, ist nun keineswegs gleichbedeutend mit einer engherzigen Mittelstandspolitik. Denn entstammen sie auch dem Mittelstand, so zielen sie doch nicht ohne weiteres darauf ab, ihn in seiner sozialen Zwischenstellung zu ver ewigen. Begnügte sich der Tat-Kreis mit einer solchen Misston: dann allerdings wäre er in einer Sackgasse ohne Ausweg, müßte an der Unwirklichkeit seiner Begriffe und an inneren Widersprüchen scheitern und dürfte kaum hoffen, den oben ge kennzeichneten Gefahren zu entgehen. Aber in Wahrheit hat er sich ja nicht diese Aufgabe gestellt, sondern eine andere, die über das pure Mittelstandsinteresse hinausreicht. Wie sie prak tisch zu lösen sei, ist hier nicht zu erörtern. Festzustellen ist nur: daß ihre Inangriffnahme eine Revision der Haltung des Tat Kreises in zwei wichtigen Punkten zur Voraussetzung hätte. . Einmal, so glaube ich, wird es ihm nicht erspart bleiben, seine Haupt- und SLaatsbegriffe von ihrer Bedeutung als Reaktionen zu reinigen. In einem Aufsatz des September heftes schreibt Ernst Wilhelm Eschmann: „Wir wenden uns hier gegen den Marxismus nicht aus ideologischen Gründen... Sondern weil er eine gewaltige Quantität von Energien zur Unproduktivität verurteilt, weil er sie konfessionell fixiert und so die richtigen Entschlüsse nicht zulätzt." Aber auch die „Tat" fixiert bei der Erzeugung von Begriffschimären, die den Mittel stand allenfalls überhöhen, ohne ihn jedoch unterbauen zu können, eine Menge von Energien, die sich ungleich produktiver anlegen ließen. Sie will den Menschen rechts mit dem Menschen links zusammenbringen und verfährt nicht anders wie die „Roten Betriebszellenzeitungen", denen Christian Reil im Aprilhest nachsagt, daß ihr Einfluß über den Kreis der eigenen Parteianhänger hinaus ziemlich gering sei, ,,da ein großer Teil des Inhaltes Oppositionsartikel gegen die freien, Gewerkschaften sind, und die Sprache, die speziell für die An gestellten schichten gesprochen werden muß, um bei diesen wirk sam zu sein, den Kommunisten vorläufig jedenfalls vollständig abgeht..." Genau so versagt der Tat-Kreis gegenüber den Arbeüerschichten. Statt in die von ihm gemeinte Wirklichkeit einzudringen, verliert er sich an die Scheinwirklichkeit der Bilder vom Staat und vom Mythos, die er gegen den an die Wand gemalten Erzteufel des Marxismus und Liberalismus entwirft. Seine Oppositionsbegriffe bewirken, daß ihm die Linke nur ein Begriff ist. Und doch müßte er Zum Probrtariat kommen und es herbeiholen, um die Erfahrung des Volkes zu realisieren. Die Bedingung eines solchen Vorgehens wäre allerdings, daß er sich nicht von gefühlsmäßigen Reaktionen, sondern von Erkenntnissen leiten ließe. Und damit bin ich beim zweiten Punkt angelangt, in dem das Verhalten des Tat-Kreises revi. sionsbedürftig ist. Er wird, wie ich meine im Dienst seiner eigentlichen Aufgabe die Würde der Vernunft wieder herzu stellen haben. Die gegen sie angezettelte Rebellion mag als Verzweiflungsakt des bedrohten Mittelstandes zu verstehen sein; sie ist unter keinen Umständen das richtige Mittel, um dem Wüten der entfesselten Ratio Einhalt zu tun. Im Gegenteil! Jenes ungebundene, vom Kratürlichen abgelöste Denken, das sich in der Nachkriegswelt auf den Gebieten der Wirtschaft, Politik usw. ungestraft über alle Schranken Hinwegsetzen durste, hat viel mehr Affinität zur Barbarei als zur Vernunft; der liberalen nicht ausgenommen. Es ist, ich" wiederhole schon Ge sagtes, der Exponent blinder Naturtriebe, und nichts wäre ab > surder und zugleich aussichtsloser, als es mit Lilie derselben