Gebärden der Anerkennung die Blumendekoration des Rathauses: zwei aus Veilchen geformte Schiffsanker. Jeder tat, was ihm zu- kam; jeder führte seine Rolle vollendet durch. Das hohe Paar zog die Behörden huldreich ins Gespräch, die Behörden nahmen ihren Platz ein und die Senegalesen machten brave Soldatenaugen. Wie ein Schauspiel, das man sich selber gab, wickelte sich der Empfang ab, und obwohl sämtliche Beteiligten auf offener Szene den nötigen Ernst wahrten, wußten sie doch, daß sie Schauspieler waren. Es fehlte nicht viel, und sie hätten hinterher Beifall ge jubelt. In der Dämmerung entfernte sich der Kreuzer langsam, und das Meer war wieder friedlich wie immer. Um diese Zeit ist es ein stiller glatter Spiegel, in dem die feinen Farben des Himmels wiederscheinen. Weit draußen fahren die Schiffe nach Bordeaux zu oder gleiten hinaus. Man sieht sie kaum; ihre Rauch fahnen sind ein Hauch. Wenn die Dunkelheit wächst, entzünden sich die Leuchttürme und spielen Do-Do miteinander. Strand und Wasser werden dann eins. Das Kasino steckt alle seine zahllosen Lichter an, deren größtes der rote Vollmond ist.. Gerade wird eine dramatische Szene in drei Ver sionen gedreht. Der Held, ein so kühner wie dämonischer Flieger, erklärt dem Kommandanten von „F P. 1", daß er die Station zerstört habe (oder zerstören wolle). Natürlich hat ihn eine Frau zu dieser Verzweiflungstat getrieben. Bitter weist der Flieger auf die Dame, die man leider während der Aufnahme nicht sieht, und schickt sich dann an, schlafen zu gehen. „Weck" mich, wenn es soweit ist," sagt er zum Kommandanten, „man geht nicht alle Tage unter auf einer sinkenden „F. P. 1"." Immer wieder wird die kleine Szene wiederholt, und stets von neuem ertönen die mit tragischer Ironie übersättigten Worte. In der französischen Ver sion wirken sie absichtlich affektiert, in der englischen sind sie das Zeichen männlicher Souveränität. Wenn in den Berliner Kinos Uraufführungen stattfinden, sind die Eingänge gewöhnlich von einem Haufen begeisterter Leute umlagert, die den Stars zujubeln wollen. Zwei Reihen Schutz leute müssen Lrlian Harvey auf dem Weg zu ihrem Wagen be hüten, sonst wird sie ein Opfer des Ruhms. Das Uebermaß von Seligkeit, das diese jungen Film-Enthusiasten hier auf der Oie empfänden, ist wirklich nicht auszuschöpfen. Denn wer wandelt in stattlicher Naturgröße und prächtigem Megerdreß über die Plattform und spricht die Worte: „Man geht nicht alle Tage unter auf einer sinkenden F. P. 1"? Hans Albers persönlich. Um das Glück voll zu machen, ist auch Konrad Veidt zugegen; im selben Megerdreß, mit Einglas und Schal. Er ist der englische Sprecher. Einmal sitzen sogar die beiden rein privat in der Kan tine Zusammen. Es gibt noch Lichtblicke in dieser düsteren Zeit. -r- Abend für Abend fährt der Dampfer mit den Darstellern und dem technischen Stab nach Göhren zurück. Die falschen Matrosen auf dem Verdeck sehen jetzt vollends wie richtige aus, und Echtheit und Unechtheit fließen merkwürdig ineinander. Das Blau der Ost see täuscht das Mittelmeer vor, der Mann am Steuerrad muß ein Komparse sein. Göhren selber ist eine einzige Filmdekoration zu einem historischen Film aus der Zeit Kaiser Friedrichs III., dessen Bild im Restaurationssaal eines Hotels hängt. Und obwohl die Häuser mit den Holzloggien, dis Strandpromenade und die Andenkengeschäfte das Flutdeck und die Gerüste noch lang über dauern werden, wirken sie doch ungleich verschollener als drüben auf der Oie der Schein von „F. P. 1". Bald gehen die Aufnahmen Zu Ende. Dann wird Hans Albers verschwinden, der Glanz er löschen und die Insel mit ihren 17 Menschen verlorener sein als je Zuvor. „Ii. H. 1" aus der Insel Hie. Berlin, 29. Sept. „F. P. 1" liegt nur Zum Schein auf der Insel Oie. Bald wird die Insel wieder verödet sein, ohne daß darum die „F. P. 1" im Weltmeer auftauchte, in dem sie von Rechts wegen schwimmen sollte. Dennoch wird man spätestens gegen Jahresende „F. P. 1" überall sehen können; aber die Insel Oie zeigt sich dann nicht mehr mit. Versteht man diese geheimnisvollen Zusammenhänge? Ich sänge noch einmal von vorne an. Was die Insel O i e betrifft, so existiert sie wirklich. Sie heißt, genau genommen, die Greifswalder Oie unix ist vom Ostseebad Göhren auf Rügen aus in einer anderthalbstündigen Dampfer fahrt zu erreichen. Eine winzige Insel mit einem Leuchtturm und -einem Restaurant. Wer will, kann an einem Vormittag unzählige Mal ihre grüne Fläche umkreisen, die steil ins Meer abfällt. In normalen Zeiten wird das Miniatur-Eiland von 17 Menschen bewohnt. Jetzt allerdings hat es vorübergehend starken Zuzug erhalten. Matrosen, deren bebänderte Mützen die Inschrift „F. P. 1" tragen, streifen auf der Insel herum, und neben dem roten Leucht turm erheben sich hohe Gerüste. Hinter ihnen beginnt eine andere Welt. Der Rasen hört auf, und an Stelle des natürlichen Geländes entfaltet sich eine leere, sanft ansteigende Ebene, die aus Eisen platten besteht. Sie hat einen künstlichen Glanz, schwebt über dem Meeresspiegel und Zeichnet sich scharf vom Horizont ab. Begrenzt wird sie von Fragmenten moderner Fassaden, die aber in Wahrheit nur die Vorderseiten der Gerüste sind. Auch der Riesenkran, der einsam in den Himmel ragt, ist nicht das, was er zu sein vorgibt. Echt ist vermutlich nur ein Zelt am Rand der eisernen Plattform, in dem jedenfalls richtiges Bier ausgeschenkt wird. Zweifellos hat man schon erraten, daß diese ganze'Schein- Architektur Zu Filmzwecken errichtet worden ist. In der Tat, die Ufa dreht hier große Stücke ihres Films: „F. P. lantwortet Nicht", K Die rätselhaften Buchstaben, die nicht antworten, sind die Ab kürzung für „Flugzeug-Plattform 1". Unter dieser Be zeichnung ist eine künstliche schwimmende Insel zu verstehen, die als Stützpunkt für den transozeanischen Luftverkehr dient. Einst weilen gibt es eine derartige Insel nur in einem Roman von Kurt Siodmak, dem der Ufa-Film den Titel und die offenbar sehr auf regende Spielhandlung entlehnt hat. Aber der Roman ist nicht etwa ein reines Phantasieprodukt, sondern nimmt ein Projekt vorweg, dessen Verwirklichung auf beiden Seiten des Ozeans ernst haft erwogen wird. A. B. Henninger, ein deutscher Ingenieur, hat ein solches Projekt bis ins kleinste ausgearbeitet. Er sieht ein Flugdeck von 500 Meter Länge und 150 Meter Breite vor, das sich 25 Meter über dem Meeresspiegel befindet und auf einer Reihe von Stempeln ruht, die in die unbewegten Meeresschichten hinab reichen. Die ganze Konstruktion ist an einem Tiefsee-Anker befestigt, um den sie sich je nach der Windrichtung drehen kann. Da der Insel des Films die Pläne Henningers zugrunde liegen, kommt ihr eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu. Und taucht sie gar "E einmal auf der Leinwand auf, so wird jedermann glauben, daß sie schon wirklich sei. Man wird Flugzeuge auf ihr landen sehen, im Kommandoturm zu stehen meinen, mit den Passagieren im Hotel einkehren, tief unter der Plattform zwischen den Stempeln hindurchfahren und Schreckensszenen miterleben, die sich freilich nur bei Siodmak ereignen. Aber alle Romane bleiben hinter dem Leben zurück. Wunderbarer noch als diese künftigen Illusionen sind unter allen Umständen die Vorkehrungen, mit deren Hilfe sie erzielt werden. Die Hotelanlage besteht nur im Modell; von den Stempeln hat man einige aus Blech improvisiert und bei Cuxhaven in die Elbe gesenkt; der rauschende Ozean ist die fried liche Greifswalder Bucht; ein Ausschnitt des Flugdecks, das eigentlich von den Stempeln getragen werden sollte, schmiegt sich dem Rasen der Oie an. liebten weint, enthüllt sich eine nicht erwartete volle Natur. Aber veranschaulichen diese wenigen Auftritte auch, was die Bergner unter Umständen leisten könnte, so drängen sie doch nicht die viel zu dick aufgetragene Infantilität zurück, die keineswegs gleichbe deutend mit der dunklen Verwirrung ist, in der die Heldin aller dings befangen sein müßte. Czinner hat unzweifelhaft Delikatesse; ja die Gestaltung eines qualvollen Traumes geht sogar noch über den bloßen guten Ge schmack hinaus. Seine Regie erblickt im übrigen ihre Hauptauf gabe darin, den passenden Rahmen für die Bergner zu schaffen, und ist die gepflegte Arbeit eines sicheren Kunstgewerblers, der keine besonderen Einfälle hat. Mitunter hat er sich die Sache etwas zu leicht gemacht. So hätte er in einem Film, der die Einheit des Ortes wahrt, weder ein Pariser Restaurant mit einer Berliner Destille zusammensteller^ noch einen Schupomann am Ufer der Seine zeigen dürfen. Auch ist die Wohnung des Ehepaares für ein Orchestermitglied entschieden Zu luxuriös. Anton Sdthofer verleiht dieser Gestalt die Liebenswürdigkeit des schon halbwegs verbeamteten Künstlers und setzt sie vorzüglich vom Geiger Rudolf Försters ab. Der ist mit seiner Rattenfängerstimme ein Frauen- gott ohne Makel« 8. Lravausr.