dem Elefanten befiehlt, auf einem riesigen als sei er ein Seelöwe, und ihn dann wie eine Reihe von Pfosten schickt, auf denen kann. Er tut, was sie will. Er fühlt mit Ball zu balancieren, einen Seiltänzer über er kaum Tritt fassen dem Rüssel vor, setzt jeden der vier Fußkolosse genau an die richtige Stelle und geht sogar, well es nun einmal von ihm verlangt wird, den schwindel erregenden Pfostenweg wieder zurück. Welch ein Gleichgewichts sinn sitzt unter der dicken Haut und wie ausgewogen sind alle Bewegungen, die er vollführt! Wäre er ein Artist, so dürfte er stolz auf die wunderbare Kunstfertigkeit sein, mit der er die Figuren beschreibt und die Schwere bezwingt. Aber er ist kein Artist, sondern ein Elefant, der den Sinn dieser Leistungen nicht einsieht, oder ihn doch mißbilligte, begriffe er ihn Denn seit wann wäre es die Bestimmung des Elefantengeschlechts, Bälle zu rollen und über Pfosten zu schreiten? Beschämt und verwaist steht er wieder im Hintergrund und erwartet die neuen schlimmeren Qualen, die ihm jetzt zugefügt werden. Ein Herr in weißer Uniform erscheint, eine Art tropischer Feldwebel, der sehr Zielbewußt ist. Mit seiner selbstsicheren Stimme nötigt er den Elefanten, sozusagen geistige Arbeiten zu verrichten. Er zeigt Hm eine Vier, und der Elefant muß viermal auf die Tafel klopfen; er veranlaßt das Publikum, Rechen-Aufgaben Zu stellen, und dem Elefanten bleibt nichts anderes übrig, als die kindischen Aufgaben wie ein Klopfgeist zu lösen. Empfinge er noch die Anweisungen in zuvorkommendem Ton! Doch der Uni formierte denkt gar nicht daran, ihn weitläufig Zu behandeln, sondern begönnert das gewaltige Tier. Wahrhaftig, er legt Herab lassung an den Tag, sucht dem Elefanten einzureden, daß alle diese läppischen Späße, bei denen mitzuwirken ihm obliegt, ernste und wichtige Verpflichtungen seien, und spielt durchaus den über legenen Gebieter, der es sich leisten darf, plump vertraulich zu werden. Wie einem dummen Tölpel begegnet er dem Geschöpf. Es kann sich nicht wehren. Aber man merkt, daß es die De mütigung spürt, die ihm hier widerfährt. Während der weiße Mann sich krampfhaft mit ihm beschäftigt, sieht es ihn nicht etwa an, blickt vielmehr unaufmerksam ins Leere Den Ausdruck dieser Augen vergißt niemand so leicht. Sie sind von einer Trauer erfüllt, die so unendlich ist wie die grauen zerklüfteten Flächen, in deren Mitte sie sich verlieren, und verraten Zugleich die grenzen lose Verachtung, die "das Tier gegen den törichten Weißen emp findet. Ja, es verachtet ihn, dem es gehorchen muß, und gibt sich nicht einmal die Mühe, dieses Gefühl zu verbergen, das sein Peiniger auch gar nicht verstünde. Mitunter vergißt es überhaupt, daß er. neben ihm steht, nickt einsam vor sich hin und schüttelt abwesend den Kopf. In solchen Augenblicken hängt es den unent wirrbaren Geschichten aus der Vergangenheit nach, und die Weis- beit der Wälder rauscht durch sein Blut. Wurzelnacht, Lichtungen, Schneisen — dort weilt in Wahrheit sein Geist. Und nur mecha nisch führt es die Aufträge aus, über die es erhaben ist, ohne sich um die plappernde Uniform Zu bekümmern. Diese scheint ihrer Sache so sicher zu sein, daß sie einmal dem Elefanten sich aufzurichten befiehlt. Er richtet sich auf, und es ist, als berste die Erde, als ginge die Natur aus den Fugen. Gegen jede Gewöhnung steigt die ganze ungeheure Masse in die Höhe, steht auf den beiden Hinterfüßen und erstarrt zur furchtbaren Drohung. Ist das noch der Elefant, der Kegel schiebt und ein Holzstäbchen zerbricht? Ein Urwelttier ist auf dein Podium er standen. Sein Leib ist ein Massiv lebendig gewordener Felsen, sein Kopf eine Fratze, in der sich die Empörung der Elemente ver körpert. Kein Bild, das wir kennen, gleicht dieser Gestalt. Aus Aer Glefant. Berlin, im Juni Im Wintergarten, dessen Programm durch eine Solonummer von Paul Graetz gekrönt wird — der Künstler singt und springt mit Gelenkigkeit und Noblesse ein Potpourri Altberliner Chansons —, tritt auch ein Elefant auf, der einem in der Seele leid tun kann. Langsam kommt er hereingeschritten, ein mächtiges graues Tier, und stellt sich im Hintergrund auf Vielleicht erinnert er sich noch an die Wälder, durch die er einst stampfte, an die Gerüche der Freiheit und an die Sonne, die manchmal über ihm leuchtete. Aber Wälder und Freiheit sind schon Lange vorbei, und das Scheinwerferlicht, das die Bühne erhellt, ist mit der Sonne nicht zu vergleichen. Man ist gefangen. Man darf nicht mehr jubelnd trompeten oder nach Gefallen Baumstämme knicken, son dern muß sich wie ein Besiegter in sein Schicksal ergeben. Das Schicksal wird durch eine lächelnde Dame verkörpert, die ihren Augen schießen böse Strahlen, und ihr Rüssel stürzt un heilvoll nieder. Sie brauchte ihn nur leicht zu schwingen, und der Wicht vor ihr wäre nicht mehr. Und statt reglos wie ein düsteres Monument auf demselben Fleck Zu verharren, könnte sie dann Schritt für Schritt, als ginge sie über lauter Pfosten, irr den Zuschauerraum niedersteigen und das Publikum zertrampeln, das nichtsahnend gelacht und geklatscht hat... Das alles könnte sie tun, und niemand vermöchte den Aus bruch Zu hindern. Aber nach einer kurzen Pause, die nicht auf hören will, senkt sich das unförmige Wesen langsam herab und verwandelt sich wieder in den alten Elefanten Zurück. Die Wunder der Dressur nehmen ungestört ihren Fortgang. Mit einer uner müdlichen Geduld vollbringt der Elefant, was ihm geheißen ist. Wie dieser Elefant, so verhalten sich manchmal die Völker. Sie werden gegängelt, sie balancieren, rechnen, richten sich auf, senken sich nieder und üben Geduld. Doch gleich dem Elefanten sind sie nicht immer, was sie zu sein scheinen. Um zu erfahren, wie es ihnen wirklich zumute ist, muß man den Text entziffern, der in ihren Augen geschrieben steht. Genau wie beim Elefanten. 8. Xraenuer.