zu im Dienst bis zu enier gewissen Position durchgerungen. Daß treten! Sie wollten die Herren spielen und wurden schäbigen Knechten. Es waren lauter kleine Leute, die sich hockzustapeln suchten. Sie kamen über ihre Parteien in Stellungen, ihnen ihrem Charkter nach nicht zukamen, oder sie hatten andere Direktoren, höhere städtische Funktionäre, Revisoren und mehrere kleine Typen, um die es nicht weiter geht: das sind die Partner der Sklareks gewesen. „Halb zog sie ihn, halb sank er hin", kann es von ihnen heißen. Manche allerdings, wie etwa der Bilanzfälscher Kieburg, scheinen durchaus selbständig gesunken zu sein, ohne daß man sie außerdem ziehen mußte. Und ihrer viele haben sich nicht auf die passive Begünstigung beschränkt, sondern die empfangene bare Münze mit aktiven Gegenleistungen bezahlt, die ebenfalls bare Münze bedeuteten. SLadtbankdirektor Hoffmann informierte die Sklareks über bevorstehende Prüfungen und skizzierte ihnen Kreditanträge, Stadtrat Gaebel verlängerte eigenmächtig ihren Vertrag auf die ausschließliche Belieferung der städti schen Stellen, Buchprüfer Lud in g beriet sie steuertechnisch, obwohl ihm Nebenarbeit verboten war. Und so ging es fort. Aber die scharf kontuierten Delikte sind nicht einmal ent scheidend. Ungleich wichtiger sind vielmehr jene Eigentüm lichkeiten des Ensembles, die, ohne selber strafbar zu sein, der Nährboden für die Delikte waren. Gemeint ist hier zu nächst die erschütternde Kenntnis- und Verantwortungslos keit, mit der zahlreiche hohe Verwaltungsbeamte ihre Berufs Pflichten versahen. Sollte man sie einzig und allein darauf zurückführen dürfen, daß ein Teil der Funktionäre rein in folge der Parteizugehörigkeit, also nach den Gesetzen der Frak tionsarithmetik, in die Aufsichtsräte kommandiert wurde? Tatsache ist jedenfalls, daß etwa Kohl, Gabel, Degner als politische Beamte Machtkompetenzen erhielten, die sie nur mißbrauchen verstanden. Einer dieses Schlages bekannte auch im Gerichtssaal, daß er keine Ahnung von seinen Obliegen heiten gehabt habe. Doch nicht sie allein waren schuldige Un schuldsengel, die von nichts wußten, sondern ebenso sehr die Berufsbeamten, die vom Baum der Erkenntnis hätten ge gessen haben müssen. An ihrer Spitze Herr Bo eß, der auch bei seiner Zeugenvernehmung wieder als die Verkörperung der Unfähigkeit wirkte. Er habe nichts gehört und nichts ge sehen, und der ganze Sklarekskandal war für ihn sozusagen eine einzige Ueberraschung gewesen. An ihm nahmen sich die anderen das Vorbild, das er nicht war, bis herunter zum Revisor Luding, der erklärte, daß die Buchprüfung eine Glückssache sei. (Nur ein Gents unter den Revisoren hätte eine solche Erklärung mit einigem Recht abgegeben werden dürfen.) Besonders charakteristisch in dieser Hinsicht ist der Fall der Stadtbankdirektoren Hoffmann und Schmitt, die zum Unterschied vom Sozialdemokraten Schneiden etwa, Lei dem auch für die Dauer von drei Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter erkannt wurde, ein auffallend mildes Urteil erhalten haben. Die grenzenlose Leichtgläubigkeit, mit der sie, die gerächten Bankfachleute, trotz der ihnen zugegangenen Warnungen den Sklareks Kredit um Kredit bewilligten, wird noch durch ihre Motivierung dieses unangebrachten Vertrauens verschlimmert. Immer wieder be teuert Herr Hoffman vor Gericht, daß man den Sklareks darum ohne jedes Bedenken entgegengekommen sei, weil sie „Behördencharäkter" gehabt oder, wie er sich auch einmal aus- drückt: „weil sie als ein Anhängsel der Stadt" gegolten HU ten. Mit anderen Worten: man handelte nicht, wie die Posi tion es verlangte, aus eigener Verantwortung, sondern nach den Spielregeln der Clique. Da die Sklareks oben gut unge schrieben zu sein schienen, drückte man beide Augen zu und beachtete statt der Unterlagen, die sie lieferten oder nicht lie ferten, nur ihre famosen Beziehungen zur Spitze. Wenn man von einem System reden will: dies war das System. Ihm huldigten die Stadtbankdiretoren, der Kämmerer, nahezu alle. Die eine Stelle schob die Schuld auf die andere ab, und die Sache selber fiel unversehens unter den Tisch- 4^ Vielleicht hätte das Uebel weniger um sich gegriffen, wenn nicht die meisten Beteiligten vom Drang der Emporkömmlinge nach Glanz und gesellschaftlicher Stellung besessen gewesen wären. Da die Sklareks selber diese Neigung hatten, konnten sie schon aus Instinkt die Wünsche ihrer Gönner erraten und befriedigen. Auf ein Rätselraten waren sie offenbar in der Regel gar nicht angewiesen. Leo meinte einmal, daß sie, die Brüder, für ihre Freunde die reinsten „Automaten" gewesen seien. Und der Oberstaatsanwalt versicherte in seinem Plädoyer, er glaube aufs Wort, daß sich die Beamten höchst schamlos betragen hätten. Sie bezogen für sich und ihre nähere und weitere Familie von den Sklareks die Garderobe, sie nahmen Provisionen, Zehn- und Hunderttausende entgegen, sie ließen sich mit silbernen Kaffee-Servicen und Lebensmitteln beschenken. Die Sehnsucht nach dem, was sie für die Gesell schaft hielten, beherrschte sie ganz. Der Kommunist D e gner richtete sich mit den Schmiergeldern eine teure Wohnung ein, und sein Fraktionsgenosse Gäbe! besuchte in Gesellschaft Leos die Ballokale am Kurfürstendamm. Auf die Notwendigkeit, solche Lokale zu politischen Studienzwecken zu ergründen, hätte er sich nicht herausreden sollen. Und wie großartig ist nicht Stadtbankdirektor Schmitt im Jagdschloß der Sklareks aufge- ver- die sich sie dann rasch der Verlockung erlagen, ist gewiß nicht zu ver zeihen, aber immerhin zu erklären. Ihr schädliches Handeln wurde mitbedingt durch unsere gesellschaftliche Situation. In diesem Nachkriegsjahrzehnt, in dem die Unterschiten endlich Lust zu bekommen glaubten, und zugleich — ein Widerspiel der hin- und herwogenden Machtkämpfe — sämtliche Maß stäbe des Verhaltens in Verwirrung gerieten, war der Auf trieb leicht verführbarer Naturen weniger als je an Grenzen gebunden. Keine Autorität leitete ihn in die richtigen Kanäle — im Gegenteil, die aus der Inflation hervorgegangene gesellschaftliche Oberschicht, die ein Beispiel hätte geben sollen, war selber nicht dazu bereit, sich Schranken aufzuerlegen. Man strebte danach, es ihr gleich zu tun, hatte aber nicht eigentlich Achtung vor ihr. So konnten freilich betrogene Be trüger und ehrgeizige Schwächlinge auf den Glauben geraten, daß jedes Mittel recht ei, um in die Höhe zu fallen. Es ging ja gut, es kam niemand dahinter und viele andere trieben es ebenso. * Eine maßlose politische Hetze hat sich auf diesen Prozeß wie auf eine willkommene Beute gestürzt und ihn entgegen seinem wahren Sinn und über jedes zulässige Maß hinaus zu Propagandazwecken verwertet. Er sollte von der Verrottung des „Systems" zeugen, sollte das untrügliche Zeichen der „sozialistischen Mißwirtschaft" sein. In Wirklichkeit aber ver hält es sich anders. Die Freunde der Sklareks reichten von den Kommunisten bis zu den Antisemiten, und Leute aus allen politischen Ltgern hatten den Wert unverdienten Geldes er kannt. Wen klärte nicht der „Silberne Pokal der Freund schaft" darüber auf, daß die Lust an Geschenken nicht von der Parteizugehörigkeit abhängig ist? Ein Pfarrer und deutsch nationaler Reichstagsabgeordneter segnete diesen Pokal ein, und so gut wie andere Stadtverordnetenfraktionen ließ sich die deutschnationale .Wahlgelder von den Sklareks spendieren. Auch für das, was man heute unter dem „System" versteht, ist der Sklarek-Prozeß nicht symptomatisch. Er beweist höch stens, wie sehr das „System" in der Berliner Stadtverwal tung mißbraucht worden ist, und sagt etwas über die Art dieser Mißbräuche aus. Sie erklären sich eines Teils, wie wir schon andeuteten, aus der Nachkriegssituation und sind anderen Teils ngch eine Folge des alten, durch den Krieg zusammengebro chenen Systems, das den Untertanengeist mehr gepflegt hatte als die Tugend der Verantwortung. Durfte es wirklich wundernehmen, daß die aus dem Druck der Vorkriegsverhält- nisse entlassenen Untertanen ihre Freiheit mitunter nicht zu gebrauchen verstanden und daß in dem kurzen Lehrkurs hie und da ein Unglück geschah? Die Demokratie zu praktizieren, , ist eine Sache der Uebung.