Krane Woche. offen demonstriert, so hält er in ihm, erinnere ich mich recht, auch katastrophe den Leuten das Geld aus der Tasche und gibt dem Tod ein Menschengesicht fest, das gerade erlischt. Man mag diese Bilder unerträglich finden oder gar ihre Zulassigkeit bezweifeln, aber sie entspringen doch einer Weltausfassung, die jedenfalls nicht damit abgetan werden kann, daß das unkontrollierte Gefühl sich gegen einige ihrer Folgerungen sträubt. Und zwar sind die betreffenden Ausnahmen Grenzprodukt einer Lehre, die das individuelle Leben dem der Gemeinschaft radikal Untertan machen will. Auch die Pro zesse der Geburt und des Sterbens noch sollen von ihren Trägern gleichsam abgelöst und in die Öffentlichkeit des Kollektivs hinein getragen werden, dem der Einzelmensch vom ersten bis zum letzten Atemzug angehört. Es handelt sich also im Werthoff-Film nich^ nur darum seine Schrecken zurück, um ihn zur lukrativeren Sen sation zu machen. Nichts ist ihr heilig außer dem Geschäft, und alles erlaubt, außer finanziellen Verlusten. Die Folge eines solchen Verhaltens ist aber unweigerlich die Zersetzung sämtlicher echten Gehalte; auch jener, auf denen unsere heutige Gesellschaft beruht. Der Individualismus zum Beispiel büßt sein Recht ein, sobald Todesstürze zu Zerstreuungszwecken ausgenutzt werden können oder auch Kriege zum Bummeln. Ich sage das nicht aufs Geratewohl hin. In einer Berliner Zeitung wurde jüngst ein Kriegs bericht aus der Mandschurei unter dem Titel: „Bummel Berlin, Anfang Februar. Vor kurzem sah ich in einer Film woch en schau eine Auf nahme, die auch das sensationslüsternste Publikum zu befriedigen vermochte. Sie trug die Ueberschrift: „Todes stürz eines Flieger s" und war zwischen harmlosen Tier- und Sportbildern eingereiht. Der Flieger stieg zunächst friedlich auf, beschrieb schöne Bahnen in der Luft, und dann erfolgte der Todessturz. Er wurde von Anfang bis zu Ende gezeigt. Nachdem die Maschine einige Schlingerbswegungen ausgefichrt hatte, Überschlag sie sich und taumelte der Erde entgegen. Hier explodierte sie, und hier hätte der Operateur immer noch aufhören können zu kurbeln. Aber nein: „Das gibt's nur einmal, das kommt nie wieder." Die Zuschauer sind gezwungen, Zeugen der Feuersbrunst zu sein, sie dürfen nicht einmal wie die Menschen auf dem Flugplatz zur Unglückstätte rennen, sondern müssen untätig stillsitzen, während schwarze Flam men zum Himmel emporschlagen, aus dem der Flieger kam, der nun mit seinem Apparat in wenigen Minuten verbrennt. Ein Wunder noch, daß der Leichnam nicht herausgezerrt und in Groß aufnahme vorgeführt wird. Der r u s s i sche Avantgarde-Regisseur Dsiga Werth 0 ff hat in einem seiner stummen Filme ebenfalls den Vorgang des Sterbens vergegenwärtigt. Wie er in jenem Werk den Geburtsakt der Auslandswaren ab und tragen Überschriften wie: „Eßt deut sches Obst" oder „Deutsches Brot macht Wangen rot". So ist es, und ich wünschte nur, daß jeder von uns Geld genug hätte, um sich sämtliche angepriesenen Waren in Hülle und Fülle Zu kaufen. UeberAmpt spielt die Kunst in der Grünen Woche eine erstaun liche Rolle. Photos und Oelgemälde schildern die Freuden des Waidwerks und spiegeln den Zauber der Landwirtschaft wider. In langer Reihe ziehen sie sich an den Wänden entlang, regelrecht gemalte Bilder, auf denen Kühe von der untergehenden Sonne be strahlt werden und Hirsche in der Waldeseinsamkeit äsen. Bald wird der Jäger sie jagen und schießen, aber er hat dann wenig stens ein Bild von ihnen und Hre Geweihe. In einer Sonderschau sind eine Menge schöner Geweihe vereint, deren einige Ehren preise erhalten haben. Der erste besteht in einem Hindenburg- Porträt und ist für den besten deutschen Hirsch aus freier WiWahn zuerteilt worden. Ich sehe schon die Geweihe und die Gehörne über den Wald-möbeln hängen und bin davon überzeugt, daß sie sich mit den OeMldern gut vertragen. Diese erwecken übrigens in ihrer Mehrzahl den Anschein, als stammten sie aus früheren Jahr hunderten und aus den Niederlanden. Ihre Ackerschollen sind ein wenig verschollen und ihre Windmühlen in eine holländische Tunke getaucht. Wer auch die Natur ändert sich ja nur allmählich. Zum Glück bringt sie immer noch in ihrer verschwenderischen Gute Haustiere aller Art hervor, die für den Nähr- und Wehr stand von Nutzen sind. Während der Grünen Woche gibt sich ihre Elite ein SteMchem: ausgewählte Kaninchen, die das Entzücken der Kinder find, und herrliche Roste, die auf Reit- und Fahrtur- nieren vielerlei Künste entfalten. Sie werden von Stallmeister in prächtigen Uniformen behütet und galoppieren immer wieder über die Sandfläc^n der riesigen Halle. Die Peitschen knallen, die Trom peten blasen, die Wimpel stehen bunt in der Luft und in der Mitte liegt ein gemalter, hellgrüner Rasen. Lebenslustiger noch ist allerdings eine andere Halle, die so Mgebärdig dröhnt und lärmt, daß man sie schon von weitem vernimmt. Erst in der Nähe kommt man dahinter, daß sich das Hallen der Halle aus einem unaufhör lichen Gekrätze und Geschnatter zusammensetzt. Me Enten, Hühner und Hähne geben keinen Augenblick Ruhe, es ist, als würden in einem fort deutsche Eier gelegt. Ich weiß nicht, warum sie so auf geregt sind; es sei denn aus Freude darüber, vor ihrem jähen Tod noch einmal in der Grünen Woche beisammen zu sein. So schon es auch draußen in den Höfen, Feldern und Wäldern sein mag, ein gelegentlicher Besuch der Reichshauptfiadt hat doch seine Annehm lichkeit. Um so mehr, als jetzt gerade die Hotelpreise gesenkt worden sirch. 8. Lraeausr. B-Me, Anfang FÄrusL WiGer einmal fft Mo „Grün« Wsch«" in die Ausstellungs hallen am KaiserdÄMM singezogm; obwohl es noch gar nicht grün bei uns ist, sondern grau, regnerisch, kalt. Dennoch bin ich mir ganz grün in ihr vorgekommen, da ich nicht das geringste von den Schwimmpumpen, den Vorteilen des stählernen Ackerwagens und den Siegen der Magermilch verstehe. Dieser schmerzlich empfundenen Unkenntnis wegen verzichte ich auch von vornherein auf den Ver such einer fachmännischen Betrachtung, begnüge mich vielmehr mit der Wiedergabe einiger Eindrücke, die zweifellos ebenso nebensächlich wie unnütz find. Da ist zum Beispiel der Walb. Nicht der Waü> im allgemeinen, sondern der deutsche. Me ahnungslos man ihn gewöhnlich durch wandert, begreift man erst hier, in der grünen Wochenschau. Sie zeigt nämlich, wozu seine deutschen Bäume taugen und was aus ihnen alles hergestellt werden kann. Wahrhaftig, der Wald enthält Mehr als die Poesie, die unsere Volkslieder besingen; er ist von ein«: unvergleichlichen Zweckmäßigkeit. Ich rede nicht einmal von den Eisenbahnschwellen, die den deutschen Waldstämmen entstammen, ich «wähne nur die große Försterdienstwohnung, die mitten im Hallenvau« aufgHaut ist, so hoch da droben. In ihrer unmittel baren Nähe wachsen aus dem fruchtbaren Bretterboden ein paar TarmerckHums empor, die ebenfalls den Wald andeuten sollen, der das Ziel und der Ursprung dieses wundervollen Holzhauses ist. Wald, überall WaG — wir sind von ihm völlig umgeben und sitzen ßWsx emf ihm, wofern wir nicht SLahlstühle benutzen» Wer wer Mht« irr den MWelkojen dieses Waldreviers noch an Stahl? Es vsHrht sich von selber, daß sie mit lauter Tischen und Schränken GM Hotz gefüllt find, innenMchitekwnisch gemaserten Stücken, die dz nichts mehr an ihre landschaftliche Herkunft erinnern. Diese Möbel hüben die große Chance, aus irgendeinem plausiblen Grund Ar jeder Ausstellung auftauchen zu können. Sie waren in der Bau- wrMeLrmg zu sehen, well sie -um Bauen gehören; sie hatten sich teilweise in der Büroausstellung eingesunden, weil Büros wohnlich Pin müssen, und sie lassen sich jetzt neuerdings besichtigen, weil der WMe Wald Hre Geburtsstätts war. Äußer ihnen gibt es noch zahlreiche andere Erzeugnisse deut scher Nation? Autos, Leinen, Süßwasserfische, Benzin. „Deutsche BaumwoWoffe sehen Dich an!", heißt es ausdrücklich auf einem Plakat, das mit mehreren seinesgleichen die Aufgabe hat, für den Konsum deutscher Waren Propaganda zu machen. Im Dienst dieser Sache steht auch ein Schülerwettbewerb, dessen Ergebnis zum min- dsstm beweist, daß schon in manchem jungen Menschen ein tüch tiger Werbefachwann steckt. Oder er kann doch leicht in ihn hinein gesteckt werden» Viele Zeichnungen schrecken wirkungsvoll vom Kauf 5- . -lF 6 ) Todessturz eines Iliegers etwa um schamlose Uebergriffe eines besessenen Film-Reporters, sondern um rabiate Schlüsse aus einer großen Doktrin. Sie werden mit einer naiven Unbekümmerttchkett gezogen und sind insofern berechtigt, als sie die Grenzen des neuen Gemeinschaftslebens einst weilen so wett wie möglich hinäusverlegen, um ihre spätere Ab steckung vorzubereiten. Der Filmstreifen vom Todessturz enträt einer solchen Bedeutung durchaus. Er überbietet beinahe noch jene berüchtigte Szene des Films: „Afrika spricht," in der ein Löwe v^rgeMch- einen Neger Zerreißt, und ist wie sie der Ausdruck einer Gesinnung, die in allen Leiden und Qualen nur dankbare Ausbeutungsobfekte erblickt. Ihr gilt der Tod keinen Pfifferling, wenn er sich nicht photographieren läßt, ihr ist das furchtbare Ende des Fliegers ein glücklicher Zu fall, den man nicht Preisgeben darf, ein rentables industrielles Nebenprodukt, das unter jeder Bedingung verwertet werden muß. Wahrhaftig, der Kameramann hat seinen Kasten nicht hinge schmissen, sondern wacker gedreht und gedreht, und ich glaube fast annehmen zu dürfen, daß er für sein Ausharren von der Firma gekrönt worden ist. Während der Werthoff-Film im Interesse der Kollektivisierung die Grenzen des Möglichen zu erweitern sucht, ist dieses Wochenschaubild das Zeichen skrupelloser Profitgier, die überhaupt keine Grenze mehr kennt. Sie lockt mit einer Flieger-